Bei der Brandkatastrophe auf der Adria-Fähre gab es bislang fünf Tote. Bei der Rettung verfielen die Passagiere in Panik, es gab nur einen Notausgang. Jetzt sind nur noch der Kapitän und vier Rettungskräfte an Bord.
Athen. Nach dem Brand auf der Adria-Fähre „Norman Atlantic“ sind am Montag die Leichen von vier weiteren Passagieren aus dem Meer geborgen worden. Das gab der griechische Seefahrtsminister Miltiades Varvitsiotis in Athen bekannt. Damit erhöht sich die Zahl der Todesopfer auf fünf: Am Sonntag war gemeldet worden, dass ein Grieche von dem brennenden Schiff ins Meer gestürzt war. Die Identität der am Montag geborgenen Leichen sei noch nicht festgestellt, sagte Varvitsiotis.
Der italienische Premierminister Matteo Renzi sagte am Montag, sämtliche Passagiere seien nun von der Adria-Fähre „Norman Atlantic“ geholt worden. An Bord seien nur noch der Kapitän und vier Rettungskräfte, 407 Menschen seien in Sicherheit gebracht worden. In einer dramatischen Rettungsaktion bei Sturm und hoher See wurden die meisten Passagiere per Hubschrauber von Bord geholt und zu den in der Nähe wartenden Schiffen gebracht. Neun von ihnen – darunter drei Kinder und eine Schwangere – wurden direkt in eine Klinik im süditalienischen Lecce transportiert. Dort wurden sie wegen Unterkühlung behandelt.
An Bord ging es offenbar chaotischer zu, als bislang bekannt wurde. So berichten es Passagiere, die dem brennenden Schiff entkamen. „Man hat uns keine Anweisung gegeben. Es gab nur einen einzigen Notausgang auf Deck 6 in Richtung Bug. Es herrschte dort absolute Panik wegen des Gedränges. Es gab keinerlei Koordination, niemand hat die Leute beruhigt“, sagte die Passagierin Rania Fyreou im griechischen Fernsehen. „Das größte Rettungsboot für 150 Menschen war mit nur 60 Leuten besetzt. Das Personal war praktisch nicht vorhanden.“
Zudem sei das Schiff der griechischen Linie Anek Lines in letzter Minute ausgewechselt worden. „Wir hätten eigentlich mit einem anderen Schiff fahren sollen. Wir fühlten uns, als ob wir auf einem Schiff in der Dritten Welt reisen sollten.“
Das Feuer und Windstärke erschwerten die Rettung
Andere erzählen von ihrer Verzweiflung. „Mein Mann und ich sind mehr als vier Stunden im Wasser gewesen. Ich wollte ihn retten, habe es aber nicht geschafft. Er sagte „Wir sterben, wir sterben““, erzählte die Frau eines Todesopfers, Teodora Douli. Ein Elfjähriger liegt im Krankenhaus von Copertino in Süditalien und wartet auf Nachrichten von seinem Vater. „Geht es Papa gut? Wo ist er? Wann holt er mich ab“, sagte Marco Journalisten.
Der griechische Schifffahrts-Experte Giorgos Margetis sagte im Fernsehen, bei dem Unfall seien mehrere unglückliche Umstände zusammengekommen. „Zunächst das Feuer, das sich ausgesprochen schnell ausgebreitet hat. Feuer ist das Schlimmste, was auf einem Schiff passieren kann. Dazu hatten wir extrem schlechtes Wetter, bis Windstärke zehn. Das passiert auf unseren Meeren vielleicht zwei, drei Mal im Jahr.“
Beim Abschleppen riss auch noch ein Tau
Für Hubschrauber ist das eine Riesenherausforderung. „Die Flammen zu überfliegen, ist keine leichte Sache“, sagte der Ex-General der italienischen Luftwaffe, Vincenzo Camporini. „Zudem macht es die Sache noch komplizierter, wenn sich so viele Institutionen koordinieren müssen.“
Medien spekulierten bereits über Abstimmungsprobleme zwischen den Ländern. So soll Griechenland zum Beispiel favorisiert haben, dass die „Norman Atlantic“ ins nähere Albanien geschleppt werde. Doch dies sollen die Italiener, die das Kommando bei der Operation haben, nicht unterstützt haben. Bei der Abschleppaktion riss dann zu allem Überfluss noch ein Tau und hielt die Retter weiter auf.
Was an Bord wirklich geschehen ist, wird sich zeigen. Die Staatsanwaltschaften in Bari und Brindisi leiteten Ermittlungen ein. Geprüft werden müssen auch Vorwürfe, wonach bei der „Norman Atlantic“ Mängel festgestellt worden waren und dass das Autodeck überfüllt war.
Schiff der Rickmers-Gruppe bei Rettung
Auch ein Hamburger Schiff war an der Rettungsaktion beteiligt: Das Containerschiff „Spirit of Piraeus“, das zur Hamburger Rickmers-Gruppe gehört, hat am Montagmorgen gegen 6.30 Uhr 49 Passagiere von der Unglücksfähre „Norman Atlantic“ in die süditalienische Hafenstadt Bari gebracht. Nach Angaben der Reederei sind alle Geretteten wohlauf. Sie wurden unterwegs mit Wasser, Essen und Decken versorgt.
Unter den Passagieren der „Norman Atlantic“ befanden sich auch 18 Deutsche. Das Feuer an Bord des Schiffes brauch auf einem Autodeck aus, es wurde bis zum Sonntagabend weitgehend unter Kontrolle gebracht. Allerdings trieb das Schiff am Montag weiter in Richtung der albanischen Küste nördlich von Griechenland. Es war am Sonntag nördlich von Korfu in Seenot geraten. Sturmböen und hoher Wellengang erschweren weiter die Arbeit der Einsatzkräfte.
Nach griechischen Angaben waren zehn Handelsschiffe an der Rettungsaktion beteiligt. Sie bildeten eine Mauer, um die Fähre vor dem Sturm zu schützen. Griechische und italienische Hubschrauber kämpften beim Versuch, sich dem Schiff zu nähern, gegen heftige Böen an. Laut der italienischen Küstenwache konnten nach 16 Stunden immerhin die aus dem Schiff dringenden, sichtbaren Flammen gelöscht werden. Doch war die Fähre in dichten Rauch gehüllt, der womöglich aus Brandnestern im Schiffsinneren stammte.