Ozapft is! In München hat das Oktoberfest begonnen. Der neue Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sich bei seiner ersten Eröffnung wacker geschlagen. Alt-OB Christian Ude ist mit seinem Zögling soweit zufrieden.
München. Die Fußstapfen sind groß, das war ja klar. Dieter Reiter, Nachfolger von Christian Ude als Münchner Oberbürgermeister, hat sich bei seiner ersten Oktoberfesteröffnung wacker geschlagen. Mit nur vier Schlägen hat er das erste Fass angezapft. Die zwei Schläge von Rekordhalter Ude waren unerreichbar. „Ozapft is! Auf eine friedliche Wiesn“, kann Reiter planmäßig kurz nach 12.00 Uhr rufen. Die Ehrengäste haben keine Bierfontäne abbekommen, und der Himmel hat offenbar ein Ohr für den Münchner OB auf dem irdischen Volksfest, denn wenig später hört es sogar auf zu regnen. Am Ende kommt sogar die Sonne durch, der Himmel strahlt bayerisch weiß-blau.
Ex-Souverän Ude verfolgt das Anzapfritual als Ehrengast von der Stadtratsempore aus – und ist mit seinem Zögling an dieser Stelle zufrieden. Reiters Wiesn-Start sei an sich optimal: „Er steigt gleich sehr stramm ein, kann sich aber noch steigern.“ Auch Reiter findet: „Da ist noch Luft nach oben. Es gibt noch ein paar Jahre, in denen ich üben kann.“ Die nächste Kommunalwahl ist 2020.
Im vergangenen Jahr war Reiter noch als Wiesn-Chef neben Ude beim Anstich. Abschauen konnte er sich von ihm in Sachen Anzapfen aber nichts, denn Ude ist Linkshänder. Beiden gemeinsam ist freilich das alljährliche Bangen, ob die Lederhose noch passt. Er habe im Urlaub ein paar Kilo abgenommen, sagt Reiter. Ude verwies gerne darauf, dass er fleißig schwimmen ging.
Reiters Einzug in die Anzapfboxe zum Defiliermarsch ist vielleicht ein bisschen weniger herrlich als bei Ude, sein Winken in Richtung Untertanen nicht ganz so groß und kühn, und das Anzapfen ein bisschen bodenständiger. „Wurscht“, hört man jemanden sagen, als Reiter den vierten – eigentlich überflüssigen – Schlag setzt. Ob es Reiter war?
Er hätte es mit drei Schlägen schaffen können. Der erfahrene Brauer Helmut Huber, der schon Ude und Ex-OB Georg Kronawitter trainierte, stand in der Anzapfboxe ganz nah neben seinem Lehrling, als dieser den Schlegel auf den Zapfhahn sausen ließ. Auch er sagt: „Den letzten hätte es nicht gebraucht.“ Huber ist beim Anstich eine der Hauptpersonen – wenn nicht die wichtigste Person in der Anzapfboxe.
Erst danach kommen OB, Ministerpräsident und der ebenfalls neue Wiesn-Chef Josef Schmid. Der CSU-Politiker war Reiters Konkurrent bei der Oberbürgermeisterwahl – und schaffte es gegen Reiter immerhin in die Stichwahl. Jetzt regieren beide gemeinsam – und Schmid freut sich, dass es mit dem Anzapfen gut geklappt hat. „Ich stand ja auch unterstützend hinter ihm.“ Schmid ist Reiters zweiter Bürgermeister sowie sein Nachfolger als Wirtschaftsreferent und Leiter des Volksfestes. Ob das ein Omen sein könnte für die nächste Kommunalwahl, ist für Schmid derzeit keine Frage – zu früh.
Vor allem: „Die Wiesn ist und bleibt unpolitisch.“ Sagt Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der die erste Maß von Reiter genauso gerne entgegennimmt wie in den Jahren zuvor von Ude. Für den bayerischen Ministerpräsidenten sei die erste Maß stets eine hohe Ehre: „Der erste Schluck schmeckt sehr gut.“
Auf der Ehren-Empore fehlt heuer Bundesprominenz. Das waren noch Zeiten: 2002 kam Angela Merkel als CDU-Chefin zur Eröffnung, ebenso der damalige SPD-Innenminister Otto Schily. Jürgen Trittin war einmal da, oft dabei war Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Claudia Roth, die auch dieses Jahr gerne gekommen wäre, durfte nicht – der Ältestenrat der Stadt verwies auf die Regeln. Roth hat ihren Wahlkreis in Augsburg – die Wiesn ist aber ein Münchner Fest.
So ist man unter sich. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Kultusminister Ludwig Spaenle (beide CSU) schwingen vor dem Anstich auf der Empore das Tanzbein. Als ihr Chef Horst Seehofer aus der Anzapfboxe nach oben kommt, sitzen sie wieder artig auf den Bänken.