Estland ist für die Einführung des Euro am 1. Januar 2011 bereit, sagt die EU-Kommision. Doch die Europäische Zentralbank hat Bedenken.
Brüssel. Trotz Bedenken der EZB hat die EU-Kommission grünes Licht für einen Euro-Beitritt Estlands im kommenden Jahr gegeben. „Estland hat einen hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht und ist für die Einführung des Euro am 1. Januar 2011 bereit“, erklärte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn am Mittwoch in Brüssel. In dem Bericht, in dem die EU-Kommission Beitrittsanwärter auf ihre Euro-Tauglichkeit beurteilt, bescheinigt die Brüsseler Behörde dem Baltenland, alle Kriterien erfüllt zu haben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat hingegen Vorbehalte gegen einen Beitritt. „Insgesamt gibt es Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit, mit der Estland das Konvergenzkriterium Inflation erfüllen kann“, teilte die Notenbank in Frankfurt in ihrem Report mit.
Die EZB und die EU-Kommission erstellen alle zwei Jahre unabhängig voneinander einen Bericht, in dem sie die Euro-Beitrittsanwärter beurteilen. Im Gegensatz zur EU-Kommission gibt die EZB aber keine konkrete Empfehlung ab. Die Brüsseler Behörde winkte Estlands Gesuch nun durch. Allerdings forderte Rehn das Land auf, seinen umsichtigen finanzpolitischen Kurs beizubehalten: „Auch muss es seine praktischen Vorbereitungen beschleunigen, damit die Umstellung reibungslos vonstattengehen kann.“
Die übrigen acht in dem EU-Bericht geprüften Länder fielen in dem EU-Bericht durch. Bulgarien, Tschechien, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden erfüllten nicht alle Konvergenzkriterien, teilte die Kommission mit.
Die endgültige Entscheidung über die Einführung des Euro in Estland trifft der Rat der EU-Finanzminister im Juli. Zuvor muss das Europäische Parlament Stellung nehmen und die EU-Staats- und Regierungschefs werden das Thema auf ihrem Gipfeltreffen im Juni erörtern.
Die EZB hat jedoch Bedenken gegen einen Beitritt: In ihrer Beurteilung des Landes kommen die Währungshüter zu dem Schluss, dass Estland seine aktuell sehr niedrige Inflationsrate nicht wird halten können, wenn nach der Krise der wirtschaftliche Aufholprozess wieder einsetzt. „Wenn die Phase der Anpassung vorüber ist, dürfte es angesichts des geringen Spielraums der Geldpolitik schwierig werden, die Teuerungsrate niedrig zu halten. Der Aufholprozess dürfte die Inflation in den kommenden Jahren antreiben, vor allem wenn man berücksichtigt, dass die Wirtschaftsleistung pro Kopf und das Preisniveau in Estland nach wie vor niedriger sind als in der Euro-Zone.“
Estlands Notenbank kann nur wenig tun, um einen Anstieg der Inflation zu verhindern. Das Land trat Mitte 2004 dem sogenannten Wechselkursmechanismus II bei, dem ersten Schritt, um frühestens zwei Jahre später den Euro einzuführen. Estland, Litauen und Slowenien legten damals die Leitkurse ihrer Währungen zum Euro fest und verpflichteten sich, die Schwankungen nach oben und unten unter 15 Prozent zu halten. Das estnische Parlament hat erst im April die vollständige Unabhängigkeit der Zentralbank in ein Gesetz gegossen. Dies war eine der Bedingungen für einen Betritt zur Euro-Zone.
Länder, die die Gemeinschaftswährung einführen wollen, müssen mehrere Kriterien erfüllen. Erstens darf die Inflationsrate maximal 1,5 Prozent über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer liegen, zweitens darf das Haushaltsdefizit nicht höher sein als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts und drittens darf die Verschuldung der öffentlichen Hand nicht größer sein als 60 Prozent des BIP. Derzeit erfüllen die meisten der Euro-Länder diese Kriterien nicht. Estland hingegen erreicht überall hervorragende Werte.
Die EZB räumt dies in ihrem Bericht auch ein, verweist zugleich aber auf Schwierigkeiten bei der Messung der Nachhaltigkeit der erreichten Konvergenz des Landes mit der Währungsunion. Als Maß dafür wird üblicherweise das Niveau der langfristigen Zinssätze in einer Volkswirtschaft genommen. Aber: „Das estnische Finanzsystem ist gekennzeichnet von der Abwesenheit eines gut entwickelten Marktes für langlaufende in estischen Kronen ausgegebene Schuldpapiere.“ Wirtschaft und Staat nutzen bereits in vielerlei Hinsicht den Euro, was eine Beurteilung zusätzlich erschwert. Notwendig sei in jedem Fall, dass die Regierung des Landes Anstrengungen unternimmt, die Teuerung in den kommenden Jahren in Zaum zu halten, empfehlen die Experten der EZB.