Der eine heißt Knut, der andere Thomas. Sie wohnen zusammen, verbringen Tag und Nacht gemeinsam. Als Freunde halten sie fest zusammen. Knut ist ein Eisbär, Thomas sein Rund-um-die-Uhr-Betreuer. Die ungewöhnliche Wohngemeinschaft im Berliner Zoo entzückt nicht nur die Hauptstadt.
Wahnsinnig aufregend wirkt das Leben von Knut auf Außenstehende noch nicht - jeder Tag wird bestimmt von Schlafen, Essen und Spielen. Aber für Knut, inzwischen gut drei Monate alt, ist einfach alles aufregend. Alle sechs Stunden wird er hungrig. Und wehe, die Nuckelflasche ist nicht rechtzeitig fertig, gefüllt mit Welpennahrung und Fleischzusatz. "Wenn Knut Hunger hat, wird er wild", sagt Knuts Pfleger Thomas Dörflein (44). "Als die Flasche einmal verstopft war, schlug und biss er mich mit seinen scharfen spitzen Zähnchen. Ich hatte überall Blutspuren." Den zweiten Gang serviert Thomas schon im Napf.
Wie anders ist da das Leben der Eisbären in der Natur. Da genießen die Babys zwei Jahre lang "Mutterschutz". Nach 90 Tagen Tragezeit bringen die Bärinnen in einer Geburtshöhle in der Regel Zwillinge zur Welt. Die sind nicht größer als Ratten, werden aber durch die nahrhafte Milch schnell größer. Mit etwa drei Monaten wandern sie dann mit ihrer Mutter in Richtung offenen Eises, wo sie ihnen alles Wichtige für die Futtersuche beibringt. Zum Beispiel das geduldige Sitzen vor einem Eisloch, bis eine Robbe ahnungslos nach Luft schnappt - dann ein blitzschneller Tatzengriff, und eine Mahlzeit ist gesichert. Nur sechs von zehn kleinen Eisbären überleben allerdings das erste Jahr in freier Natur. Mutter und Kinder leben sehr eng miteinander. Sie suchen und brauchen ständig Kontakt.
Keine leichte Aufgabe also für Thomas Dörflein. Davon ahnt Knut nichts: Ist er satt, spielt er zufrieden mit einem Ball oder beißt auf einer Bürste herum. Und wenn Thomas außer Sichtweite ist, tappt das weiße Plüschtier hinter ihm her. Verschwindet Thomas gar auf dem Flur, schreit Knut wie ein Menschenbaby.
In mehr als drei Monaten hat Knut enorm zugelegt. Dr. Ragnar Kühne, Biologe und Pressesprecher am Zoo Berlin, ist zufrieden: "Jetzt mit drei Monaten wiegt er genau 7900 Gramm, er ist gesund und über den Berg." Weil Knut eine Abneigung gegen das Wiegen hat, muss Thomas noch immer mit auf die Waage. Inzwischen tollt und tobt das Energiebündel an der frischen Luft. Und das oft so übermütig, dass Knut dann völlig erschöpft auf dem Boden liegt und alle Viere von sich streckt. Abends wackelt der kleine Eisbär in seine Schlafkiste zu seinem Kuscheltier, einem großen Stoffhund. "Den haben wir ihm mal weggenommen, aber Knut wollte ihn unbedingt wieder haben", sagt Kühne. Schnarcht der kleine Eisbär beim Schlafen? Nein, berichtet Thomas Dörflein, Knut gibt tuckernde Geräusche von sich, wie ein kleiner Motor.
Wird der kleine Eisbär nicht zu anhänglich? Dr. Kühne: "Er ist es jetzt schon. Er muss sich langsam daran gewöhnen, dass Thomas nicht immer da ist." Dörflein wird zunächst in der Nähe bleiben, in Sichtweite. "Es ist wie bei kleinen Kindern, die man auch erst daran gewöhnen muss, dass die Mama nicht immer da ist", sagt Dr. Kühne. Schon bald wird Knut viel Besuch bekommen. In den nächsten zwei Wochen entscheidet sich, ob die Öffentlichkeit ihn besichtigen darf.
Wie sieht Knuts Zukunft aus? Gefährlich wäre ein Zusammenleben mit erwachsenen Bären: Jungtiere werden oft von Männchen, sogar Weibchen gefressen. Wenn Knut ein Jahr alt ist, soll er in einen anderen Zoo übersiedeln und später für Nachwuchs sorgen. Wenn alles gut für ihn läuft, hat Knut 45 aufregende Jahre vor sich .