Die Bundesregierung hat das größte Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte beschlossen. Um die Wirtschaftslage zu beleben, muss die Koalition eine...

Berlin/Hamburg. Die Bundesregierung hat das größte Konjunkturpaket der Nachkriegsgeschichte beschlossen. Um die Wirtschaftslage zu beleben, muss die Koalition eine Rekordverschuldung schultern. Das Kabinett billigte gestern den historischen Aktionsplan, der bis 2010 rund 50 Milliarden Euro für Investitionen, Wirtschaftshilfen sowie Steuer- und Abgabensenkungen vorsieht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von der "schwersten innenpolitischen Entscheidung" ihrer Amtszeit. Merkel appellierte an Bundestag und Bundesrat, den Plan zügig zu verabschieden. "Wir haben keine Zeit zu verlieren."

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard befürchtet, dass die Beschlüsse zu spät greifen: "Kritisch zu sehen ist in erster Linie, dass ein erheblicher Teil der beschlossenen Maßnahmen erst im Jahr 2010 nachfragewirksam wird. Das passt nicht so richtig zur optimistischen Sichtweise der Bundesregierung, dass der Wirtschaftsabschwung schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres überwunden sein wird", so Wiegard in einem Beitrag für den "ifo Schnelldienst", der dem Abendblatt vorliegt. Wiegard sitzt seit 2001 im Sachverständigenrat der Bundesregierung und ist zudem Professor für Volkswirtschaft an der Universität Regensburg.

Laut Wiegard beläuft sich die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte 2009 auf annähernd 70 Milliarden Euro. Damit würde die Defizitquote des Maastricht-Vertrages in Höhe von drei Prozent im laufenden Jahr noch eingehalten werden. "Für das Jahr 2010 ist dann allerdings mit einer Defizitquote von rund vier Prozent zu rechnen", so Wiegard. Zu Konjunkturprogrammen gebe es in der aktuellen Situation jedoch "keine Alternative".

Herzstück der vom Kabinett auf den Weg gebrachten 50-Milliarden-Hilfe ist ein Investitionsprogramm:

Bis 2010 wollen Bund, Länder und Kommunen 17,3 Milliarden Euro zusätzlich in die Infrastruktur investieren. Geplant ist die Sanierung von Schulen, Hochschulen, weiteren öffentlichen Gebäuden und Verkehrswegen.

Zur Ankurbelung des Konsums werden die Bürger zudem von Steuern und Abgaben entlastet. Der Eingangssteuersatz sinkt von 15 auf 14 Prozent. Der steuerfreie Grundbetrag wird um 170 Euro auf 7834 Euro angehoben und ab 2010 noch einmal auf 8004 Euro steigen. Der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung sinkt zum 1. Juli von 15,5, auf 14,9 Prozent.

Alle Eltern, die Anspruch auf Kindergeld haben, erhalten im Februar oder März pro Kind einen einmaligen Bonus von 100 Euro. Zudem wird der Regelsatz für Kinder aus Hartz-IV-Familien zwischen sechs und 14 Jahren von monatlich 211 Euro auf 246 Euro erhöht.

Private Autohalter können eine Abwrackprämie von 2500 Euro erhalten, wenn sie noch dieses Jahr ihr mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten lassen und dafür einen Neu- oder Jahreswagen kaufen oder leasen. Ab 1. Juli dieses Jahres soll zudem die Kfz-Steuer umgestellt werden. Sie richtet sich künftig sowohl nach dem Kohlendioxid-Ausstoß als auch nach dem Hubraum der Autos.

Das Bundeskabinett beschloss einen Nachtragshaushalt, der für 2009 die Nettokreditaufnahme um 18,3 auf 36,8 Milliarden Euro erhöht. Zusammen mit dem geplanten Tilgungsfonds summiert sich die Neuverschuldung 2009 auf 45 bis 50 Milliarden Euro. Der bisherige Negativrekord lag bei gut 40 Milliarden Euro im Jahr 1996.


Die Eckdaten zur neuen Kfz-Steuer und Beispiele für alle Fahrzeugklassen finden sie unter www.abendblatt.de/kfzsteuer