Sylt. Christian Siegling führt das Fünf-Sterne-Hotel Severin’s Resort & Spa in Keitum. Das Thema „Overtourism“ sieht er sehr differenziert.

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Die Straßen von Keitum auf Sylt sind gut besucht. Die Touristen sind an diesem Nachmittag mit Fahrrädern unterwegs, tragen Einkaufstüten der Boutiquen mit sich und kehren in einem der vielen Lokale ein. Es läuft auf der Insel, und auch Christian Siegling ist zufrieden. Der Direktor vom Fünf-Sterne-Hotel Severin’s Resort & Spa hat im hauseigenen Restaurant Tipken’s Platz genommen.

„Wir haben aktuell in der Woche eine Auslastung von etwa 75 Prozent und an den Wochenenden mehr als 90 Prozent. Jetzt kommen Christi Himmelfahrt und Pfingsten, auch hier spüren wir eine große Nachfrage, und im Sommer sind wir dann nahezu ausgebucht“, sagt Siegling, der jetzt zu Gast war im Sylt-Podcast des Hamburger Abendblattes.

Sylt: Höhere Preise für Touristen - Mitarbeiter müssen besser bezahlt werden

Auch die Rate wurde noch einmal optimiert, liege jetzt im Durchschnitt bei 630 Euro pro Zimmer und Nacht netto. Der Branchenexperte spricht Klartext. „Es ist wichtig, dass die Hotellerie auf Sylt und insbesondere in ganz Deutschland in der Lage ist, höhere Preise durchzusetzen. Denn wir müssen die Mitarbeiter in Zukunft besser bezahlen.

Wir haben in der Gastronomie- und Hotellerie einen Fachkräftemängel, der durch Corona und die Erfahrung der Menschen mit Kurzarbeit noch stärker geworden ist. Auch wir kennen dieses Problem, und gerade in der Gastronomie müssen wir einiges tun, um gute Mitarbeiter zu halten und so auch unsere hohe Qualität zu gewährleisten.“

Siegling hat seine Entscheidung für Sylt bis heute nicht bereut

Das Severin’s in Keitum wurde Ende 2014 eröffnet, hat 70 Zimmer und Suiten. 150 Mitarbeiter sind dort tätig. Später sind auf dem Areal noch sechs Reetdachhäuser mit Appartements entstanden. Es gibt einen 2000 Quadratmeter großen Wellnessbereich. Seit sieben Jahren ist Christian Siegling hier Direktor. Er sei damals noch gewarnt worden von Personalvermittlern, diesen Job anzunehmen. Das sei ein Schleudersitz, vorher hatte es wohl ein schlechtes Händchen bei der Wahl des Direktors gegeben.

Aber Siegling, der zuvor ein halbes Jahr ein Boutiquehotel in der schottischen Hauptstadt Edinburgh geleitet hatte, sagte zu und hat diese Entscheidung bis heute nicht bereut, schwärmt von der „tollen Lebensqualität auf der Insel“.

Christian Siegeling: Von Bayern an die Nordsee

Vor seinem Wechsel nach Sylt hatte er wenig Bezug zur Nordsee. Christian Siegling wurde in Würzburg geboren, hat nach seinem Abitur Mitte der 1990er-Jahre eine Ausbildung zum Restaurantfachmann in Bad Mergentheim gemacht. Sein Vater betrieb eine Druckerei in Würzburg, auch über eine Nachfolge durch den Junior haben die beiden gesprochen. „Aber ich wollte raus in die Welt und nicht weitere 60 Jahre an einem Ort verbringen.“

Direkt danach arbeitet er im Gourmettempel Auberge de l’ill im Elsass und schwärmt heute noch von der „Gastfreundschaft und der Küche“. Es folgte ein Studium der Tourismusbetriebswirtschaft mit dem Abschluss Diplom-Betriebswirt. Zehn Jahre hat Siegling für die Althoff Hotel Collection gearbeitet und unter anderen das St. James Hotel der Gruppe als Hotelmanager in London geführt. Eine sehr intensive Zeit, die ihn geprägt habe. London sei eine tolle Stadt.

Ambitionen auf einen Michelin-Stern hat der Direktor nicht

Zurück nach Keitum. Was ist die Philosophie vom Severin’s? „Wir leben hier lässigen Luxus mit einem persönlichen Service, der natürlich den Ansprüchen unseres Hauses gerecht wird.“ Das Hotel spiele in der Champions League auf der Insel, die Herausforderung sei, sich dort auch zu halten. Übrigens hält sich das Gerücht, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner und Franca Lehfeldt hier im Zuge ihrer Hochzeit im Juli auf Sylt im Severin’s mit ihren Gästen logieren werden – dazu äußert sich Christian Siegling natürlich nicht.

Dann sprechen wir lieber über die Kulinarik. Zwei Restaurants hat das Haus. Das Hoog mit „entspannter Bis­troatmosphäre und besten Produkten aus der Region“ und das Tipken’s mit einer „kreativen Küche mit Zutaten aus aller Welt und dem Schwerpunkt auf Aromen“. Ambitionen auf einen Michelin-Stern hat der Direktor nicht. „Wir wollen hier keine Hürden schaffen, und viele Gäste haben auch nicht Lust darauf, sich im Urlaub vier Stunden Zeit für ein Essen zu nehmen.“

Das Thema Overtourism auf Sylt sieht der Hotelier differenziert

Auch in dieser Sylt-Podcast-Folge ging es wieder um Overtourism auf Sylt. „Ich sehe das Thema sehr differenziert. Ja, im Sommer war es im vergangenen Jahr voll. Aber das war auch der Neustart nach der Corona- Zwangspause, und dass es zu langen Staus kam, lag auch daran, dass mehr Gäste mit dem eigenen Auto kamen und nicht mit der Bahn oder dem Flugzeug.“

Siegling stört, dass es bei diesem Thema meist um die Hotellerie ginge. „Dabei macht die nur etwa 15 Prozent der Bettenkapazitäten auf der Insel aus. Der Rest sind Ferienappartements. Schauen wir mal, was in den nächsten Jahren passiert. Da machen die Gäste wieder mehr Fernreisen, und dann höre ich schon die ersten, die sagen werden, wir haben zu wenig Urlauber auf Sylt.“ Im Sylt-Podcast verrät Siegling, dass man das Severin’s gerne erweitern würde. Aber wann und wie dieser Plan umgesetzt werden könne, sei noch offen.

Auf der Insel engagiert er sich als Präsident des Rotary Clubs Sylt-Westerland und Sprecher der Fachgruppe Hotel im Dehoga. Es gibt aber auch den privaten Christian Siegling. Gemeinsam mit seiner Frau Katharina und den elf und 13 Jahre alten Söhnen lebt er in Wenningstedt. Und der Wahlinsulaner hat sich etwas vorgenommen: Künftig möchte sich der 47-Jährige in seiner Freizeit „noch konzentrierter“ dem Joggen widmen.