Dresden/Berlin. “Reporter ohne Grenzen“ nach Übergriffen alarmiert. Eklat um Merkel-Hetzbild, Ermittlungen nach KZ-Rede von Pegida-Redner Pirinçci.
Mehrere Zehntausend Menschen haben sich am Montagabend in der Dresdner Innenstadt zu Demonstrationen mit und gegen „Pegida“ versammelt. Zur Kundgebung anlässlich des ersten Jahrestages der fremdenfeindlichen „Pegida“-Bewegung vor der Semperoper fanden sich bis zu 20.000 Demonstranten ein. Die Zahl der Gegendemonstranten summierte sich nach Schätzung der Studentengruppe „Durchgezählt“ auf bis zu 19.000 Menschen. Bei Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen ist ein Pegida-Anhänger schwer verletzt worden. Der Mann sei auf dem Weg zur Kundgebung angegriffen worden, sagte ein Polizeisprecher.
Abendblatt.de hält Sie auf dem Laufenden:
Pegida-Ableger wollen erneut in Brandenburg demonstrieren
16:32 Uhr: Nach dem Zulauf für die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden wollen rechte Organisationen auch in Brandenburg wieder zu Demonstrationen aufrufen. Für den 30. Oktober und den 27. November habe die Initiative „„Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung“ (Bramm-Pegida) Kundgebungen in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) mit jeweils 80 bis 100 Teilnehmern angemeldet, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Dienstag. Die Partei Die Linke habe bereits Gegendemonstrationen angekündigt.
Anfang des Jahres hatte es in Brandenburg/Havel und anderen Orten an Pegida angelehnte Demonstrationen gegeben. Den Kundgebungen von rechten Organisationen stellten sich jeweils mehrere Hundert Gegendemonstranten entgegen. Von Pegida anerkannt wurde nach Angaben des Innenministeriums aber nur die Gruppe Cogida, die im Februar in Cottbus eine Demonstration mit mehreren hundert Teilnehmern organisierte. Gegen diese Kundgebung gingen zwischen 400 und 500 Menschen auf die Straße.
Laut einer Antwort von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der CDU hatten an den Aktionen der Bramm-Pegida bekannte Neonazis, Mitglieder der NPD, rechtsextreme Hooligans und Mitglieder von anderen rechtsextremen Gruppierungen teilgenommen. Sie versuchten, mit dem Thema Asyl sowohl die eigene Klientel zu mobilisieren, als auch das bürgerliche Lager anzusprechen, hieß es in der schriftlichen Antwort.
Journalistenverband fordert Vorgehen gegen Angriffe auf Reporter
14:54 Uhr: Der Deutsche Journalisten-Verband fordert von den sächsischen Ermittlungsbehörden ein entschlossenes Vorgehen wegen der Angriffe auf einen Reporter bei der Pegida-Kundgebung in Dresden. Damit erreichten die Attacken eine „neue Stufe auf der Eskalationsleiter der Journalistenfeinde von Pegida“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am Dienstag. Er verlangte von den Ermittlern, den Übergriff als schweren Angriff auf die Freiheit der Berichterstattung zu behandeln und die Angreifer zur Verantwortung zu ziehen.
Der Reporter Jaafar Abdul Karim, der für die Deutsche Welle (DW) arbeitet, war am Montag auf der Demonstration des islam- und fremdenfeindlichen Bündnisses in Dresden nach Angaben des Senders von Teilnehmern tätlich angegriffen und beleidigt worden. Er und zwei Kolleginnen, die Interviews führen wollten, seien zunächst von einer Gruppe von Demonstranten umringt und bei den Dreharbeiten behindert worden. Nach ausländerfeindlichen Beschimpfungen habe einer der Demonstranten den Reporter ins Genick geschlagen und sei geflüchtet. DW-Intendant Peter Limbourg verurteilte den Angriff und kündigte rechtliche Schritte an.
Bachmann entschuldigt sich für Pirinçci-Auftritt
16:10 Uhr: Pegdia-Chef Lutz Bachmann hat sich für den hetzerischen Auftritt des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci bei der Kundgebung des fremdenfeindlichen Bündnisses in Dresden entschuldigt. Bei Facebook schrieb er am Dienstag von einem „gravierenden Fehler“. Pirinçci habe am Montagabend vor der Semperoper eine nicht abgesprochene Rede gehalten. „Ich hätte in diesem Moment die einzig richtige Entscheidung treffen müssen und sofort das Mikro abschalten.“ Er trage die alleinige Schuld „für diesen unmöglichen Auftritt“, deshalb bleibe ihm nichts übrig, als sich „öffentlich und aufrichtig zu entschuldigen“.
Vor allem der Satz in Pirinçcis Rede, „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“, hatte für Empörung gesorgt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Bündnis "Dresden Nazifrei": Polizei war überfordert
14:29 Uhr: Nach der Großdemonstration der asylfeindlichen „Pegida“-Bewegung in Dresden kritisiert das Bündnis „Dresden Nazifrei“ den Polizeieinsatz. Es könne diesbezüglich nur „von einer Mischung aus vollkommener Überforderung und falscher Einsatztaktik gesprochen werden“, erklärten die Organisatoren des Gegenprotestes am Dienstag. Die zahlenmäßig zu wenigen Beamten wären unvorbereitet gewesen und hätten die Gegendemonstranten nicht genug vor „Pegida“-Anhängern geschützt.
Das Bündnis kritisierte, die Polizei habe unter anderem das Konzert der Gegendemonstration auf dem Postplatz nicht ausreichend gesichert. Wegen angreifender „Hooligans und Nazis“ habe dies sogar abgebrochen werden müssen. Auch die Abreise der „Pegida“-Teilnehmer sei an vielen Stellen unkontrolliert gelaufen.
Zudem warf das Bündnis den Sicherheitskräften vor, die „Pegida“-Kundgebung nach der Rede des deutsch-türkischen Schriftstellers Akif Pirincci nicht abgebrochen zu haben. Dieser hatte in seiner Rede unter anderem gesagt: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Die Staatsanwaltschaft Dresden nahm daraufhin am Dienstag Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen den rechtspopulistischen Autor auf.
Weitere Übergriffe auf Journalisten
13.46 Uhr: Die Übergriffe auf Journalisten während der Pegida-Demo am Montag in Dresden hat nun auch die "Reporter ohne Grenzen" (ROG) auf den Plan gerufen. "Dass die 'Lügenpresse'-Rufe der Pegida-Bewegung immer öfter in Schläge und Tritte gegen Journalisten münden, ist eine erschreckende Eskalation", sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske laut Mitteilung. "Gewalt gegen Journalisten ist nicht hinnehmbar, gleich ob sie von Pegida-Anhängern oder Gegendemonstranten ausgeht. Jetzt ist die Justiz gefordert, die Täter zügig zu finden und zu bestrafen, damit solche Taten nicht zur Normalität werden."
Der Deutsche-Welle-Fernsehjournalist Jaafar Abdul Karim, der mit einem Kamerateam die Stimmung unter Pegida-Anhängern einfangen wollte, wurde von Demonstranten umringt, beim Drehen behindert und unter anderem als "Kanake" beschimpft (siehe auch Meldung von 11.53 Uhr). Ein Demonstrant schlug ihn in den Nacken und flüchtete dann in die Menge.
Jose Sequeira, ein Kameramann der russischen Videoagentur Ruptly, wurde angegriffen, als er unter Pegida-Anhängern filmte. Er berichtete anschließend, ein Angreifer habe seine Ausrüstung zu Boden geworfen. Dann hätten sechs oder sieben Männer auf seinen Rücken und Kopf eingeschlagen; er habe sich schließlich in die Nähe von Polizisten zurückziehen müssen.
Ein Deutschlandradio-Mitarbeiter wurde vor einem Übertragungswagen des Senders von einem betrunkenen Gegendemonstranten angegriffen und leicht verletzt. Eine Korrespondentin des Senders berichtete, auch der Übertragungswagen sei angegriffen worden; den Journalisten sei vorgeworfen worden, die Medien hätten dazu beigetragen, Pegida großzumachen.
Laut ROG war es bereits in der Vergangenheit zu mehreren Übergriffen von Pegida-Sympathisanten auf Journalisten gekommen, zuletzt am 28. September ebenfalls in Dresden. Dabei sei ein MDR-Mitarbeiter von einem Pegida-Anhänger getreten worden, ein Journalist der Dresdner Neuesten Nachrichten habe einen Schlag ins Gesicht bekommen. Die Täter seien anschließend in der johlenden Menge untergetaucht, die Polizei kam zu spät.
AfD stellt sich voll hinter Pegida
12.52 Uhr: Die rechtskonservative Alternative für Deutschland (AfD) in Baden-Württemberg hat sich hinter die Anhänger des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses in Dresden gestellt. „Ich habe volles Verständnis für die Menschen, die da auf die Straße gehen und ihren Unmut äußern. Das heißt nicht, dass wir uns mit den Veranstaltern solidarisieren“, sagte AfD-Vorstandsmitglied Bernd Grimmer am Dienstag. Die AfD habe derzeit keine Kontakte zu Pegida. Das Erstarken der Bewegung laufe synchron mit der Zuspitzung der politischen Situation in der Flüchtlingsfrage. „Da braucht man sich nicht zu wundern“, sagte Grimmer.
Die AfD profitiert derzeit ebenfalls von der Flüchtlingskrise. Nach jüngsten Umfragen zur Landtagswahl in Baden-Württemberg im März kann die AfD erstmals ins Parlament einziehen. Sie sahen die AfD bei mehr als fünf Prozent. Grimmer hofft sogar auf ein zweistelliges Ergebnis.
Pirinçcis Hetzrede spaltet Pegida-Lager
12.14 Uhr: Die islam- und fremdenfeindliche Rede des Rechtspopulisten Akif Pirinçci (siehe auch Meldung von 12.01 Uhr) spaltet selbst die Anhänger des fremdenfeindlichen Bündnisses. „Viele Leute waren entsetzt“, sagte Pegida-Mitbegründer René Jahn der dpa. Viele hätten auch das Gelände verlassen wollen, wären aber wegen der dicht stehenden Menge gar nicht weggekommen. Pirinçci hatte in übelster Weise Flüchtlinge beleidigt und diffamiert. Sein Abgang war nicht freiwillig, Pirinçci war in Sprechchören dazu aufgefordert worden.
Integrationsministerin setzt weiter auf Dialog
12.10 Uhr: Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) setzt weiterhin auf Dialog mit Pegida. „Wichtig ist, dass wir diese Spaltung, die sichtbar wird in Dresden auf der Straße, überwinden“, sagte Köpping im WDR-Radio. Man könne nicht 10.000 Menschen ausschließen, sondern müsse sich mit ihnen beschäftigen, betonte sie mit Blick auf die Demo am Montagabend.
Köpping räumte ein, dass es einen „harten Kern“ unter den Pegida-Demonstranten gebe, mit denen ein Dialog nicht möglich sei. Wer Menschen verunglimpfe und fremdenfeindliche Hetze betreibe, müsse nach anderen Maßstäben beurteilt werden. „Aber ein Großteil bei 'Pegida' sind Menschen, die sich riesen Sorgen machen und aus ihrer Sicht keinen Ansprechpartner finden“, sagte die Integrationsministerin. Mit diesen Menschen müsse die Politik besser und schneller kommunizieren und ihre Sorgen ernst nehmen. „Das Problem ist momentan einfach, dass es für die Flüchtlingsfrage keine schnellen Antworten gibt, und das beunruhigt die Menschen.“
Zugleich begrüßte die SPD-Politikerin, dass auch zur Gegendemonstration „Herz statt Hetze“ Tausende Teilnehmer kamen. Es habe bislang oft den Vorwurf gegeben, dass die Menschen, die sich für Flüchtlinge engagierten, zu wenig auf die Straße gingen, sagte Köpping. „Ich glaube, das hat sich verändert.“
Ermittlungen nach KZ-Rede von Pirinçci
12.01 Uhr: Nach einer islam- und fremdenfeindlichen Rede des deutsch-türkischen Autors Akif Pirinçci bei der Jubiläums-Kundgebung der Pegida hat die Staatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen aufgenommen. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung“, sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase. Grund sei die Anzeige einer Privatperson, die noch in der Nacht bei der Polizei erstattet worden sei. Konkret gehe es um den Satz: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“. Allerdings hatte Pirinçci diesen Satz nicht auf Flüchtlinge bezogen. „Wir prüfen die strafrechtliche Relevanz“, sagte Haase.
Pegida-Demonstranten attackieren Journalisten
11.53 Uhr: Bei der Pegida-Demo in Dresden ist ein Reporter der Deutschen Welle (DW) angegriffen worden. Jaafar Abdul Karim und zwei Kolleginnen seien zunächst von mehreren Teilnehmern umringt und bei den Dreharbeiten behindert worden, teilte die DW in Bonn mit. Nach ausländerfeindlichen Beschimpfungen habe einer der Demonstranten den DW-Reporter ins Genick geschlagen und sei anschließend geflüchtet. Die Polizei habe den Täter nicht ermitteln können.
DW-Intendant Peter Limbourg verurteilte den Angriff. „Dieser Übergriff auf Journalisten ist nicht der erste bei einer 'Pegida'-Kundgebung und belegt, dass Gewalt gegen Journalisten seitens der Teilnehmer zur Regel wird oder zumindest billigend in Kauf genommen wird“, erklärte er. Damit verabschiede sich „Pegida“ eindeutig aus dem demokratischen Diskurs in Deutschland. Die DW werde Strafanzeige erstatten und prüfe auch gegen den Veranstalter rechtliche Schritte.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die sächsischen Ermittlungsbehörden zu einem entschlossenen Vorgehen gegen die Gewalttäter auf. Der Vorfalle markiere eine „neue Stufe auf der Eskalationsleiter der Journalistenfeinde“ von „Pegida“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken in Berlin.
Zum ersten Jahrestag der „Pegida“-Bewegung hatten sich am Montag rund 15.000 Demonstranten und ebenso viele Gegendemonstranten in Dresden versammelt. Trotz eines Aufgebots von mehr als 1.000 Polizeibeamten kam es zu Ausschreitungen.
Kipping macht CSU Pegida-Vorwürfe
11.41 Uhr: Linke-Chefin Katja Kipping hat CSU und AfD vorgeworfen, der Pegida-Bewegung mit ihrer Flüchtlingspolitik in die Hände zu spielen. „Der Rassismus von Pegida wird flankiert von einem für die Demokratie schädlichen Rechtspopulismus von CSU und AfD, so dass der Eindruck entsteht, rechte und fremdenfeindliche Parolen seien salonfähig“, sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur. „Alle politischen Parteien, die sich der Demokratie verpflichtet fühlen, müssen klare Kante gegen braune Hetze zeigen: Zivilcourage stärken, antirassistische Bildungsarbeit fördern und Ehrenamtliche endlich entlasten.“
Die gebürtige Dresdnerin Kipping nahm am Montag an der Anti-Pegida-Demonstration in ihrer Heimatstadt teil. Sie forderte Justiz und Polizei auf, den Kampf gegen rechte Gewalt und den Schutz von Flüchtlingen zu ihrer obersten Priorität zu machen. Den Verfassungsschutz hält sie dagegen nicht für geeignet, wirksam gegen Rechtsextremismus vorzugehen. „Wer jetzt nach dem Verfassungsschutz verlangt der läuft Gefahr, den Bock zum Gärtner zu machen“, sagte sie. „Das eklatante Versagen der Verfassungsschutzbehörden im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie wurde nie aufgearbeitet.“
Pegida-Anhänger zeigt Merkel als Hitler
10.58 Uhr: Solche Bilder kennt man sonst höchstens von Anti-Deutschland-Protesten in Griechenland - doch auch in Dresden haben Pegida-Anhänger diesmal wieder äußerst plakativ Stimmung gegen die Bundesregierung gemacht. Ungeachtet der Warnung von Heiko Maas - der Bundesjustizminister hatte nach Galgensymbolik mit Konsequenzen für Hetzbotschafter gedroht - wurde am Montagabend vor allem Kanzlerin Angela Merkel verunstaltet. Vor allem ein Bild fiel den Beobachtern ins Auge: Darauf war Merkel in Hitler-Pose zu sehen, samt Armbinde und Reichsflagge - auf beiden Devotionalien waren die Hakenkreuze dabei durch Euro-Zeichen ersetzt.
Polizei löst Blockade gegen "Thügida"-Aufmarsch
10.14 Uhr: Im ostthüringischen Altenburg haben am Montagabend mehr als 2.000 Asylgegner unter dem Motto „Überfremdung der Heimat“ gegen die Asylpolitik von Land und Bund demonstriert. Dem Aufruf zur Gegenveranstaltung „Altenburg(er) für Menschlichkeit“ seien etwa 1.000 Teilnehmer gefolgt, teilte die Polizei mit und sprach von einem insgesamt störungsfreien Verlauf. Eine Blockade gegen den Aufzug des Pegida-Ablegers „Thügida“ sei aufgelöst worden.
Französische Zeitung über Pegida
10.08 Uhr: Auch im Ausland wird Pediga mit Sorge beobachtet. Die französische Regionalzeitung „Dernières Nouvelles d'Alsace“ (Straßburg) etwa schreibt am Dienstag:
„Die aktuelle Flüchtlingskrise hat Pegida Auftrieb gegeben. Noch im Frühjahr schien die Bewegung am Ende, durch interne Querelen zerrissen, und behindert durch die Eskapaden ihres Leiters Lutz Bachmann, der gern mit einem Hitler-Schnauzer die Menschen zum Lachen bringt. Doch dieses neue Pegida-Bündnis ist nicht mehr "kritisch", sondern zeigt jetzt sein aggressives Gesicht. Es gibt keine allgemeine "Besorgnis über den Islam" mehr. Jetzt werden Journalisten verprügelt, und Ausländer müssen raus. Die populistische Bewegung profitiert auch von den Differenzen zwischen der Politik der Öffnung der Bundeskanzlerin und den Einwanderer-feindlichen Äußerungen ihres Verbündeten, des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU).“
NRW-Innenminister fordert Zivilcourage
9.24 Uhr: Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat zu Zivilcourage gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Nach dem Attentat auf die Kölner Politikerin Henriette Reker erwarte er von der Gesellschaft, klare Haltung zu zeigen, sagte Jäger der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ (Dienstagsausgabe). Die „wahre Mehrheit“ der Bevölkerung sei in der Pflicht, sich gegen Aggressivität und Gewalt zu positionieren und so „rechten Agitatoren“ den Nährboden zu entziehen. Dies sei der beste Schutz gegen fremdenfeindliche Gewalt.
Ziel der Hetze von Rechtsextremisten und Anhängern der fremdenfeindlichen „Pegida“-Bewegung sind nach Jägers Worten vor allem Politiker und Journalisten.
Trotz fremdenfeindlicher Demonstrationen glaubt Jäger, dass die meisten Menschen in Deutschland weiter großes Verständnis für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten haben. Er befürchte nicht, dass das Klima in der Bevölkerung kippt, sagte der SPD-Politiker der Zeitung: „Es gibt eine unglaubliche Hilfsbereitschaft in Deutschland, die reißt nicht ab.“
Maas nimmt YouTube und Facebook in die Pflicht
8.56 Uhr: Bundesjustizminister Heiko Maas hat wiederholt die deutsche Gesellschaft aufgerufen, Rassismus und Rechtsradikalismus entgegenzutreten (siehe auch Meldung von 7.10 Uhr). "Das ist wirklich außerordentlich beunruhigend", sagte Maas im ARD-Morgenmagazin. Die Wortwahl, etwa bei der Demonstration der fremdenfeindlichen Pegida in Dresden, werde radikaler, die Atmosphäre beklemmender und die Hemmschwelle gegenüber Gewalt sinke. "Es ist jetzt an der Zeit, auch dagegenzuhalten", forderte er. "Man kann das nicht akzeptieren". Entgegenstellen müsse sich dem jeder einzelne.
Wenn Straftatbestände erfüllt würden, wie Volksverhetzung, öffentliche Aufrufe zur Gewalt, sei die Justiz gefordert, sagte der Minister und versicherte: "Das wird die Justiz konsequent verfolgen." Er ergänzte aber: "Das ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe." Jeder Bürger müsse in der U-Bahn, auf dem Fußballplatz, bei der Arbeit rassistischen, rechtsextremen, menschenfeindlichen Parolen entgegentreten. Internet-Anbieter und Netzwerke, wie Facebook, Twitter, Google, YouTube ständen in der Pflicht, "strafbare Inhalte vom Netz zu nehmen". Geplant sei zudem, bis Ende des Jahres ein Meldesystem aufzubauen. Dies solle dazu betragen, dass Seiten mit volksverhetzenden Inhalten aus dem Internet verschwänden.
Fahimi fordert strengere Pegida-Beobachtung
8.11 Uhr: Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hat die Sicherheits- und Verfassungsschutzbehörden aufgefordert, die Pegida-Bewegung stärker zu beobachten. "Ich bin der Überzeugung, dass die Landes- und Bundesverfassungsorgane jetzt dringend diese Menschen unter die Lupe nehmen müssen", sagte Fahimi dem Deutschlandfunk. Von den Salafisten bis hin zu "denen, die diese rechtsradikale Hetze und Stimmung in unserem Land verbreiten" müsse allen entgegengetreten werden, die den Boden für Hass und Gewalt bereiteten.
Was die Bewältigung des Flüchtlingszustroms angeht, forderte Fahimi eine rasche Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, gerade bei der Integration der Zuwanderer. Pegida müsse ein klares "Stopp"-Zeichen entgegengesetzt werden. "Für mich ist Pegida eine Bewegung, die ganz unverhohlen und aggressiv in ihrer Wortwahl Stimmung in unserem Land machen will und auf deren Boden am Ende auch ... schwache und kranke Geister zu kranken Aktionen verleitet werden". Jeder, der mitmarschiere, trage ein Stück Verantwortung für solche Fehlentwicklungen. Bekannt sei, das von den Organisatoren von Pegida und ihrem inneren Kreis viele aus der rechtsextremistischen und Neonazi-Szene kämen.
Drei Menschen in Gewahrsam
7.32 Uhr: In Dresden ist die Nacht ruhig verlaufen. Es habe keine weiteren Auseinandersetzungen gegeben, hieß es von der Polizei am Morgen. Am Abend hatte es vereinzelt Zusammenstöße zwischen gewaltbereiten Pegida-Anhängern und Linken gegeben (siehe auch Meldung von 6.40 Uhr). Ein Mann wurde auf dem Weg zur Pegida-Kundgebung angegriffen und schwer verletzt. Mehrfach wurden Polizisten gezielt angegriffen, auch mit Böllern von Pegida-Anhängern, wie ein dpa-Reporter berichtete. An einer Stelle warfen Pegida-Gegner Verkehrsschilder und Gitter auf die Straße. Dort wurden Polizisten unter anderem mit Pyrotechnik beworfen. Insgesamt waren am Montagabend 1900 Polizisten im Einsatz.
Drei Menschen wurden in Gewahrsam genommen. Sie müssen sich laut Polizei wegen Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz verantworten. Darüber hinaus wurden weitere Strafverfahren wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung sowie Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.
Gabriel stuft Pegida als rechts ein
7.20 Uhr: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Pegida in scharfen Worten verurteilt. „Pegida ist eine rechtspopulistische und in Teilen offen rechtsradikale Empörungsbewegung geworden“, sagte der Vizekanzler der „Süddeutschen Zeitung“ von heute. „Die Protagonisten stellen inzwischen sogar die Grundlagen der Demokratie infrage, indem sie diese Demokratie mit den Kampfbegriffen der NSDAP in der Weimarer Republik als ,Altparteien-Demokratie' und die Parlamente als ,Quasselbude von Volksverrätern' umzudeuten versuchen und die Medien als ,Lügenpresse' denunzieren.“
Gabriel hatte Anfang des Jahres eine Diskussionsrunde mit Anhängern von Pegida besucht und damit für Zündstoff gesorgt. Damals sagte er: „Mein Rat ist jedenfalls, das zu tun, was seit langem erforderlich ist: dass wir mit Menschen, die Sorgen haben, tabulos reden.“ Inzwischen sei Pegida aber „zum Reservoir rassistischer Fremdenfeindlichkeit geworden“ und „der verlängerte und sprachlich brutalisierende Arm der AfD und der NPD auf der Straße“, sagte Gabriel.
Ähnlich äußerte sich auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unter Hinweis auf die Messerattacke auf die inzwischen zur Oberbürgermeisterin in Köln gewählte Henriette Reker. „Die bedrückenden Ereignisse von Dresden und Köln zeigen, wie schnell erlaubter Protest in üble Hetze und blanke Gewalt münden kann“, sagte sie der Zeitung.
Maas erleichtert wegen Gegendemonstranten
7.10 Uhr: Bundesjustizminister Heiko Maas hat sich erleichtert über die große Zahl an Gegendemonstranten gezeigt, die in Dresden unter dem Motto "Herz statt Hetze" auf die Straße gegangen sind. „Deutschland ist bunter als die Schwarzmaler von Pegida uns vormachen wollen“, sagte der SPD-Politiker in Berlin.
Die Straße dürfe nicht den Hetzern von Pegida überlassen werden. „Es ist ein wichtiges Signal, dass so viele Menschen für Weltoffenheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind“, sagte Maas. „Sie setzen ein klares Zeichen.“
Ausschreitungen nach der Kundgebung
6.40 Uhr: Nach der Pegida-Kundgebung ist es in Dresden zu Ausschreitungen gekommen. Die Lager der Pegida-Anhänger und der linken Gegner stünden sich an verschiedenen Punkten in der Stadt gegenüber, sagte ein Polizeisprecher am Montagabend. „Es ist viel Bewegung drin.“
Nach unbestätigten Berichten der „Sächsischen Zeitung“ kam es zu Ausschreitungen von Hooligans und Angriffen von Neonazis. Im Kurznachrichtendienst Twitter kursierten Videos, auf denen zu sehen ist, wie Böller gezündet werden. Wie der Sprecher bestätigte, waren zuvor Polizisten mehrfach gezielt angegriffen worden. Unter den Beamten habe es keine Verletzten gegeben. Reporter der dpa hatten beobachtet, wie Pegida-Anhänger Polizisten mit Böllern angriffen.