Der traditionsreiche Wäschehersteller Schiesser erhält seit dem Insolvenzantrag vom 9. Februar Berge von Fanpost. Kunden und Händler wollen offensichtlich nicht auf Unter- und Nachtwäsche aus dem 1875 gegründeten Unternehmen verzichten.

Radolfzell. Unterstützung signalisiert auch der Auftragseingang, der im Februar in die Höhe geschnellt ist. Der erfahrene Insolvenzverwalter Volker Grub (71) ist zuversichtlich, die Firma aus eigener Kraft im Rahmen des Insolvenzverfahrens sanieren zu können. Die Belegschaft sieht gleichfalls Rettungschancen, muss sich aber vermutlich auf längere Arbeitszeiten einstellen.

Schiesser-Wäsche gilt als bieder. Muss sich das Image ändern?

Für Grub ist das ein Vorurteil. "Es ist vermessen, zu sagen, Schiesser sei altbacken." Bei manchen habe Schiesser-Wäsche sogar Kultstatus. Da könnten Comedians wie Stefan Raab noch so viel spotten, dass nach dem Aus für die "Liebestöter" die Geburtenrate steige, meint der Insolvenzverwalter amüsiert. Die klassische Leibwäsche macht nach seinen Angaben nur einen Bruchteil des Sortiments aus. Das meiste sei hochmodische Ware in flottem Design.

Wie sieht der Rettungsplan für Schiesser aus?

Bis April soll das Sanierungskonzept stehen und dann umgesetzt werden. "Wir brauchen im Augenblick keine Hilfe von außen, wir sind so stark, dass wir die Sanierung im Rahmen der Insolvenz aus eigener Kraft schaffen", sagt Grub. Bis zur Jahresmitte hofft er wieder auf schwarze Zahlen. 2008 war bei einem Umsatz von 175 Millionen Euro ein Minus von 30 Millionen Euro entstanden. Entlassungen im großen Stil sind nicht geplant. Die Mitarbeiterzahl in Radolfzell ist bereits um 90 auf 510 verringert worden. In der Schiesser-Gruppe arbeiten 2300 Menschen.

Ist Schiesser ein Opfer der Finanzkrise?

Nein, sagt der Insolvenzverwalter. Die Probleme des Unternehmens hätten bereits in den 90er Jahren mit dem Ladensterben im Fachhandel begonnen. Dazu kamen Managementfehler. Zur Auslastung der frei gewordenen Kapazitäten schloss Schiesser Lizenzverträge und produzierte für Marken wie Tommy Hilfiger, Puma, Mexx oder Ralph Lauren. Die Lizenzgebühren waren zu hoch, die Umsätze zu gering. Deshalb ist Schiesser aus der Mehrzahl der Lizenzgeschäfte wieder ausgestiegen.

Was hat noch zur Schieflage beigetragen?

"Die Datenverarbeitung wurde zeitgleich mit internen Prozessabläufen umgestellt", erklärt Vorstandssprecher Rudolf Bündgen, seit Anfang 2008 an der Schiesser-Spitze. Die Folge war ein Chaos in der Logistik. "Die Fehler sind aber ausgemerzt", versichert Grub.

Mit welchen Altlasten hat Schiesser zu kämpfen?

Die Unternehmensgruppe hat einen Schuldenberg von 100 Millionen Euro angehäuft. Die Eigentümer, die Schweizer Holding der Familie Bechtler, waren nicht bereit, weitere Verluste zu schultern.

Wann wird Klarheit über die Zukunft von Schiesser herrschen?

"Bis Ende des Jahres", hofft Grub. Aus der Schweiz hat er Signale, dass sich die Gesellschafter doch weiter engagieren könnten. "Das wäre eine sehr gute Lösung", meint er.

Welche Alternative wäre denkbar?

Wenn sich der Schweizer Eigner definitiv zurückzieht, wäre auch der Einstieg eines Investors möglich. "Bei mir melden sich ständig Interessenten aus dem In- und Ausland, auch Finanzinvestoren", berichtet Grub.

Was sagt die Belegschaft?

"Wir sind wirklich optimistisch", sagt der Betriebsratsvorsitzende Hans-Dieter Schädler. Aber die Mitarbeiter müssten wohl Opfer bringen. Im Gespräch sei eine Anhebung der Wochenarbeitszeit von 37 auf bis zu 42 Stunden.