Bonitätsprüfung per Facebook? Zuständiges Institut sagt: “Keine Pläne zur Datenweitergabe.“ Das Internet reagiert mit Galgenhumor.

Wiesbaden/Berlin. Ein Internet-Projekt der Schufa sorgt für große Aufregung: Politiker und Verbraucherschützer forderten die Wiesbadener Auskunftei am Donnerstag auf, für Klarheit über das gemeinsam mit dem Postdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI) gestartete Projekt zu sorgen. Nach einem Medienbericht soll damit möglicherweise das Sammeln von Nutzerdaten bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken im Internet vorbereit werden.

Der Bericht des NDR über die angeblichen Schnüffelpläne der Schufa, die über die Kreditwürdigkeit von Millionen Deutschen entscheidet, führte zu einem Sturm der Entrüstung. Die Auskunftei dürfe nicht „zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden“, sagte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) dem „Münchner Merkur“. „Die Schufa muss die Karten auf den Tisch legen“, fügte sie hinzu. Sie erwarte vollständige Aufklärung über die Hintergründe und Ziele dieses Forschungsauftrags.

Die Auskunftei selbst unterstrich, es gebe derzeit keine konkreten Pläne zur Nutzung von Daten aus dem Internet zur Bonitätseinstufung. Vielmehr handele es sich um „Grundlagenforschung“. Auch das HPI wehrt sich gegen die Vorwürfe. Richtig sei, dass es einen Auftrag der Schufa gebe, „gesellschaftlich und wirtschaftlich spannende Entwicklungen im Internet zu untersuchen“, teilte das HPI am Donnerstag mit. Dabei gehe es nur „um eine lange Ideenliste für Forschungsansätze“, nicht aber „um einen konkreten Projektplan“.

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Der zuständige HPI-Fachgebietsleiter Felix Naumann bestritt vehement, dass das Einsammeln von Nutzerinformationen geplant sei. „Die Daten, die gewonnen werden, gelangen nicht an die Schufa“, betonte der Forscher im Deutschlandradio Kultur.

„Verfassungswidriges Vorhaben“ und „Horrorszenario“

Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Renate Künast sprach am Donnerstag dennoch von einem „offenkundig verfassungswidrigen Vorhaben der Schufa“, das viele Bürger verunsichere. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stellte sich entschieden gegen die Pläne. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Ulrich Kelber sprach in diesem Zusammenhang von einem „Horrorszenario“.

Überraschend deutlich kritisierte auch Dieter Kempf, Präsident des Internet-Branchenverbands Bitkom, die Pläne: „Nicht alles, was technisch möglich ist, sollte in die Praxis umgesetzt werden“, mahnte Kempf. „Das Durchforsten von sozialen Netzwerken nach Informationen, die Rückschlüsse auf die finanzielle Leistungsfähigkeit erlauben“, würde viele Internetnutzer „zu Recht verunsichern“.

Als einen „Angriff auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, wertete der Vorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer, die Schufa-Inititiative in der Zeitung „Die Welt“. Ähnlich deutliche Worte fand Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen. Es könne nicht sein, „dass der Freundeskreis, Musikgeschmack, Twitter-Konversationen oder soziales Verhalten mit in die Bewertung der Kreditwürdigkeit einfließen und beispielsweise die Chancen auf einen Mietvertrag verschlechtern“. Das sprenge „klar die Grenzen des Ertragbaren“.

Neue Dimension des Datenmissbrauchs

Daten- und Verbraucherschützer reagierten fassungslos auf die Schufa-Pläne. „Sollte die Schufa die gewonnenen Daten tatsächlich einsetzen, wäre das eine völlig neue Dimension“, warnte etwa Schleswig-Holsteins Landesdatenschutzbeauftragter Thilo Weichert im NDR.

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Dass sich Unternehmen bevorzugt Datenquellen im Netz bedienen, sei allerdings „nichts Neues“ gab Carola Elbrecht, Referentin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, zu bedenken. Allen Internet-Nutzern rät die Verbraucherschützerin, den Zugriff auf die Daten durch entsprechende Änderungen der Einstellungen einzuschränken.

In Onlineforen und auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter machten aufgebrachte Internetnutzer ihrem Unmut innerhalb kürzester Zeit Luft. Auf Facebook verbreiteten Hunderte Mitglieder ein Bild der IT-Webseite Golem. Darauf abgebildet: Zehn Statusmeldungen, „die eure Kreditwürdigkeit aufwerten“. (dapd/abendblatt.de)