Ermittler durchsuchen Büros des Schiffsbetreibers. Immer mehr Leichen werden aus der gekenterten „Sewol“ geborgen. Viele Hintergründe des Fährunglücks sind noch immer unklar.
Jindo/Seoul. Eine Woche nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre „Sewol“ setzen Bergungsmannschaften ihre Suche nach vermissten Passagieren fort. Taucher bergen dabei immer mehr Leichen aus dem Wrack vor der Südwestküste des Landes. Die Zahl der bestätigten Todesopfer erreichte am Mittwochvormittag (Ortszeit) 150, wie südkoreanische Sender berichteten. Von den ursprünglich 476 Menschen an Bord – die meisten von ihnen Jugendliche auf einem Schulausflug – galten mehr als 150 weiter als vermisst. Bei den Tauchgängen wurden bisher keine Überlebende entdeckt.
Besseres Wetter als zu Beginn der Suchaktion und Niedrigwasser erleichterten den Einsatzkräften die Arbeit. Dabei werden auch Tauchroboter eingesetzt. Die Suche konzentrierte sich den Berichten zufolge zuletzt auf die Kabinen und einen Speisesaal auf Deck drei und vier. Es wird vermutet, dass dort die meisten Passagiere eingeschlossen wurden.
Ermittler haben nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre „Sewol“ die Büros des Schiffsbetreibers durchsucht. Gegen die Eigentümerfamilie von Chonghaejin Marine wird unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Untreue ermittelt, wie die nationale Nachrichtenagentur Yonhap und verschiedene südkoreanische Sender am Mittwoch berichteten.
Ziel der Durchsuchungen waren demnach auch Unternehmen und eine religiöse Gruppe, die in Verbindung zur Eigentürmerfamilie stehen. Auch wollen die Ermittler verborgenen Vermögenswerten nachspüren, damit später Schadenersatz an die Familien der Opfer der Schiffskatastrophe gezahlt werden kann.
Die Familien der Vermissten hatten gefordert, die Suchaktion in dieser Woche abzuschließen. In der Nähe der Unglücksstelle stehen seit Tagen riesige Schwimmkräne bereit, um das Schiff zu heben.
Kapitän sitzt in U-Haft
Viele Fragen zum Verlauf der Katastrophe vom Mittwoch vergangener Woche sind noch immer offen. Die Ermittler prüften, ob der Kapitän wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagt werden könne, berichtete der staatliche Sender Arirang. Der 68-jährige Kapitän sitzt neben weiteren leitenden Besatzungsmitgliedern in U-Haft. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, fahrlässig gehandelt und das sinkende Schiff mit den Passagieren im Stich gelassen zu haben.
So wird auch untersucht, warum unmittelbar nach dem Kentern keine Evakuierung angeordnet wurde. 174 Menschen an Bord der „Sewol“ konnten gerettet werden, darunter der Kapitän und die meisten der anderen 28 Besatzungsmitglieder.
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Auto- und Personenfähre während eines Kurswechsels kenterte. Doch der genaue Hergang des Unglücks ist noch offen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass die Ladung verrutschte und das Schiff dadurch Schlagseite bekam, bevor es schließlich vollständig auf die Seite kippte.
Es ist die größte Schiffskatastrophe in Südkorea seit mehr als 20 Jahren. Der Untergang einer überladenen Fähre vor der Westküste im Oktober 1993 hatte 292 Menschenleben gefordert.