Experte sieht Risiko des Bundes bis auf eine Billion Euro steigen. Nach der Commerzbank ist eine Beteiligung an der Immobilienbank Hypo Real Estate absehbar.

Hamburg. Die Erosion des Bankensektors schreitet voran. Nur die Regierungen können noch mit immer neuen Stützungen den völligen Zusammenbruch des Finanzsystems verhindern. Nach der Übernahme der Investmentbank Merrill Lynch gerät die Bank of America immer mehr in Not. Die US-Regierung gab am Freitag eine Kapitalspritze von 20 Milliarden Dollar. Die schon überwiegend in Staatshand befindliche Citibank verbucht inzwischen mehr als 80 Milliarden Dollar Verlust und muss weite Teile des Konzerns verkaufen. Irland rettet mit einer Komplettübernahme die Anglo Irish Bank.

Das sind die Schreckensnachrichten eines Tages und ein Ende der Verstaatlichungen ist nicht in Sicht. "Nachdem sich die Regierungen für diese Strategie entschieden haben, macht es keinen Sinn, auf halbem Wege stehen zu bleiben - unabhängig davon, was sich noch für Löcher auftun", sagt der Hamburger Betriebswirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann. In Deutschland zeichnet sich nach der Teilverstaatlichung der Commerzbank ein weiterer Staatseinstieg ab. Mindestens zehn Milliarden Euro vom Staat soll die schwer angeschlagene Immobilienbank Hypo Real Estate erhalten. Eine Mehrheitsbeteiligung des Bundes in den nächsten Tagen ist wahrscheinlich.

Die Staatshilfen für deutsche Banken werden immer umfassender. "Ich rechne damit, dass das Risiko des Bundes, mit dem er die Banken in irgendeiner Weise unterstützt, in acht bis zehn Monaten bei einer Billion Euro liegen wird", sagt Bankenexperte Dirk Schiereck von der TU Darmstadt. Allein das Rettungspaket für die Banken umfasst 480 Milliarden Euro und der Experte rechnet damit, dass noch eine sogenannte Bad Bank hinzukommt, in die Banken ihre faulen Wertpapiere auslagern können, um die Bilanz zu entlasten. "Welche Belastungen der Staat dann aus diesem Risiko tragen muss, lässt sich noch nicht absehen", sagt Schiereck. Er fordert deshalb, dass die Rückflüsse in Form von Verzinsungen der Staatseinlagen bei den Banken konsequent dazu genutzt werden, um die Schulden, die zur Bankenrettung aufgenommen wurden, wieder abzubauen.

Am stärksten ist der Staat bisher bei der Hypo Real Estate engagiert mit Garantien von rund 80 Milliarden Euro. An der Commerzbank ist der Bund inzwischen mit 25 Prozent beteiligt. Nur so war die Übernahme der Dresdner Bank zu schultern. Auch bei der Deutschen Bank ist der Bund schon indirekt mit 2,5 Prozent dabei, indem sich die Post - ein Unternehmen mit Bundesbeteiligung - mit acht Prozent an der Deutschen Bank vorübergehend beteiligt hat. Sonst wäre die Übernahme der Posttochter Postbank gefährdet gewesen.

Fusionen als Treibsatz für die Finanzkrise? "Die Fusionen waren kein Fehler, denn die Institute waren zu klein, um eigenständig auf Dauer am Markt zu überleben", sagt Hansmann. Für die Deutsche Bank sei es gut, dass sie mit der Postbank einen starken Partner im Privatkundengeschäft bekomme. "Ohne Fusionen hätte es Hilfen für drei oder vier Banken geben müssen."

Bei den Landesbanken erweisen sich vor allem die HSH Nordbank, WestLB und BayernLB als große Problemfälle. Nachdem bei der HSH Nordbank ein Verlust von bis zu zwei Milliarden Euro droht, müssen die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein als Eigner das Eigenkapital stärken. Auch eine stille Einlage des Bundes ist denkbar, um die Länderhaushalte nicht allzu stark zu strapazieren.

Am besten stehen die Sparkassen und Volksbanken da, da sie sich auf ihr Kerngeschäft in der Region konzentriert und nicht an strukturierten Finanzprodukten verhoben haben. Es war vor allem der frühere Commerzbank-Chef und jetzige Aufsichtsrat Klaus Peter Müller, der sich für eine Privatisierung der kommunalen Sparkassen stark gemacht hatte. "Hätten wir unser System in dem Maße amerikanisiert, wie es von einigen Seiten gefordert wurde, hätten wir noch schlimmere Probleme als in den USA", sagt Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Sparkassen und Volksbanken sehen jetzt mit Argusaugen auf die staatliche Hilfe für die Konkurrenz. "Es ist nicht zu rechtfertigen, wenn eine Autobank staatliche Hilfen will, aber bei Einlagen Konditionen weit über Marktniveau bietet", sagt Heinrich Haasis, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes. Gemeint hat er damit die Volkswagen Bank direct, die zehn Milliarden Euro Garantien beim Bankenhilfsfonds beantragt hat und auf dem Tagesgeldkonto noch fünf Prozent als Absatzhilfe bietet. Experte Schiereck rechnet damit, dass die Sparkassen und Volksbanken spätestens 2010 auch noch die Belastungen der Finanzkrise spüren werden. "Durch die Rezession wird es zu verstärkten Kreditausfällen kommen", sagt er.

Wie geht es weiter? "Milliardenabschreibungen bei Banken und Rettungspakete in Milliardenhöhe werden uns vermutlich noch das ganze Jahr 2009 begleiten", sagt Dirk Rudolph von der Frankfurt School of Finance & Management. Das Beratungsunternehmen Bain & Co. sieht den Höhepunkt der Bankenkrise erst 2010 erreicht. Das wird die Branche bis 2012 bis zu 180 000 Arbeitsplätze kosten. Schiereck sieht internationale Regeln, die verhindern, dass sich ein solches Desaster in der Finanzbranche wiederholt, erst nach dem Jahr 2010. "Das braucht Zeit, weil es nur international durchgesetzt werden kann", sagt er. Als wichtigste Punkte sieht er eine größere Transparenz, eine höhere Eigenkapitalausstattung und vor allem eine Einschränkung des Kredithandels. "Wer Kredite vergibt, muss auf längere Zeit daran beteiligt bleiben und darf sie nicht komplett verkaufen."