Facebook-Nutzer aufgepasst: Künftig könnten unüberlegte Kommentare über den Abschluss eines Handy-Vertrages entscheiden. Die Schufa will sich die Daten für Bonitätsprüfungen zu Nutze machen. Politiker und Datenschützer sind entsetzt.
Berlin. Pläne von Deutschlands bekanntester Finanzauskunftei Schufa zur Erforschung von Daten aus sozialen Netzwerken sind auf massive Kritik gestoßen. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sprach am Donnerstag von einer „völligen Schnapsidee“. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte das Wiesbadener Unternehmen davor, Nutzer von Facebook und Twitter zu durchleuchten, um ihre Kreditwürdigkeit zu prüfen.
Medienberichten zufolge lässt die Schufa beim Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik Ideen entwickeln, wie soziale Netzwerke wie Facebook, Geodatendienste wie Google Street View oder Mitarbeiterverzeichnisse von Unternehmen nach personenrelevanten Daten durchsucht werden können. Diese sollen von der Schufa für Bonitätsprüfungen genutzt werden, berichtete die Tageszeitung „Die Welt“ (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf interne Dokumente der Schufa und des Plattner-Institutes.
Die Schufa selbst hatte am Dienstag in Wiesbaden die „Zusammenarbeit im Bereich der technischen Datenverarbeitung“ mit der Potsdamer Forschungseinrichtung bekannt gegeben. Ziel des Projektes sei „die Analyse und Erforschung von Daten aus dem Web“. Gegenüber der Zeitung nannte das Unternehmen das Forschungsvorhaben transparent, öffentlich und im gesellschaftlichen Interesse.
Politiker und Datenschützer zeigten sich am Donnerstag entsetzt über die Pläne. Verbraucherschutzministerin Aigner forderte in Feldkirchen-Westerham die Schufa auf, die Pläne auf Eis zu legen, bis Hintergründe und Ziele des Forschungsauftrags vollständig aufgeklärt sind. Es könne nicht sein, dass soziale Netzwerke systematisch nach sensiblen Daten abgegrast werden, die dann in Bonitätsbewertungen von Kunden einfließen. Hier würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung massiv verletzt. „Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden“, mahnte Aigner.
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte „Spiegel Online“, „es darf nicht sein, dass Facebook-Freunde und -Vorlieben dazu führen, dass man zum Beispiel keinen Handyvertrag abschließen kann“. Auch der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, warnte auf EPD-Anfrage: „Die Gedankenspiele der Schufa verletzen eine rote Linie.“ Verbraucher müssten sich in sozialen Netzwerken bewegen können, ohne Schnüffeleien von Unternehmen befürchten zu müssen. „Es kann nicht sein, dass der Austausch mit Freunden Einfluss darauf hat, ob ich einen Kredit bekomme oder der Anbieterwechsel klappt“, warnte Billen.
Auch Datenschützer äußerten massive Sorge. Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert sagte, „sollte die Schufa die gewonnenen Daten tatsächlich einsetzen, wäre das eine völlig neue Dimension.“ Weichert nannte es besonders problematisch, „dass Informationen, die beiläufig ins Netz gestellt worden sind, systematisiert werden sollen“. Die Hamburger Verbraucherschützerin Edda Castello sprach von einer „Grenzüberschreitung“. „Leute, die bei Facebook unterwegs sind, denken nicht daran, dass das, was sie dort sagen, vielleicht einmal für ihre Kreditwürdigkeit von Belang ist“, betonte sie. (epd)