Berlin. Gegen rechte Hetze und für Flüchtlinge bündeln die Männerfreunde Schweiger und Gabriel ihre Energie. Doch das Duo kriegt Gegenwind.
Im Weinglas vor Sigmar Gabriel: nur Wasser. Til Schweiger wirkt abgekämpft in seinem grauen T-Shirt - Glamourfaktor null. Beide schauen skeptisch. „Ernste Gesichter zu einem ernsten Thema“, heißt es am Sonnabend auf der Facebook-Seite des SPD-Chefs zu einem Foto, das ihn in einem Berliner Club neben dem Filmstar zeigt. „Wir haben Planungen für Flüchtlinge und gegen rechtsradikale Hetze besprochen. Es war ein sehr intensives und gutes Gespräch.“
Schon vor der neuen Männerfreundschaft hatten Schweiger (51) und Gabriel (55) einiges gemeinsam. Beide werfen sich mit Hingabe in die Schusslinie - der eine als „Tatort“-Haudrauf Nick Tschiller, der andere an der Spitze einer zum internen Kleinkrieg neigenden Volkspartei. Beide wissen Macht und Einfluss zu nutzen - als Regisseur von Kino-Kassenschlagern oder als wichtigster Minister im Kabinett. Beide sind nicht gerade öffentlichkeitsscheu in eigener Sache - die Zeitungen mit den dicken Buchstaben immer fest im Blick.
„Bäm!!! Der Vizekanzler hat sich gemeldet! Und er hat sich eine halbe Stunde an seinem Feierabend meinen Frust angehört....“ - der Eintrag auf Schweigers Seite nach einem Telefonat mit dem Vizekanzler ließ Ende Juli vermuten, dass zwei Alpha-Tiere zueinanderfinden. Gabriel, dem einst unter dem Spitznamen „Siggi Pop“ eine Affinität zum Showgeschäft nachgesagt wurde, äußerte sich lobend via „Bild“: „Til Schweiger setzt Zeichen. Und gibt in den sozialen Medien vielen eine Stimme, die sich Sorgen machen über Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache. Auf seine Art und mit seinen Worten. Deutlich und für jedermann verständlich.“
Man habe „am Telefon einen Anfang gemacht und verabredet, das Gespräch fortzusetzen. Auch um gemeinsame Wege zu finden, etwas gegen Fremdenhass und Gewalt zu tun.“ Dies ist nun offensichtlich am Freitag geschehen. Es wird dabei nicht nur um Schweigers Auftritt gegen Neonazi-Umtriebe und anonyme Anfeindungen im Netz („Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack!“) gegangen sein. Sondern auch um sein neues Hilfsprojekt: ein „Vorzeige-Flüchtlingsheim“ in Osterode am Harz - ganz in der Nähe von Gabriels Geburtsort Goslar.
Beide waren laut „Bild“-Politikchef Bela Anda schon durch die SPD-Mitgliedschaft von Schweigers Vater politisch verbandelt - jetzt also auch im Kampf gegen Rechts? Erwartungsgemäß feiern nicht alle das Promi-Duo. So lässt sich unter Gabriels Facebook-Fotopräsentation neben den obligatorischen Hass-Attacken auch mancher Spott („Zwei sehr schlechte Schauspieler“) finden.
Dem Komödien-Regisseur nehmen nicht alle sein Polit-Engagement ab, viele halten ihn zuvorderst für einen Selbstdarsteller. Und das Migrations-Bundesamt mischt sich ein, indem es Schweiger vor Alleingängen in Osterode warnt: „Eine Unterkunft hinsetzen und dann läuft es - ganz so einfach ist es dann doch nicht“, sagt Behördenchef Manfred Schmidt über das Projekt Flüchtlingsheim.
Gabriel hat mit seinen Aussagen zur Flüchtlingspolitik derweil Ärger in der eigenen Partei. Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, bemängelt im „Spiegel“, die Vorschläge der SPD-Spitze wirkten „leider kopflos“. Adressat dieser Kritik: der Parteichef. Top-Sozialdemokraten wie Ralf Stegner und Aydan Özoguz sahen sich prompt genötigt, Gabriel zur Hilfe zu eilen. (dpa)