Dresden. Zum Jahrestag bringt Pegida Zehntausende Menschen auf die Straßen von Dresden. Auch die Gegner formieren sich massenhaft.
Gewaltbereite Anhänger und Gegner der Pegida-Bewegung liefern sich in Dresden ein Katz-und-Mausspiel. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln. Die Szenerie ist gespenstisch, als die Menschen in der Altstadt auseinander gehen. Bis zu 20.000 Anhänger hatte das fremdenfeindliche Bündnis zu seinem Jahrestag mobilisiert, bis zu 19.000 Menschen hatten sich ihnen entgegen gestellt. „Die Lage ist verfahren und verkorkst“, sagt der Dresdner Politologe Werner J. Patzelt.
„Es ist eine ganz und gar unheilvolle Polarisierung und es scheint auch keinen Weg zu geben, der die Sache in absehbarer Zeit zum Ausgleich bringt“, meint der Professor der TU Dresden. Für die Pegida-Demonstranten sei es eine große Bestärkung, dass sie zu ihrer Jubiläums-Kundgebung offenkundig wieder stärker angetreten seien als nach ihrer letzten Großdemonstration nach der Spaltung der Bewegung im Januar.
Doch auch die Pegida-Gegner können einen Erfolg verbuchen. Sie waren noch nie so zahlreich gegen eine Pegida-Kundgebung angetreten wie nun zum ersten Geburtstag des fremden- und islamfeindlichen Bündnisses.
Während Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann „Wir werden siegen“ auf dem Theaterplatz vor der Semperoper in den Jubel der Anhänger ruft, stehen die Gegendemonstranten in Sicht- und Hörweite. Sie hatten sich aus vier verschiedene Richtungen in Richtung der Oper in Bewegung gesetzt, um gegen ausländerfeindliche Hetze zu protestieren.
In wechselndem Rhythmus skandieren die Anhänger der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ ihre Parolen. „Wir sind das Volk“, brüllen sie, „Merkel muss weg“ oder auch „Abschieben“. Von der anderen Seite der Polizeiabsperrungen schallen ihnen Rufe wie „Nazis raus“ oder „haut ab“ entgegen.
Nach dem Anschlag auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker machten Politiker über die Parteigrenzen hinweg Pegida für eine Vergiftung des politischen Klimas und für Gewalt verantwortlich. Bachmann sagt nichts zu Köln. Dafür bieten die selbst ernannten Patrioten rechtspopulistische Politiker aus Tschechien oder Italien auf.
Das breite Bündnis, das unter dem Motto „Herz statt Hetze“ zum Protest gegen Fremdenfeindlichkeit aufgerufen hat, ist erfolgreich. Detlev Schranck, der seit vielen Jahren in Dresden lebt, hat von seinem Arbeitgeber für die Demo freibekommen. „Ich schäme mich für Dresden. Weil Pegida hier stattfindet“, sagt er. „Ich finde es gerade zum Einjährigen von Pegida wichtig, gebündelt auf die Straße zu gehen, um zu zeigen, dass wir hier nicht in der Minderheit sind“, sagt der Dresdner Student Stephan Fischer. Die Semperoper sendet von einer Videowand wechselnde Signale für Toleranz - etwa den Spruch „Wir sind keine Bühne für Fremdenhass“.
Nach einer Stunde sprechen Redner von der Pegida-Bühne immer noch davon, dass Angehörige anderer Länder angeblich besser behandelt werden als Einheimische. Die Anhänger skandieren „Widerstand“. Videos werden gezeigt.
Doch nach dem Abschluss der Kundgebung ist die Auseinandersetzung längst nicht beendet. Linke Demonstranten versuchen, den Pegida-Anhängern den Rückweg abzuschneiden. Eine enge Gasse in der Dunkelheit, ein Wasserwerfer hat sich positioniert. „Ich richte mich an die Gruppe vor dem Wasserwerfer“, ruft eine Polizistin durch den Lautsprecher. Dort stehen vorwiegend junge Menschen, die gegen Pegida demonstriert hatten. Sie sollen sich entfernen, schallt es aus dem Wasserwerfer nach vorn. „Es handelt sich um eine unerlaubte Versammlung“. Plötzlich fliegen Böller von hinten - von dort, wo sich Pegida-Anhänger nähern. Die Lage ist unübersichtlich. Menschen rennen. Die Polizei kriegt es ab.
Immer wieder entlädt sich die Stimmung in kleineren Übergriffen. Einmal setzt die Polizei Reizgas ein, als ihre Absperrung um den Theaterplatz bedrängt wird. Die Polizei versucht die Lager auseinanderzuhalten. Schon in der Nacht zeigen sich die Spuren des ersten Jahrestags der Pegida-Märsche. Eingeschlagene Autoscheiben, Steine liegen auf der Straße. Mindestens ein Mensch - ein Pegida-Anhänger - wird durch Faustschläge verletzt.