Das Hamburger Abendblatt zeigt in einer großen Übersicht, was in Spitzenpositionen verdient wird.
Der HSV ist natürlich eine Ausnahme. Dass Gehaltslisten eines Sportvereins mit den Millionengagen seiner Kicker einfach so im Park herumliegen, warum auch immer, das erleben wir eher selten. Denn normalerweise sind die Deutschen bei kaum einem Thema so zurückhaltend wie beim Gehalt. Das Motto lautet: „Über Geld spricht man nicht.“ Je nach Bonität mit dem Zusatz: „Man hat es.“
Doch manchmal muss über Geld gesprochen werden. Jedenfalls dann, wenn ein Gehalt aus Steuern bezahlt wird. Dann hat die Öffentlichkeit, dieser Wunsch nach Transparenz hat sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt, ein Recht auf Information. Daher haben die „Rebellen“ der Initiative „Die Kammer sind wir“ so lange gedrängelt und gequengelt, bis der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, sein Gehalt offengelegt hat. Schließlich, so ihre Begründung, habe die Kammer einen öffentlichen Auftrag und finanziere sich aus Zwangsbeiträgen ihrer 150.000 Mitglieder.
Seitdem wird nun debattiert: Sind die 370.000 Euro plus variable Bezüge von bis zu 105.000 Euro – also insgesamt bis zu 475.000 Euro – zu viel für einen Kammerchef? Zumal der Geschäftsführer der nicht viel kleineren Handwerkskammer, Henning Albers, mit 136.000 Euro nur ein Drittel der Schmidt-Trenz-Bezüge erhält?
„Das ist eine Frage der Bezugsgröße“, sagt Tiemo Kracht, Geschäftsführer der renommierten Personalberatung Kienbaum. „Vergleicht man die Kammer aufgrund ihres öffentlichen Auftrags mit städtischen Unternehmen oder mit anderen Kammern in Deutschland, liegt das Gehalt von Herrn Schmidt-Trenz sicher in der Spitzengruppe.“ Andererseits sei die Hamburger Handelskammer relativ groß, vielfältig engagiert und repräsentiere eine extrem hohe Wirtschaftskraft. „Und in manchen privatwirtschaftlichen Unternehmen, die die Kammer mit ihren Beiträgen finanzieren, sind solche Gehälter nicht unüblich.“
Tatsächlich zeigt die Umfrage des Abendblatts, dass etliche Spitzenmanager in Hamburg deutlich mehr verdienen als der Kammerchef (siehe Tabelle) – nicht nur in einem DAX-Konzern wie Beiersdorf, sondern auch in einigen öffentlichen Unternehmen. HHLA-Vorstandschef Klaus-Dieter Peters knackt inklusive einer üppigen Altersversorgung (in der Tabelle nicht ausgewiesen) sogar die Millionengrenze und verdient damit mehr als das Fünffache des Bürgermeister-Gehalts.
Aus Sicht von Tiemo Kracht sind solche Vergleiche nicht zielführend. „Öffentliche Amtsträger kann man nicht mit Spitzenmanagern vergleichen, schon gar nicht mit solchen in der freien Wirtschaft.“ Politische Amtsträger würden über ihre dienende Funktion im Auftrag der Wählerschaft definiert. Weil sie aus Steuermitteln vergütet werden, hätten sie eine besondere, dem Beamtenverhältnis vergleichbare Treuepflicht. Dieser Status setze die Grenzen der Vergütung, so Kracht: „Politik kann und darf damit keinen Reichtum schaffen, verschafft aber Macht, die das niedrigere Vergütungsniveau kompensiert und meist die Antriebsfeder darstellt.“
In der freien Wirtschaft bilde sich ein Gehaltsgefüge hingegen über Jahre und Jahrzehnte am Markt, also durch Wettbewerb, heraus, sagt der Personalexperte. „Dabei spielen Faktoren eine Rolle wie die Unternehmensgröße, die Management-Komplexität, das Geschäftsmodell und ob es international oder nur national agiert.“
In so einem internationalen Umfeld und Wettbewerb agiere zum Beispiel die HHLA, daher würden ihre Vorstände im Vergleich mit anderen öffentlichen Unternehmen deutlich mehr verdienen. Aus Krachts Sicht ist das gerechtfertigt: „Die HHLA ist für die Stadt als Mehrheitseigentümer ein besonders werthaltiger Besitz. Und sie muss auch im Sinne der Steuerzahler ein Interesse daran haben, dass diese Werthaltigkeit beständig erhöht wird.“ Dafür seien Topmanager erforderlich. „Wenn sie aber niedrigere Gehälter bietet als die Wettbewerber, wird sie nicht die besten Leute bekommen.“
In vielen öffentlichen Unternehmen würden Spitzenpositionen dagegen nicht über den Markt, sondern politisch besetzt. Beispiele gibt es dafür in Hamburg zuhauf – Hochbahn-Chef Günter Elste, der früher SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft war, und Thorsten Kausch, bis 2006 CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und seitdem Geschäftsführer bei Hamburg Marketing, sind nur zwei davon.
„In solchen Fällen gibt es keinen Markt, an dem man sich orientieren kann“, sagt Tiemo Kracht. Stattdessen werde sehr häufig geschaut, wie andere Bundesländer solche Positionen entlohnen oder was in vergleichbar großen Unternehmen gezahlt wird. Nach seiner Beobachtung liege Hamburg im Ländervergleich mit den Löhnen für Spitzenpositionen im Mittelfeld. „Hier wird Maß und Mitte gehalten“, sagt Kracht.
Einige städtische Manager leiten sogar mehrere Unternehmen: So führt Ralf Sommer außer der Hamburgischen Investitions- und Förderbank IFB auch den HSH Finanzfonds, also jene Gesellschaft, die Milliardenanteile der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein an der HSH Nordbank verwaltet. Michael Beckereit ist gleich in drei Unternehmen Geschäftsführer: Hamburg Wasserwerke GmbH, Hamburger Stadtentwässerung AöR (bilden zusammen den Konzern Hamburg Wasser) sowie bei Hamburg Energie. In beiden Fällen werden die Gehälter getrennt ausgewiesen, müssten also addiert werden. Andere wie Helmut Thamer (TuTech) und Franziska Larrá (Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten) führen ebenfalls noch weitere Gesellschaften, aber „ohne zusätzliche Vergütung“, wie es offiziell heißt.
Auch für Politiker-„Gehälter“ gelten etliche Besonderheiten: So sind die Abgeordneten der Bürgerschaft keine Vollzeitpolitiker und gehen überwiegend noch einem Beruf nach – daher die relativ geringe Diäten von 2668 Euro im Monat. Ausnahmen bilden zum Beispiel die Fraktionschefs, für die die Politik ein extrem zeitaufwendiger Hauptberuf ist, daher erhalten sie von der Bürgerschaft dreifache Diäten und dreifache Kostenpauschalen – insgesamt rund 110.000 Euro im Jahr.
Die CDU stockt dieses Einkommen ihres Fraktionschefs André Trepoll aus Fraktionsmitteln auf das des Bürgermeisters auf. Es sei „seit Jahrzehnten geübte Praxis in der CDU-Fraktion“, dass der Oppositionsführer eine Vergütung entsprechend der eines Senators in Hamburg erhalte, hieß es. Begründung: „Das Amt des Fraktionsvorsitzenden bedeutet einen Sieben-Tage-Job zum Wohl der Stadt und seiner Bürger. Daher gibt es keinen Grund für eine Ungleichbehandlung bei der Vergütung gegenüber einem Senator.“ Trepolls Vorgänger Dietrich Wersich hatte auf diese Zuschläge zwar verzichtet, allerdings hatte er als Ex-Senator noch weitere Zuwendungen erhalten.
Abgeordnete im Bundestag und EU-Parlament sind hingegen Vollzeitpolitiker und werden entsprechend bezahlt. Sie bekommen noch weitere Zulagen und Kostenpauschalen, von denen in der Tabelle nur die größte dargestellt ist – davon müssen sie allerdings auch ihre Ausgaben für Büromaterial, Telefon und vieles mehr bestreiten. Der Hamburger EU-Abgeordnete Jan-Philipp Albrecht (Grüne) stellt es auf seiner Homepage sehr transparent dar: Von der „Entschädigung“ in Höhe von 7.957 Euro blieben nach Abzug der EU-Gemeinschaftssteuer noch 6.200 Euro, die er in Deutschland versteuern müsse. Außerdem trete er 19 Prozent seiner Diäten als Mandatsträgerabgabe an seine Partei ab. Die Kostenpauschale empfindet Albrecht als „missbrauchsanfällig“ und führt daher genau Buch über die tatsächlichen Ausgaben.
So viel Transparenz ist nicht überall üblich. So veröffentlichen viele Unternehmen die Bezüge ihrer Vorstände oder Geschäftsführer gar nicht oder nur kumuliert. Bei der Otto Group zum Beispiel erhielt der siebenköpfige Vorstand im abgelaufenen Geschäftsjahr insgesamt 9,267 Millionen Euro. Der fünfköpfige Vorstand der Haspa, Deutschlands größter Sparkasse, erhielt vergangenes Jahr Gesamtbezüge in Höhe von 4,2 Millionen Euro.
Auf die Frage, ob Politiker im Vergleich zu Wirtschaftsbossen unterbezahlt sind, verweist Personalexperte Tiemo Kracht auf die vielen gescheiterten Versuche, das System grundlegend zu ändern: „Theoretisch müsste der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen mit 17 Millionen Einwohnern natürlich mehr verdienen als der Chef eines Unternehmens mit 10.000 Mitarbeitern – aber so funktioniert die Welt nun einmal nicht.“ Außerdem müsste der Regierungschef des ungleich kleineren Landes Hamburg dann auch deutlich weniger verdienen als sein Kollege in NRW. „Ob das als gerecht empfunden werden würde, ist zumindest fraglich.“
Mitarbeit: bob, esh, hot, mk, ryb, stp, stü