Aus dem Skandälchen um den Kino-Film „The Interview“ ist eine schwere Krise geworden. Nordkoreas Diktator Kim droht US-Präsident Obama – und Sony wird von Mitarbeitern verklagt.
Washington/Los Angeles. Die Affäre um den Hacker-Angriff auf Sony und den Film „The Interview“ wird immer bizarrer. Die diplomatischen Verspannungen zwischen den USA und Nordkorea sind ernst zu nehmen – ebenso die Wut der Hollywood-Gemeinde auf Sony. Dabei hat Nordkorea am Wochenende eine Beteiligung am Hackerangriff auf das Hollywood-Filmstudio von Sony vehement bestritten und den USA mit Folgen gedroht, sollten sie an ihren Anschuldigungen festhalten. Bei dem Vorwurf von US-Präsident Barack Obama handele es sich um eine grundlose Verleumdung, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Pjöngjang und forderte eine gemeinsame Untersuchung der Cyberattacke.
Die USA bemühen sich Regierungskreisen zufolge um eine internationale Reaktion auf den Angriff, für den es das kommunistische Land verantwortlich macht. Dazu sei auch Nordkoreas engster Verbündete China konsultiert worden, hieß es in Washington.
Nordkorea könne beweisen, dass es nichts mit dem Hackerangriff zu tun habe, sagte der Sprecher des Außenministeriums der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA zufolge. Die USA wollten Stimmung gegen die Führung des Landes machen und müssten mit „ernsthaften Konsequenzen“ rechnen, wenn sie nicht damit aufhörten und eine gemeinsame Aufklärung ablehnten.
Obama hatte Nordkorea für den Cyberangriff auf Sony Pictures verantwortlich gemacht, bei dem Ende November Firmenunterlagen sowie persönliche Daten und E-Mails gestohlen wurden. Es ist das erste Mal, dass die USA offen einen Staat als Urheber einer Hackerattacke auf amerikanischem Boden benennen.
Nach Angaben der US-Bundespolizei FBI wurden bei dem Datendiebstahl Programme eingesetzt, wie sie auch im März 2013 von nordkoreanischen Angreifern bei Attacken auf südkoreanische Banken und Medien verwendet worden seien. Die Ermittler hätten zudem Verbindungen zu Computerschädlingen gefunden, die in Nordkorea entwickelt worden seien. Obama sagte, es gebe keine Hinweise auf eine Beteiligung anderer Nationen.
Unter dem Druck der Hacker stoppte die US-Filmtochter des japanischen Konzerns die Veröffentlichung der Komödie „The Interview“ über fiktive US-Geheimdienstpläne für ein Attentat auf Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Die Hackergruppe, die sich zu dem Angriff bekannte, hatte mit Anschlägen auf die Kinos gedroht, in denen der Film gezeigt wird. Sony ist für die Entscheidung in Hollywood und von Obama scharf kritisiert worden.
Aus US-Regierungskreisen verlautete, es seien Gespräche mit Großbritannien, Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea geführt worden, wie auf den Angriff reagiert werden könnte. Es werde auch versucht, China und Russland dazu zu bewegen, ihren Einfluss auf Nordkorea geltend zu machen. Japan und Südkorea hätten bereits ihre Unterstützung zugesagt.
Nordkorea ist seit mehr als 50 Jahren Ziel von US-Sanktionen, die allerdings fast ohne Folgen für das umstrittene nordkoreanische Atomprogramm waren. Am Sonnabend erklärte Nordkorea, seine Atomstreitkräfte massiv auszubauen. „Da nun die feindliche US-Politik offenkundig ist, in unsere Republik unter dem Deckmantel der Menschenrechte einzufallen, ist die Vorstellung einer atomwaffenfreien Koreanischen Halbinsel nicht länger haltbar“, erklärte ein Sprecher des Außenministerium nach einem KCNA-Bericht.
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Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen hatten den Sicherheitsrat aufgefordert, Nordkorea wegen Menschenrechtsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) anzuklagen. Grundlage ist ein Uno-Bericht, nach dem in dem isolierten Land systematisch gefoltert wird, politische Morde üblich sind, Hungersnöte herrschen und ein System von Gefangenenlagern ähnlich den Konzentrationslagern der Nazis unterhalten wird. Eine Klageerhebung ist jedoch unwahrscheinlich, da im Sicherheitsrat mit dem Veto Chinas gerechnet wird.
Der massive Hackerangriff könnte Sony nach Einschätzung von Experten mehrere Hundert Millionen Dollar kosten. Insgesamt sei mit einem finanziellen Schaden von bis zu 500 Millionen Dollar (409 Millionen Euro) zu rechnen, sagte Hemanshu Nigam von der Beraterfirma SSP Blue der Nachrichtenagentur AFP. Die Entscheidung, den Kinostart der Nordkorea-Satire „The Interview“ nach Terrordrohungen abzusagen, habe die Kosten immens in die Höhe getrieben.
Die Produktionskosten für den Film werden auf 75 Millionen Dollar geschätzt. Zudem müsse Sony auf die Einnahmen an der Kinokasse verzichten, sagte Nigam. Wegen der Kontroverse um den Film hätten sich diese nach Einschätzung des Experten auf mehrere Hundert Millionen Dollar belaufen können. Hinzu kommen die Ausgaben für die Instandsetzung von Sonys Computernetzwerk sowie Gerichtskosten.
Wegen der Verbreitung persönlicher Daten haben Mitarbeiter und frühere Angestellte bereits zwei Klagen eingereicht. Auch der Schaden für Sonys Ansehen ist nach Einschätzung von Branchenkennern beträchtlich.
Der Chef des Sony-Konzerns in Japan, Kazuo Hirai, hat sich einem Medienbericht zufolge schon frühzeitig besorgt um die Nordkorea-Satire „The Interview“ gezeigt und deutlich Kritik geübt. Lange vor der Cyber-Attacke gegen das Filmstudio Sony Pictures im November habe Hirai bereits im Sommer Anstoß an einzelnen Szenen in dem Film genommen, berichtet die „Los Angeles Times“ am Sonnabend. Die Zeitung griff E-Mails zwischen der Sony Corp. in Tokio und dem Filmstudio in Kalifornien auf, die Hacker nach ihrem Angriff auf das Unternehmen im Netz veröffentlicht hatten.