Sex-Events für Mitarbeiter sind der gemeinsame Ausbruch aus dem Business-Alltag
Unternehmensberaterin Gertrud Höhler kennt Vorstände in zahlreichen Konzernen. Sie spricht über den Zusammenhang von Sex und Macht.
Hamburger Abendblatt: Gibt es Sex-Sausen wie bei Ergo/Hamburg-Mannheimer in Unternehmen häufiger?
Gertrud Höhler: Wir wissen, dass es das bei Volkswagen gab, und ich selbst weiß aus Gesprächen mit Managern, dass so etwas auch in einem großen deutschen Handelskonzern vorgekommen ist. Der wurde von seinen Führungskräften als Vergnügungsdampfer verstanden, auf dem alles Mögliche erlaubt war.
Geht es um das Erkaufen von Loyalität, Motivation oder um einen Boys' Club?
Höhler: Es ist eine Kumpanei unter Männern. In dieser Atmosphäre sagt man: "Leute, wir sind so prima, wir leisten uns jetzt mal was, was wir im Businessalltag nie dürfen, da sind wir wie Verschwörer. Und es ist doch wohl klar, dass keiner von uns darüber redet."
Gibt es eine Verbindung zwischen Sex und Machtposition?
Höhler: Aus wissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir, dass Männer, die auf der Höhe ihrer Karriere sind, einen sehr hohen Testosteronspiegel entwickeln. Und dass so ein Fest, wo man sich feiert - sich selbst belohnt, wie es die Ergo-Leute gesagt haben -, zu einem hormongepuschten Rausch werden kann. Man knackt die Lebenseinrichtung, in der man sonst gefangen ist, mit einem besonderen Event.
Warum machen Männer etwas sehr Privates - Sex - sogar sichtbar für Kollegen?
Höhler: Der Tabubruch ist besonders lustvoll in der Gruppe. Das ist im Frieden so - beim gemeinsamen Bordellbesucht oder beim "Sex-Incentive" -, aber auch im Krieg, wenn Soldaten Frauen überfallen. Jeder sieht den anderen.
Vielleicht ist es auch eine Mutprobe?
Höhler: Wenn der Chef sagt, wir machen jetzt diese Lustreise, dann meint er auch: "Sei kein Frosch. Na, traust du dich mitzumachen?" Dann schlägt dieser helotenhafte Gehorsam durch, den ich bei so vielen Spitzenkräften beobachtet habe. Viele Männer werden im Karriereverlauf ihrem Chef gegenüber erschreckend unterwürfig.
Spielt das Machtgefühl auch eine Rolle beim Fall Dominique Strauss-Kahn?
Höhler: Dieser Mann ist durchdrungen von seiner Spitzenposition. Einer, der vom Status her den Realitätskontakt verloren hat. Jemand, dem seit Jahren seine Einzigartigkeit bestätigt wird, kann leicht glauben, über eine kleine Afrikanerin einfach verfügen zu können, wenn sie zum Putzen ins Zimmer kommt.
Wären weibliche Führungskräfte für solche Reisen mit Callboys empfänglich?
Höhler: Nein. Frauen machen das nicht, weil die Natur uns nicht mit einem so starken sexuellen Antrieb ausgestattet hat. Wir sind davor auch geschützt durch eine andere Hormonsituation. Wenn es mehr Frauen in Führungsetagen gäbe, würden sich die Männer nicht trauen, solche "Sex-Incentives" als Belohnung für gute Arbeit zu veranstalten.