Bernie Ecclestone droht eine lange Haftstrafe in Deutschland. Der Brite soll einem ehemaligen Vorstand der Bayern-LB 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben.
Hamburg. Vor anderthalb Wochen war Bernie Ecclestone, 82, noch in seinem Element. Der Reihe nach lud er alle Größen und Halbgrößen der Formel 1 in sein schwarzes Motorhome ein, das er vor der Boxengasse des Nürburgrings geparkt hatte. Mit Teamchefs und Sponsoren und all den anderen Mächtigen im Motorsport plauderte der Mächtigste von ihnen über die Zukunft der Königsklasse. Von Rennen in Thailand und Aserbaidschan war die Rede und von frischen Millionen.
Nun muss sich Ecclestone wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz verantworten. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat gegen ihn ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Der Brite soll einem ehemaligen Vorstand der Bayern-LB im Zuge des Verkaufs von deren Formel-1-Beteiligung an den britischen Investor CVC 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben. Zumindest hat Ex-Banker Gerhard Gribkowsky das bei seinem Prozess, der mit einer achteinhalbjährigen Haftstrafe für ihn endete, behauptet. Die Version von Ecclestone, der als klarer Gewinner aus dem Übernahmegeschäft hervorging, klingt anders: Es habe eine Drohung Gribkowskys gegeben, der ihn beim britischen Fiskus anschwärzen wollte. Nur aus diesem Grund habe er die Summe bezahlt.
Noch gibt sich der umtriebige Geschäftsmann betont gelassen. „Ich habe mit meinen Anwälten gesprochen, sie haben eine Anklageschrift erhalten. Sie wird nun ins Englische übersetzt“, sagte Ecclestone der „Financial Times“. „Wir werden uns ordentlich verteidigen. Es wird ein interessanter Fall. Es ist schade, dass das passiert.“
Nach der Anklageerhebung haben die Anwälte bis Mitte August Gelegenheit zur Stellungnahme. So kann es frühestens im Herbst zum Prozess kommen, das Strafgesetzbuch sieht für Bestechung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Für den besonders schweren Fall sind laut Gesetz ein bis zehn Jahre Haft möglich. Einen Rücktritt schließt Ecclestone kategorisch aus. „Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. Ich werde das tun, was ich immer gemacht habe: weiter arbeiten und meinen Job tun. Für mich ändert sich durch diese Sache nichts“, sagte er der „Bild“-Zeitung.
Der ehemalige Gebrauchtwagenhändler hat aus seinen extravaganten Geschäftsmethoden nie einen Hehl gemacht. „Wir sind nicht so etwas wie die Mafia, wir sind die Mafia“, sagte der Formel-1-Pate, der bei der Rennserie seit den 1970er-Jahren alle Fäden in der Hand hält und den PS-Zirkus in ein milliardenschweres Unternehmen und eine der profitabelsten Sportveranstaltungen der Welt verwandelte. Doch bald sollte es ruhiger um den umtriebigen Manager werden. Einer möglichen Gefängnisstrafe in der Schmiergeld-Affäre sah Ecclestone zuletzt gelassen entgegen. „Ich bin nicht schuldig. Aber wenn ich ins Gefängnis geschickt werde, muss ich damit klarkommen. Ich glaube nicht, dass es mir besonders gefallen würde. Aber man muss mit gewissen Dingen umgehen.“
Im Fahrerlager ist „Mr. E“ noch immer beliebt, Ecclestone machte viele Menschen in der Formel 1 zu Millionären, fast alle schätzen ihn für seine Arbeit. Doch auch der Gegenwind wurde zuletzt immer schärfer. Aber egal – ob peinliche Aussagen über Adolf Hitler und Saddam Hussein oder ein drohender Prozess, nachhaltig konnte ihm bisher kein Skandal schaden. Ecclestone lächelte sie meist weg.
Schon als Schuljunge hat Bernie Ecclestone Geschäfte gemacht
In der freien Wirtschaft wäre wohl jedem Manager eine einzige seiner skurrilen Aussagen längst zum Verhängnis geworden. Erst recht natürlich jene wie die 2009 über Hitler („Er wurde mitgerissen und überredet“, „Er war fähig, Dinge zu erledigen“) oder ein Jahr später über den irakischen Diktator Hussein („Wir haben etwas Schreckliches gemacht, als wir die Idee unterstützten, ihn loszuwerden“, „Er hat aus dem Irak ein stabileres Land gemacht. Das ist doch bewiesen, oder?“). Ecclestone hielt sich an der Spitze und regierte sein Imperium gerade so demokratisch, wie es sein muss – auch wenn alle die Nase über seine Ausführungen zur Weltpolitik rümpften und nur noch den Kopf schüttelten.
Der nur 1,59 Meter große Brite liebt auch die ganz derben Scherze. In seinem Büro in Londons bester Lage hat er auf seinem Couchtisch eine Handgranate liegen. „Es war noch nicht der richtige Besucher da, um sie zu zünden“, sagte er einmal und lächelte sein berühmtes Lächeln, das eine Mischung aus Überheblichkeit und Unantastbarkeit verrät. Schließlich perlten an dem umstrittenen Strippenzieher alle Skandale und Vorwürfe stets ab – wie heißes Öl an einer Teflonpfanne. Bis jetzt.
Die Formel 1 braucht Ecclestone, wie Ecclestone die Formel braucht. Viele werfen ihm zwar vor, dass er den Markt der neuen Medien nicht nutzt oder die Formel 1 mit ihrem aufgeblähten und immer weltoffeneren Kalender einer manchmal fast unzumutbaren Belastung aussetzt. Doch genau so generierte der „Herr der Räder“, der schon in der Schule Bleistifte und Radiergummis an seine Mitschüler verhökerte, stets frisches Geld und erschloss neue Märkte. Sein Geschäftssinn hat der Formel 1 bisher um ein Vielfaches mehr genutzt als geschadet, deshalb blieb die große Rebellion bisher aus. Das dürfte mit der Anklage in München nun anders werden. Dem Paten drohen die Fäden zu entgleiten.