Eine Entlassungswelle in Frankreich hat drastische Folgen: Bereits zum zweiten Mal haben wütende Arbeiter ihren Chef über Nacht in einer Fabrik festgehalten - sie wollten ihre Abfindungen neu aushandeln. “Diese Aktion ist unser einziges Druckmittel“, sagte der Streikführer.

Pithiviers. Aus Protest gegen geplante Entlassungen haben Arbeiter in Frankreich erneut einen Firmenchef in ihre Gewalt gebracht: Der Leiter eines Werks für Medizinprodukte des US-Konzerns 3M im zentralfranzösischen Pithiviers wurde in der Nacht zum Mittwoch in der Fabrik festgehalten.

Das teilte die Polizei am Morgen mit. Gewerkschaftsvertreter gaben als Grund die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit Abfindungen bei ihrer Entlassung an.

Die Arbeiter hielten die ganze Nacht lang Wache vor dem Büro des Firmenchefs. "Wir verlangen eine Neuverhandlung der Abfindungen und eine Umzugsprämie", sagte Gewerkschaftsvertreter Jean-François Caparros. In der Nacht seien darüber Verhandlungen geführt worden, die aber nicht zum Erfolg geführt hätten. Am Vormittag sollten sie wiederaufgenommen werden. "Alle sind sehr motiviert", sagte Caparros. "Diese Aktion ist unser einziges Druckmittel." Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen sei es nicht gekommen.

Soziales Klima verschärft sich

Die 3M-Fabrik mit 235 Beschäftigten ist auf Feinchemie und die Produktion von Medikamenten spezialisiert. Die Konzernleitung hatte im Dezember die Streichung von 110 Stellen angekündigt und die Verlagerung von 40 weiteren in eine andere Gesellschaft im Laufe des Jahres. Als Grund gab das Management einen stetigen Nachfragerückgang und Überkapazitäten in der Produktion an.

Durch eine Welle von Entlassungen hat sich das soziale Klima in Frankreichs Unternehmen in den vergangenen Wochen deutlich verschärft. Mitte März hatten wütende Arbeiter wegen der Schließung eines Magnetband-Werkes im Süden des Landes den Frankreich-Chef des Elektronikkonzerns Sony eine Nacht lang gefangen gesetzt. Beschäftigte des Reifenherstellers Continental bewarfen kurz darauf ihre Manager mit Eiern, weil der deutsche Konzern ihr Werk im Norden des Landes schließen will.