Staatshilfen, strategische Partner, Finanzinvestoren - beim kriselnden Chipkonzern Infineon ist derzeit nichts ausgeschlossen. Bei der heutigen Hauptversammlung gaben Aktionäre dem Infineon-Management und Aufsichtsrat eine Mitschuld an der Misere.

München. Während drinnen bei der Hauptversammlung Vorstand und Aufsichtsräte Stellung nahmen, demonstrierten draußen Infineon-Mitarbeiter für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Ihre Sorge ist offenbar berechtigt.

Vorstandschef Peter Bauer schlug vor den Aktionären ernste Töne an: "Was als Finanzkrise begann, entpuppt sich nun als massiver Markteinbruch, wie wir ihn selbst 2001 nicht hatten." Zu erwarten sei 2009 auf jeden Fall ein Umsatzrückgang von mindestens 15 Prozent.

Angesichts des schwachen Aktienkurses von weniger als einem Euro rechne er außerdem mit dem Abstieg aus dem Leitindex Dax, sagte Bauer. An der Börse wurde seine Rede mit weiteren Abschlägen quittiert. Die Aktie verlor zeitweise 2,6 Prozent und stand gegen Mittag bei 74 Cent - kurz nach dem Börsengang im Frühjahr 2000 hatte die Aktie noch mehr als 90 Euro gekostet.

Scharfe Töne bei der Hauptversammlung

Infineon-Aktionäre kritisierten Management und Aufsichtsrat dafür scharf. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf dem Aufsichtsrat und namentlich seinem Vorsitzenden Max Dietrich Kley vor, das Unternehmen mit Fehlentscheidungen gegen die Wand gefahren zu haben. "Wir behalten uns die Einleitung rechtlicher Schritte vor." Die Aufsichtsräte hätten zu spät auf Sparmaßnahmen gedrungen und eine "verfehlte Personalpolitik", etwa "unanständig" hohe Zahlungen an den früheren Vorstand Wolfgang Ziebart, unterstützt.

Das Unternehmen steckt in massiven Schwierigkeiten. Unter anderem wegen der desolaten Lage bei der insolventen Speicherchip-Tochter Qimonda war im vergangenen Geschäftsjahr ein Verlust von rund 3,1 Milliarden Euro angefallen - bei einem Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. Auch das neue Geschäftsjahr begann schlecht: Von Oktober bis Dezember fiel ein Minus von mehr als 400 Millionen Euro an, vor allem aufgrund von Bestellrückgängen aus der Autoindustrie.

Um die Kosten zu senken, will Infineon nun weiter sparen. Neben dem bereits angekündigten Abbau von rund 3000 Arbeitsplätzen, Kurzarbeit in den Werken Regensburg, Dresden, München und Warstein sowie dem Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband soll das Bonussystems umgestellt sowie bei den Reisekosten gespart werden.

Abbau von weiteren Arbeitsplätzen nicht ausgeschlossen

So versuche man, den Abbau weiterer Arbeitsplätze zu vermeiden, betonte Bauer. Ausschließen könne er einen solchen Schritt aber nicht. Er selbst werde im laufenden Geschäftsjahr neben seinem variablen Gehalt auch auf 20 Prozent seines Grundgehalts verzichten. Bei seinen Vorstandskollegen seien es zehn Prozent.

Zuvor hatte Bauer in der "Süddeutschen Zeitung" Alternativkonzepte angekündigt: Infineon werde, falls es sich anbietet, den Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen prüfen, sagte er dem Blatt. Selbst der Einstieg eines Finanzinvestors sei denkbar.

Infineon könne sein laufendes Geschäft mit den Geldreserven von zuletzt rund 700 Millionen Euro noch eine ganze Weile bestreiten. Problem sei aber die Ablösung auslaufender Anleihen, wodurch in den kommenden Monaten ein Geldbedarf von mehreren hundert Millionen Euro bestünde. Eine Staatsbürgschaft könnte hier helfen, sagte Bauer der "SZ". "Es besteht kein akutes Insolvenzrisiko, aber wir brauchen frisches Geld."