Geesthacht/ Hamburg. Der Vater eines der Mädchen nahm sich offenbar aus Sorge das Leben. Die 16- und 18-Jährigen sind seit Anfang Juni verschwunden.

Es war offenbar eine Verzweiflungstat, die Handlung eines Vaters, der die Sorgen um seine Tochter nicht mehr ertragen konnte: Murat L. (50, alle Namen geändert) hat sich umgebracht. Seine Tochter Seyhan ist zusammen mit einer Freundin (17) von Zuhause weggelaufen – sie wollen sich in Syrien den Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staates (IS) anschließen.

Mädchen sind seit dem 2. Juni verschwunden

Wie die Bergedorfer Zeitung berichtet, sind die beiden Mädchen seit dem 2. Juni verschwunden. „Wir können bestätigen, dass die 18-Jährige an diesem Tag mit einer 17 Jahre alten Freundin in die türkische Hauptstadt Istanbul geflogen ist“, sagt Stefan Jung, Sprecher des Landeskriminalamts (LKA) Schleswig-Holstein.

Wegen der 17-Jährigen aus Hamburg-Billstedt liegt der Polizei eine Vermisstenanzeige vor. Sie halte sich aber definitiv nicht in Hamburg auf, sagte ein Polizeisprecher. Darum werde in der Hansestadt derzeit nicht nach ihr gesucht. Über die weitere Reiseroute hat das LKA keine Informationen.

Familie galt als "integriert" - Terrorkontakt über Facebook

Seyhan L. ist Schülerin an der Alfred-Nobel-Schule in Geesthacht. Ihre Familie ist integriert und aufgeschlossen. Der Vater lebte seit 35 Jahren in Deutschland.

Doch Seyhan L. wollte einen anderen Weg gehen: Im November 2014 hatte die 18-Jährige mit einer Freundin schon einmal versucht, sich nach Syrien abzusetzen – offenbar hatte sie über soziale Netzwerke Kontakt zu den Kämpfern des IS hergestellt.

Schülerin log Eltern Klassenreise vor

„Damals holten Familienangehörige die junge Frau aus Istanbul ab“, so LKA-Sprecher Jung. Das gelang diesmal nicht mehr, in Istanbul verliert sich die Spur der Schülerinnen. Diesmal hatte Seyhan L. ihren Eltern nach Informationen unserer Zeitung erzählt, sie fahre auf Klassenreise nach Berlin. Stattdessen machte sie sich offenbar auf den Weg ins Kriegsgebiet.

Terrormilizen werben verstärkt junge Frauen an

Die Terrormilizen, die vor allem im Irak und Syrien einen blutigen Eroberungsfeldzug führen, versuchen derzeit verstärkt, weiblichen Nachwuchs zu gewinnen – vor allem zu Propagandazwecken. „Wir beobachten, dass gezielt junge Frauen über soziale Netzwerke angeworben werden“, so ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz. Wer einmal in Syrien ist, kommt nicht mehr zurück: Frauen müssen sofort ihre Pässe abgeben.

Massenhysterie vor dem Elternhaus

Nach der Verzweiflungstat des Vaters hatten sich Sonntagabend mehr als 200 trauernde Menschen in der Geesthachter Innenstadt versammelt. Da etliche von ihnen kollabierten, wurde ein Großalarm des Rettungsdienstes ausgelöst, etwa 50 Ärzte und Sanitäter waren an der Rathausstraße im Einsatz.

Im Zimmer von Seyhan L. fand die Polizei salafistische Literatur und Notizen zur bevorstehenden Abreise. Die Mutter hatte das Drama nicht verhindern können, sie soll erst am Sonntag von einer Kur zurückgekommen sein. (bz)