Mehr als zehn Jahre lang hatte Thomas Eric D. seinen Sohn nicht gesehen. Dann ließen ihn die US-Behörden doch einreisen. Aber da hatte er sich in seiner Heimat Liberia bereits mit Ebola infiziert.
Dallas. Thomas Eric D. kam in die USA, um bei der Highschool-Abschlussfeier seines Sohnes dabei zu sein. Zuletzt hatte er ihn gesehen, als er ein Kleinkind war. Doch D. hatte sich in seiner Heimat Liberia mit Ebola angesteckt. Am Mittwoch ist er in Dallas gestorben – als erster Ebola-Patient, bei dem die Krankheit in den USA diagnostiziert wurde. Er wurde 42 Jahre alt.
D. kam Ende September in die USA. Damit ging sein jahrelanger Traum in Erfüllung, seinen Sohn, dessen Mutter und andere Verwandte wiederzusehen. „Sein Sohn hatte seiner Mutter gesagt: „Ich will meinen Vater sehen. Können wir meinem Vater helfen zu kommen?“ Und dann haben sie alle Anträge erledigt, damit er in dieses Land kommen konnte“. sagt D.s Bruder Wilfred Smallwood. Smallwoods Sohn Oliver steht derzeit unter Quarantäne, so wie die übrigen Mitglieder des Haushalts, in dem D. wohnte, bevor bei ihm Ebola diagnostiziert wurde.
Als D. in Dallas eintraf, zeigte er keinerlei Symptome, obwohl er sich schon mit Ebola angesteckt hatte. Seine Nachbarn in der liberianischen Hauptstadt Monrovia glauben, er habe sich infiziert, als er einer schwangeren Nachbarin geholfen habe, die an der Seuche erkrankt war und später daran auch gestorben ist. Ob er von der Diagnose der Frau wusste, bevor er abreiste, ist unklar.
Sein Leben zeigt die Härten vieler Liberianer
D.s Leben zeigt die Härten und Entbehrungen vieler Liberianer, die vor dem 14 Jahre langen Bürgerkrieg geflohen sind oder ihn in ihrem Heimatland überlebt haben. D. wuchs im Dorf Green Hill Quarry in der Nähe einer Lepra-Kolonie auf, wie sein Freund und ehemaliger Nachbar Thomas Kwenah berichtet.
Später zog D. in ein bürgerliches Wohnviertel in Monrovia, um dort die Highschool zu besuchen, wie sich Jugendfreundin Tonia Wordsworth erinnert. „Das war vor dem Krieg. Alles war normal: Strom, Wasser, Ausbildung“, sagt Wordsworth, die heute in Calverton im US-Staat Maryland lebt. Ihre Familien seien eng befreundet gewesen. D. sei ein pflichtbewusster, junger Mann gewesen, der für sie wie ein Bruder war.
D. war 18 Jahre, als Warlord Charles Taylor und seine Kämpfer vom Nachbarland Elfenbeinküste aus nach Liberia eindrangen und es mit jahrelangen Konflikten überzogen. Etwa 250.000 Menschen kamen damals um, rund zehn Prozent der liberianischen Bevölkerung.
USA lehnten D.s Visaanträge ab
D.s Halbschwester Mai Wureh und ihr Mann kamen 1989 in die USA, kurz bevor Taylors Invasion begann. Sie wollten ihre Familie nachholen, doch die Anträge wurden abgelehnt. „Mai hat sich darum bemüht, dass wir das Kriegsgebiet verlassen können. Doch nach einer langen Zeit haben die USA alle von uns abgewiesen“, sagt Smallwood.
D., Smallwood und rund 20 andere Familienmitglieder flohen in die Richtung, aus der Taylor gekommen war: in die Elfenbeinküste. Dort, im Flüchtlingslager Danane, traf D. Louise Troh. Sie wurden ein Paar.
Trohs Einwanderungsantrag für die USA wurde schließlich angenommen. Sie nahm den damals drei Jahre alten gemeinsamen Sohn Karsiah mit, ging zunächst nach Boston und später nach Dallas. D.s Visaanträge wurden weiter abgelehnt.
Er wollte endlich sein Mädchen in Dallas heiraten
2013 kehrte D. zusammen mit vielen anderen Liberianern in die Heimat zurück. Er zog in die gleiche Gegend, in der er die Highschool besucht hatte. Doch aus dem einst bürgerlichen Viertel war ein Slum geworden, erschüttert von Armut und Krankheit. Er lebte in einem kleinen Zimmer, arbeitete als Fahrer. Doch ein Jahr später wurde er schließlich in die USA eingeladen. Seinem Freund Kwenah sagte er, er wolle endlich sein Mädchen in Dallas heiraten.
D. kam in Dallas am 20. September an – weniger als eine Woche, nachdem er seiner kranken Nachbarin geholfen hatte. In den neun Tagen, bevor er mit Blaulicht in ein Krankenhaus gebracht wurde, teilte er die Wohnung mit zahlreichen Menschen, darunter Troh, deren anderem Sohn Timothy, D.s Neffen Oliver und einem Freund der Familie. „Wir dachten, er sei sicher, weil er ja in Amerika war“, sagt Kwenah.
D.s Familie hat ihn einmal im Krankenhaus besucht. Sie konnten ihn über eine Kamera sehen. Der Anblick sei so schrecklich gewesen, dass sie nicht mehr schlafen konnten. Troh erklärte in einer Mitteilung, sie empfinde Trauer und Wut, dass Karsiah D. am Dienstagabend im Krankenhaus nicht mehr besucht habe. So habe er seinen Vater nicht mehr wiedergesehen.