Die Billigrevolution in der Geschichte des Automobils rollt seit gestern über Indiens staubige Straßen. Der Preis für das Basismodell: 100 000... Bilder vom “indischen Zwerg“.

Neu-Delhi. Die Billigrevolution in der Geschichte des Automobils rollt seit gestern über Indiens staubige Straßen. Der Preis für das Basismodell: 100 000 Rupien alles inklusive. Das sind umgerechnet rund 1450 Euro. Damit ist das 3,10 Meter lange Modell der günstigste Neuwagen der Welt. Tata-Chef Ratan Tata will seinem Land mit dem Nano einen indischen Volkswagen geben, der Millionen Menschen den Traum vom eigenen Auto ermöglicht. "Wir haben ein Versprechen erfüllt", sagte er bei der Markteinführung. Das Milliardenvolk ist noch weitgehend unmotorisiert.

Der Autozwerg kommt mit einem halben Jahr Verspätung in den Handel. Ein unschöner Politstreit um einen Produktionsstandort hatten den Autobauer gezwungen, den Wagen in zwei bestehenden Werken zu montieren. Eine neue Anlage ist in Bau. Die Werksverlagerung kostete den Konzern rund 220 Millionen Euro. Damit hat das Vorzeigeprojekt von Ratan Tata einen herben Rückschlag erlitten. Vermutlich wird der Autobauer maximal 50 000 Stück im ersten Jahr ausliefern können, weit entfernt von den anvisierten 250 000 Autos, die eigentlich vom Band rollen sollten. Man darf annehmen, dass es jetzt schon mehr Interessenten für den Viersitzer gibt als Tata liefern kann. Das komplizierte Buchungssystem mit Lotterieverfahren erinnert jedoch an realsozialistische Autowelten.

Video: Ratan Tata stellt den Tata Nano vor

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Das Billigauto kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt auf den Markt: Die weltweite Wirtschaftskrise hat Indien erfasst. Autohersteller kämpfen mit sinkender Nachfrage. Kredite sind nicht leicht zu bekommen. Beobachter glauben, dass Tata den Kampfpreis kaum halten kann und den Nano bald teurer verkaufen wird. Ohnehin gilt der Preis nur für das Basismodell ohne Klimaanlage und mit nur einem Scheibenwischer.

Tata Motors könnte einen kommerziellen Erfolg dringend brauchen. Der von Schulden geplagte Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage nach seinen Lastern und den Luxuskarossen von Jaguar und Land Rover. Im Juni muss ein Kredit von zwei Milliarden US-Dollar (knapp 1,47 Milliarden Euro) abgelöst werden - ein Überbleibsel der zeitlich unglücklichen Übernahme von Jaguar-Land Rover. Um Liquidität zu bekommen, war Tata gezwungen, einen Anteil an Tata Steel, der Stahlfirma des Konzerns, zu verkaufen. Doch so schnell dürfte der Nano sich nicht als Geldmaschine erweisen. "Auch wenn Tata Motors 100 000 Nano-Autos im Jahr verkauft, wird das unbedeutend für seinen Umsatz und Gewinn sein", sagt Ambrish Mishra, Analyst für Global Sify Securities.

Die Kostenkalkulation für den Nano beruhe auf hohen Stückzahlen. Nur wenn die Herstellungsanlagen voll ausgenutzt werden, könne man Geld mit dem Produkt verdienen.

Andere Autobauer sind Tata bereits auf den Fersen: Bajaj, der zweitgrößte indische Fahrzeughersteller, entwickelt zusammen mit Nissan und Renault einen preiswerten Kleinwagen. Auch Volkswagen und General Motors wollen in den Billigwagenmarkt einsteigen.