Tunis. Die Zahl der Opfer steigt am Hotel Riu Marhaba auf 37. Behörden gehen von einem Einzeltäter aus. Spanien erhöht die Terrorstufe.
Die Zahl der Todesopfer bei dem Terroranschlag auf das Riu Imperial Hotel Marhaba im tunesischen Sousse ist wohl auf 37 gestiegen. Das berichtete der tunesische Radiosender Mosaique FM am Freitagabend unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Vermutlich sind 36 Menschen verletzt worden. Entgegen ersten Angaben hat zudem wohl nur ein Attentäter den Terroranschlag verübt. Ein Sprecher des Innenministeriums in Tunesien sagte am Freitagabend, es gebe „keine offiziellen Verhaftungen“ von weiteren Tatverdächtigen.
Zuvor hatten Quellen berichtet, ein zweiter mutmaßlicher Täter sei festgenommen worden. Später war von einem Schützen die Rede, einem tunesischen Studenten, den Sicherheitskräfte töteten.
Unter den Opfern sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Tunis auch Deutsche. In Berlin wurde das bis dato nicht bestätigt. Mehrere Opfer liegen am Strand und sind provisorisch zugedeckt, wie Fotos der Agenturen zeigen. Das Hotel war bei Deutschen sehr beliebt. Der Anschlag wurde offenbar mit einer Schießerei begonnen, die ein Mann ausgelöst hat, wie die Behörden mitteilten. Anfangs war von zwei Tätern ausgegangen worden.
Ehepaar aus Bayern erlebte den Anschlag hautnah mit
Ein Ehepaar aus Bayern war erst 20 Minuten zuvor im tunesischen Mittelmeerbadeort Port el-Kantaoui angekommen, da fielen die ersten Schüsse. „Der Mann hielt die Waffe am Bein und gab immer wieder ganz gezielt einzelnen Schüsse ab“, sagte der etwa 50-Jährige Tourist, der seinen Namen nicht nennen wollte. Der schwarz gekleidete Attentäter tötete zunächst Menschen am Strand und am Pool und ging dann weiter in die Hotelhalle, wie mehrere Augenzeugen berichteten.
„Er ging den Flüchtenden hinterher und erschoss einen, der sich hinter einer großen Vase versteckt hatte“, erzählt der deutsche Urlauber, der die schrecklichen Szenen gemeinsam mit seiner Frau von einer Galerie im ersten Stockwerk aus beobachtete. Der Täter sei ganz ruhig geblieben. „Er ist nicht gerannt und hat nicht geschrien.“ Nach etwa einer halben Stunde sei alles vorbei gewesen. „Wir haben noch einen Briten mit Bauchschuss erstversorgt“, sagt der Deutsche. „Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht. Aber den Blutgeruch habe ich noch in der Nase.“
Der Tourist Gary Pine, 47, berichtete der Deutschen Presse-Agentur, er habe mit seiner Frau am Strand des „El Mouradi Palm Marina“ gelegen, als er aus dem Nachbarhotel die ersten Schüsse hörte. Er glaubte zunächst an Feuerwerkskörper. Dann brach Panik aus. Dutzende von Urlaubern rannten vom Strand ins Hotel. Sein Sohn habe mitangesehen, wie ein Mann am Strand erschossen wurde.
Der Schütze sei bisher nicht mit Kontakten zu Terrorgruppen aufgefallen, melden lokale Medien. Doch das will nichts heißen. Auch viele der Tausenden von Tunesier, die sich in Syrien und im Irak der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und anderen islamistischen Gruppen angeschlossen haben, waren vor ihrer Ausreise nicht auffällig geworden. Der Mann soll seine Kalaschnikow aus einem Sonnenschirm gezogen haben, berichteten weitere Augenzeugen.
Krisenstab in Berlin – Hotline eingerichtet
In Berlin wurde ein Krisenstab eingerichtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Terroranschlag in Tunesien auf das „Allerschärfste“ verurteilt. „Erneut ist die junge tunesische Demokratie zur Zielscheibe derjenigen geworden, die Chaos und Hass säen wollen“, heißt es in einem Kondolenzschreiben Merkels an den tunesischen Präsidenten Beji Caid Essebsi vom Freitag. „Der heutige Anschlag bestärkt uns in unserer Entschlossenheit, Ihrem Land im Kampf gegen den Terror mit aller Kraft beizustehen.“
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte: „Erneut haben Terroristen in Tunesien einen feigen Mordanschlag gegen Touristen verübt. Das ganze Ausmaß der Tat steht noch nicht fest. Dennoch müssen wir davon ausgehen, dass zahlreiche Menschen diesem Verbrechen zum Opfer gefallen sind." Beim Gipfel in Elmau hätten die G7-Staaten Tunesien ihrer festen Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus versichert. Steinmeier: "Den Angehörigen der Opfer spreche ich mein tief empfundenes Mitgefühl aus.“ Das Auswärtige Amt hat eine Hotline unter der Telefonnummer 030-5000-3000 geschaltet.
Nach den Terroranschlägen in Tunesien, Frankreich und Kuwait haben die Fernsehsender ihr Programm geändert. Das Erste zeigt an diesem Freitag um 20.15 Uhr einen „Brennpunkt“ mit dem Titel „Terror gegen Touristen“. „RTL Aktuell“ berichtet um 18.45 Uhr in einer Spezialausgabe mit dem Titel „Tödlicher Terror“ über die Anschläge. Auch n-tv und N24 strahlten Sondersendungen zu den Attentaten aus. Nach Angaben aus Tunesien hat der Angreifer gezielt Touristen treffen wollen.
Reiseveranstalter bieten Umbuchungen an
Der Reisekonzern Tui hat ebenfalls einen Krisenstab eingerichtet. Auch DER und Thomas Cook bieten Umbuchungen an. Für Urlauber vor Ort organisiere die Tui bei Bedarf eine vorzeitige Abreise. Gegenwärtig befänden sich sich rund 3800 deutsche Tui-Gäste in Tunesien. Man gehe davon aus, dass Tui-Gäste unter den Opfern seien, hieß es am Freitagabend.
Beim Angriff auf das Hotel, heißt es in Agenturberichten aus Tunesien, habe es einen Schusswechsel zwischen dem Angreifer und Sicherheitskräften gegeben. Seit dem islamistischen Anschlag auf das Bardo-Museum in der Hauptstadt Tunis Mitte März gilt eine erhöhte Terrorwarnstufe in dem nordafrikanischen Land. Über die Motive des jüngsten Anschlags ist noch nichts bekannt. Am Freitag hatte es auch im französischen Lyon einen offenbar islamistisch motivierten Anschlag gegeben.
In Spanien wurde die Terrorwarnstufe von "mittel" auf "hoch" gesetzt. Grund dafür seien außer den drei Anschlägen auch der bevorstehende Jahrestag des von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgerufenen Kalifats in Syrien und im Irak am nächsten Montag sowie „Informationen der (spanischen) Sicherheitsbehörden“, sagte Innenminister Jorge Fernández Díaz am Freitag in Madrid.
Spanien verschärft Sicherheit
Nach einem Dringlichkeitstreffen der Anti-Terror-Kommission, an der auch Chefs der Sicherheitsbehörden teilnahmen, sagte der Minister, in ganz Spanien würden ab sofort die Sicherheitsvorkehrungen in „kritischen Infrastrukturen“ wie Flughäfen und Bahnhöfen, Atom- und Stromerzeugungsanlagen oder Botschaften verschärft. Zudem sollen die Polizeipatrouillen auf den Straßen verstärkt werden.
Nach dem Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ im Januar in Paris war der Terror-Alarm in Spanien lediglich auf die dritte von insgesamt fünf Stufen angehoben worden. Nun gilt im beliebten Sommerurlaubsland Stufe vier. (HA/KNA/dpa)