Verbraucherschützer erheben schwere Vorwürfe gegen Geldinstitute: Dispo- und Ratenkredite sind teurer als vor einem Jahr - obwohl die EZB die Zinsen halbierte. Und wer sind die Leidtragenden? Die Kunden.

Hamburg. Seit Monaten kämpft die Europäische Zentralbank (EZB) mit sinkenden Zinsen gegen die Rezession. Doch die Verbraucher, die einen Kredit benötigen, bekommen davon nichts zu spüren. Schlimmer noch: Zum Teil müssen für Dispo- und Ratenkredit höhere Zinsen gezahlt werden als vor einem Jahr, obwohl die Geldbeschaffung für die Banken deutlich günstiger geworden ist (siehe Tabelle). So verlangen sechs von zwölf untersuchten Banken höhere Dispozinsen als vor einem Jahr. Und dies, obwohl sich in diesem Zeitraum die EZB-Zinsen halbiert haben.

Die niedrigen Leitzinsen sind eine Erleichterung für die Banken bei ihrer Refinanzierung, die sie voll für sich vereinnahmen. "Anfang 2008 haben Banken durchschnittlich 12,20 Prozent für einen Dispositionskredit verlangt", sagt Max Herbst von der FMH Finanzberatung. "Aktuell berechnen sie aber 12,33 Prozent." Wegen der Finanzkrise und zur Ankurbelung der Konjunktur hat die EZB seit Oktober 2008 die Leitzinsen in vier Schritten auf zwei Prozent gesenkt. Im Gegensatz zu Kreditnehmern haben Sparer die sinkenden Zinsen unmittelbar zu spüren bekommen.

Ausgerechnet die Kunden der Commerzbank, die vom Staat massiv gestützt werden mussten, verlangte bis Dienstag einen der höchsten Sätze beim Dispo: 14,73 Prozent. Am Mittwoch wurde der Zins auf 13,99 Prozent gesenkt. "Der Zinssatz war vorher über vier Monate konstant", sagt Beate Schlosser von der Commerzbank. Soll heißen: Während die EZB-Zinsen sanken, hat man nicht noch die Zinsen nach oben geschraubt. "Das ist keine Rechtfertigung", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Der Zins hätte um zwei Prozentpunkte sinken müssen."

Einen Monat bevor die EZB mit ihren Zinssenkungsschritten begann, drehte die Postbank noch einmal an der Zinsschraube - von 13,75 auf 14,25 Prozent. "Wir orientieren uns an den Konditionen der Wettbewerber und auch an geschäftspolitischen Erwägungen", sagt Postbank-Sprecher Ralf Palm. Die Bank musste allein im vierten Quartal massive Verluste verbuchen. "Die Zinsspanne ist ein wichtiger Hebel, um aufgelaufene Verluste und Abschreibungen zu kompensieren", sagt Peter Spahn von der Universität Hohenheim.

Die Banken begründen die höheren Zinsen mit dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. "Die allgemeinen Risikobedingungen für kurzfristige Kredite haben sich in den vergangenen Monaten eher verschlechtert", sagt Andre Grunert von der Hamburger Sparkasse (Haspa). Die Geldhäuser fürchten mit steigender Arbeitslosigkeit höhere Kreditausfälle.

"Die Marge, die die Banken zwischen Geldbeschaffung und Ausleihung haben, ist unverschämt hoch", kritisiert Herbst. "Die Verbraucher werden von den Banken abgezockt", heißt es bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Das sei rechtswidrig. Variabel verzinste Kreditverträge müssten auf der Basis eines Referenzzinssatzes an die Marktentwicklung angepasst werden.

Das Problem: Im Gegensatz zu variabel verzinsten Sparverträgen, gibt es für Dispokredite einen solchen Referenzzinssatz nicht und das Zinsniveau wird von den Banken hochgehalten. "Es fehlt der Druck von den Verbrauchern", sagt Herbst. "Denn wegen hoher Dispozinsen wechselt niemand die Bank." Außerdem nutzen die Banken geschickt die Präferenzen der Verbraucher. "Die Höhe der Dispozinsen steht erst auf Rang acht, wenn es um die Beurteilung eines Girokontos geht", sagt Andre Kauselmann von der ING-DiBa, die auch einen höheren Dispozins als vor einem Jahr hat.

Zwar sind die Direktbanken günstiger als die Filialbanken, aber sinkende Zinsen wurden auch von diesen Instituten nicht weitergegeben. Mit kuriosen Begründungen: "Der Dispozinssatz ist seit Jahren stabil", sagt ein Sprecher der Volkswagen Bank direct. "Wir wollen den Kunden einen verlässlichen Zinssatz bieten und machen nicht jeden Zinsschritt der EZB mit." Doch der Druck auf die Institute wächst: "Zum 31. Januar sinken die Dispozinsen auf 12,65 Prozent", sagt Rainer Wünsche von der HypoVereinsbank. Senken will nun auch die Volkswagen Bank.

Netbank, Commerzbank, Deutsche Bank und HypoVereinsbank verlangen auch bei Ratenkrediten höhere Zinsen als vor einem Jahr. Das insgesamt niedrigere Zinsniveau zeigt, dass der Wettbewerb in diesem Bereich besser funktioniert. Niedrige "ab"-Zinssätze sind meist nur Schaufensterkonditionen. "Kaum ein Verbraucher bekommt diese Konditionen wirklich", sagt Herbst. Bei der HypoVereinsbank ist die Verschuldung mit 13,99 Prozent für 36 Monate extrem teuer. "Der Kredit wird kaum in Anspruch genommen", räumt Wünsche ein. Es gibt auch ein Spezialangebot für 9,99 Prozent. Dafür muss sich der Kunde allerdings für 65 Monate verschulden.