Ist das das Ende einer Ära? Was kein Konzern, kein Konkurrent schaffte, könnte jetzt ein deutsches Gericht bewirken: Formel-1-Alleinherrscher Bernie Ecclestone stürzen.
München/Hamburg/London. Die Luft wird dünn für Bernard Charles Ecclestone, den die bunte wie lukrative Welt des Formel1-Zirkus nur als „Bernie“ kennt. Denn Bernie, 83, muss sich nach Konkurrenten auf der Rennstrecke und daneben, nach schmutzigsten Auseinandersetzungen mit Scheidungsanwälten und Automobilkonzernen wie Fiat (Ferrari), Daimler oder BMW nun mit dem härtesten Feind auseinandersetzen, den man sich hierzulande vorstellen kann: mit einem deutschen Gericht.
Akribische Staatsanwälte werden von Donnerstag an vor dem Landgericht München versuchen, dem prominenten Angeklagten Dinge zur Last zu legen, für die es in Deutschland kein Pardon gibt. Es geht um Korruption, volkstümlich Bestechung genannt. Und man kann sich so gar nicht vorstellen, was ein britischer Edelmann wie Ecclestone damit nur im entferntesten zu tun haben könnte.
Der Gentleman mit den hemdsärmeligen Manieren wird einen Teil seiner Geschäftsgeheimnisse offenlegen müssen. Das könnte bis hin zur Steuervermeidungsstrategie gehen. Und da haben Münchener Strafverfolger und Gerichte, siehe Uli Hoeneß, so ihre knallharten Seiten gezeigt.
Lesen Sie hier den Kommentar des Abendblatt-Experten Christian-A. Thiel
Ecclestone muss im schlimmsten Fall mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen. Bei einer Verurteilung droht ihm der Formel-1-Haupteigner CVC mit dem Rauswurf. Ein Nachfolger des Patriarchen ist allerdings nicht in Sicht – ein Grund, weshalb CVC die Formel 1 bisher nicht wie geplant an die Börse bringen konnte.
Auch die britischen Medien verfolgen mit Argusaugen, was Ecclestone in München blüht. Sie spekulieren bereits über einen vorzeitigen Abschied des Zampanos aus seinem Rennzirkus. Aber das hat Ecclestone bereits in einer ARD-Dokumentation über den Fall ausgeschlossen. Im „Telegraph“ bekräftigte er das noch einmal.
Ecclestone hat die Königsklasse des Motorsports seit den siebziger Jahren zu einem milliardenschweren Geschäft ausgebaut. Er soll vor neun Jahren ein Vorstandsmitglied der Bayerischen Landesbank bestochen haben. Die BayernLB wollte sich damals von ihrem 47-prozentigen Anteil an der Formel 1 trennen. Dieser Teil war ihr bei der Pleite des Kirch-Medienkonzerns zugefallen.
Um seine Chefposition zu sichern, soll Ecclestone der Staatsanwaltschaft zufolge den Bankvorstand Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen Dollar geschmiert haben. Im Gegenzug sollte Gribkowsky laut Anklage dafür sorgen, dass die Bank den Formel-1-Anteil ohne Prüfung anderer Interessenten an den von Ecclestone gewünschten Käufer CVC abgab. Der Finanzinvestor CVC übernahm das Paket im Jahr 2006.
Gribkowsky wurde wegen seiner Absprachen mit Ecclestone bereits in einem eigenen Strafprozess 2012 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Dieselbe Strafkammer sitzt nun auch über Ecclestone zu Gericht. Der Vorsitzende Richter Peter Noll hatte damals Zweifel an den Aussagen des Formel-1-Chefs erkennen lassen, der in Gribkowskys Prozess als Zeuge auftrat.
Schweigegeld oder Schmiergeld?
Ecclestone hatte seinerzeit zwar eine Zahlung an Gribkowsky eingeräumt. In dem Verfahren und auch später erklärte der Formel-1-Chef jedoch, es habe sich nicht um Schmiergeld, sondern um Schweigegeld gehandelt. Denn Gribkowsky habe signalisiert, dass er Ecclestone anderenfalls bei den britischen Steuerbehörden anschwärze.
Dagegen gestand Gribkowsky schließlich vor Gericht, er habe sich von Ecclestone bestechen lassen. Nun gilt der frühere Banker als wichtigster Zeuge der Staatsanwaltschaft.
Die Strafverfolger werfen Ecclestone neben Bestechung auch Anstiftung zur Untreue vor. Denn nach Überzeugung der Ermittler sollen die beiden Männer nicht nur einen korrupten Deal ausgehandelt, sondern das Schmiergeld auch noch weitgehend aus den Kassen der BayernLB abgezweigt haben. Dafür hätten sie zugunsten Ecclestones einen Provisionsvertrag aufgesetzt, der zum Schein mit dessen Verdiensten bei den Verkaufsgesprächen mit CVC begründet worden sei. Auch dies spielte bereits bei Gribkowskys Verurteilung eine Rolle.
Wusste Ecclestone, dass Gribkowsky Amtsträger ist?
Zudem stuft die Staatsanwaltschaft Gribkowsky als staatlichen Amtsträger ein, weil die Bank dem Freistaat Bayern gehört. In so einem Fall kann Bestechung härter bestraft werden als bei gewöhnlichen Geschäftsleuten. Ob Ecclestone die staatliche Funktion Gribkowskys bewusst war, dürfte in dem Prozess eine wichtige Rolle spielen. Wegen der hohen Summen, die geflossen sein sollen, gehen die Ermittler überdies von einem besonders schweren Fall aus.
Ecclestones Verteidiger wollen Gribkowskys Glaubwürdigkeit als Zeuge ins Wanken bringen. Sie ließen durchblicken, dass sie hinter den Kulissen eine Absprache mit der Justiz wittern. Es gelte, „Inhalt und Umstände der diversen Aussagen von Herrn Dr. Gribkowsky zu hinterfragen, die in ihren verschiedenen Versionen nicht zu halten sein werden“, erklärten die Rechtsanwälte Sven Thomas und Norbert Scharf. So sei Gribkowsky für bayerische Justizverhältnisse ungewöhnlich früh Freigang gewährt worden. Der Manager darf mittlerweile einer neuen Arbeit außerhalb des Gefängnisses nachgehen.
Die Anwälte machten deutlich, dass sie sich bei weitem nicht mit den Erkenntnissen aus dem Gribkowsky-Prozess zufrieden geben wollen. „Es müssen weitere Zeugen gehört und neues Beweismaterial gesichtet werden.“ Das Gericht hat vorerst 26 Verhandlungstermine bis Mitte September angesetzt.
Der Richter hat derben bayerischen Humor
Der Richter Noll führt die großen Wirtschaftsprozesse in München mit Witz und souveräner Gelassenheit, aber hart in der Sache – wie die Verurteilung von Gribkowsky zu achteinhalb Jahren Haft zeigte. Unzählige Verfahren hat der Vorsitzende der 5. Strafkammer am Münchner Landgericht in den vergangenen Jahren geleitet und dabei immer wieder bewiesen, dass Wirtschaftsverfahren keine dröge Angelegenheit sein müssen.
Je komplexer die Inhalte seiner Prozesse sind, desto mehr bemüht sich Noll um eine klare Sprache. Jeder im Saal soll verstehen, worum es geht. Die Anglizismen in der Sprache der Manager sind dem Richter ein Dorn im Auge. Ein Chief Operating Officer ist für ihn, wie er sagt, „auf gut Deutsch der Vorstandsvorsitzende“.
Englische Schriftstücke verliest er aus Prinzip nicht in seinen Prozessen. Schon allein, wie er versichert, um den Zuhörern seine schlechte Aussprache zu ersparen. Im Prozess gegen Ecclestone haben die Dolmetscher daher viel zu tun. Sie hatten sich bei der Zeugenaussage von Ecclestone schon mit der Begrüßung durch Noll etwas schwer getan. „Grüß Gott in Bayern“ – das war in der Übersetzung erklärungsbedürftig.
In dem Verfahren sorgte Noll immer wieder für Heiterkeit im Gerichtssaal. Den Verkauf der Formel 1-Anteile der BayernLB an der Formel 1 bezeichnete der Richter als „Gesamtkunstwerk“, zur Mittagspause läutete er „High Noon“ ein. „Harry hol' schon mal den Wagen“, kommentierte er den Spitznamen eines Zeugen.
Kasperletheater im Gerichtssal
Einmal handelte er sich mit seiner lockeren Sprache Ärger ein: Als er im Prozess von einem „Kasperltheater“ sprach, wollten die Anwälte ihn wegen Befangenheit ablehnen. In seinem Urteil fand er zum Schluss aber auch für Ecclestone deutliche Worte: Er habe Gribkowsky mit „Charme und Raffinesse“ ins Verbrechen geführt, als er ihm beim Formel 1-Verkauf 44 Millionen Dollar gab.
Oft zeigt schon Nolls Mimik, was er von den Aussagen der Beteiligten hält. Etwa als ein Banker sich beklagte, er habe nur 27.000 Euro Sonderzahlungen für seine Arbeit an dem Formel-1-Deal erhalten. Noll gab dem Banker – wie bei Zeugen üblich – zum Abschluss der Vernehmung ein Formular für die Auslagen seiner Kosten aus der Gerichtskasse und konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Da bekommen Sie einen Bonus.“
In seiner Freizeit engagiert sich der Vater von drei Kindern als Gemeinderat für die „Grüne Alternative Liste“ in seinem Wohnort Utting am Ammersee. Dort hat er es meist mit bodenständigeren Themen zu tun als im Gericht: Zuletzt befasste sich der Gemeinderat unter anderem mit der Erlaubnis für einen Eiswagen in dem beschaulichen Ort.
Um für München gewappnet zu sein, hat Bernie Ecclestone seinen letzten öffentlichen Auftritt sausen lassen. Er verzichtete am Oster-Wochenende auf eine Reise zum Großen Preis von China.