Die Suche nach der verschollenen Boeing 777 wurde ausgeweitet. Unterdessen gerät das Krisenmanagement immer mehr in die Kritik. Wo das Flugzeug lang flog, ist nicht geklärt. Die Ermittler stehen in der Kritik.
Kuala Lumpur. Das Schicksal der 239 Menschen an Bord des Fluges MH370 von Kuala Lumpur nach Peking bleibt auch mehr als vier Tagen nach dem Verschwinden der Passagiermaschine weiter ungewiss. Noch immer fehlt von dem Flugzeug jede Spur. Auch die Flugroute ist weiter ungewiss. Am Dienstag wurde angenommen, dass die Maschine umgekehrt war - dies wurde am Mittwoch aber nicht bestätigt. Die Suchaktion wurde nun ausgeweitet. Gegen einen der Piloten gibt es unterdessen Anschuldigungen, dass er in der Vergangenheit Sicherheitsstandards vernachlässigt und Frauen ins Cockpit eingeladen haben soll. Außerdem wurden weitere Details bekannt.
Flugroute der Maschine weiter unklar
Über die Flugroute des verschollenen Passagierflugzeugs aus Malaysia herrscht weiter Ungewissheit. Der Chef der Luftwaffe wies Berichte zurück, wonach er gesagt habe, dass die Maschine von einem Militärradar in der Straße von Malakka erfasst worden sei. Nach wie vor halte es das Militär aber für möglich, dass die Boeing 777 auf ihrem Flug nach Peking umgekehrt sei, erklärte General Rodzali Daud in einer Mitteilung vom Mittwoch.
Das malaysische Militär hatte 45 Minuten nach dem Verschwinden der Malaysia-Airlines-Maschine mit 239 Menschen an Bord hunderte Kilometer weiter westlich ein Flugzeug auf seinem Radar gesehen. Ob es sich dabei um die vermisste Boeing handelte, sei aber unklar, betonte Daud. Militärradar sei nicht in der Lage, Art und Kennung eines Flugzeugs zu identifizieren, sagte er weiter. Malaysia habe die US-Behörden um Hilfe bei der Analyse der Daten gebeten, sagte Verkehrsminister Hishammuddin Hussein.
Das nicht identifizierte Flugzeug habe sich zu dem Zeitpunkt 370 Kilometer nordwestlich der Insel Penang über dem Andamanischen Meer befunden. Das wäre mehrere hundert Kilometer westlich der Route von Flug MH370.
Sollte es sich bei der Maschine auf dem Militärradar um die vermisste Boeing 777-200 gehandelt haben, wäre sie in einem Luftraum mit hohem Verkehrsaufkommen unerkannt mindestens 20 Minuten unterwegs gewesen. Rätselhaft wäre, wieso sich die Piloten nicht meldeten und wieso die Bordcomputer nicht wie üblich automatisch Daten an die Bodenkontrolle sendeten.
Die Suche wurde ausgeweitet
Die Suche nach der Maschine wurde am Mittwoch auf das Andamanische Meer ausgeweitet. Indien sei von den malaysischen Behörden gebeten worden, bei der Suche in der Nähe der Andamanensee im östlichen Indischen Ozean mitzuhelfen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Mittwoch.
Vietnam ordnete eine Suchaktion auf dem Land bis zur Grenze zu Laos und Kambodscha an. Damit wird Spekulationen Rechnung getragen, wonach die Maschine gegen einen Berg geprallt oder über unbewohntem Dschungelgebiet abgestürzt sein könnte. Insgesamt beteiligen sich derzeit 22 Flugzeuge und 31 Schiffe aus verschiedenen Ländern an der Suchaktion, wie ein Militärsprecher in Vietnam erklärte. Bis zum Einbruch der Dunkelheit meldeten aber weder Suchflugzeuge noch Schiffe verdächtige Funde.
China, wo zwei Drittel der Passagiere an Bord herkommen, mahnte die malaysischen Behörden, die Suche zu beschleunigen. Die Volksrepublik hat insgesamt acht Schiffe in das fragliche Gebiet entsandt. Insgesamt sind mehr als 40 Flugzeuge und Schiffe aus zehn Ländern an der Suche beteiligt.
Co-Pilot rückt ins Visier der Ermittler
Die Vermutung, es könnte sich um einen Terroranschlag handeln, wurde inzwischen von den Ermittlern als unwahrscheinlich eingeschätzt. Wegen Ungereimtheiten auf der Passagierliste hatte es Spekulationen gegeben, ob die Maschine Ziel eines Terroranschlags gewesen sein könnte. In den Fokus rückten zwei Männer, die mit gestohlenen Pässen an Bord waren. Doch erklärten die Ermittler jetzt, es handele sich um zwei Iraner, die vermutlich keine Terroristen seien.
Interpol-Chef Ronald K. Noble sagte, die beiden seien mit ihren iranischen Pässen nach Malaysia geflogen und hätten dann ihre gegen die gestohlenen österreichischen und italienischen Dokumente ausgewechselt.
Der malaysische Polizeichef Khalid Abu Bakar erklärte, man untersuche mögliche kriminelle Aspekte im Zusammenhang mit dem Verschwinden aber weiter ebenso wie die Fragen nach dem psychischen Zustand der Piloten.
Bei der Suche nach möglichen Hintergründen des Verschwindens rückte der junge Copilot am Mittwoch ins Visier der Ermittler. Zwei Touristinnen aus Südafrika berichteten einem australischen Sender, dass der 27-Jährige sie auf einem früheren Flug ins Cockpit geholt und dort mit ihnen herumalbert habe. „Wir sind schockiert“, teilte die Fluggesellschaft mit. Sie könne das Material aber auf Anhieb nicht verifizieren.
Die Frauen zeigten Fotos, auf denen der Copilot der Unglücksmaschine und ein weiterer Malaysia-Airlines-Pilot mit den beiden Blondinen posieren. Auf anderen Fotos tragen die Frauen die Pilotenmützen. Der Copilot habe geflirtet und geraucht. „Die Piloten kamen am Flugsteig auf uns zu und fragten, ob wir nicht mit ins Cockpit wollten – natürlich haben wir Ja gesagt“, berichtete die Frau. Sie hätten den gesamten Flug im Cockpit verbracht, auch den Start und die Landung. Das sei „eine schockierende Verletzung der Sicherheitsvorschriften“, kommentierte der Sender Channel 9.
Krisenmanagement in der Kritik
Das mysteriöse Verschwinden der Boeing rückt auch die Ermittler in den Blick der Öffentlichkeit. Diese haben insbesondere durch abweichende Aussagen die Kritik auf sich gezogen.
„Das plötzliche Verschwinden des Flugzeugs ist mysteriös, aber noch verwirrender ist, wie die Regierung die ganze Sache anpackt“, meint der Journalist Terrence Netto, der für das regierungskritische Portal „Malaysiakini“ schreibt.
Auch das Portal „The Malaysian Insider“ ist kritisch: „Die Stimmung unter Malaysiern schwingt nun von Geduld zu Ärger über die unterschiedlichen Angaben zu Passagieren, Gepäck und letzter bekannter Position des Flugzeugs“, heißt es dort in einem Kommentar.
Die Pannen häufen sich: Am Sonntag hieß es, fünf Passagiere seien zwar eingecheckt, aber nicht zum Abflugsteig gekommen. Detailliert beschreibt der Chef von Behörde für Zivilluftfahrt, Azharuddin Abdul Rahman, dass ihr Gepäck vor dem Abflug wieder ausgeladen worden sei und niemand daran etwas Verdächtiges entdeckt habe. Zwei Tage später sagt Polizeichef Khalid Abu Bakar: „Jeder, der eingecheckt war, ist auch geflogen. Niemand checkte ein und stieg dann nicht ein.“
Die beiden Iraner, die mit gestohlenen Pässen an Bord waren, seien schon mit falschen Dokumenten nach Malaysia gereist, sagt die Leiterin der Einwanderungsbehörde, Aloyah Mama, erst. Dann die Korrektur: Sie kamen mit ihren iranischen Pässen völlig legal ins Land. Die letzte Radarposition wurde nicht zwei, sondern weniger als eine Stunde nach dem Start registriert.
Bei wachsender Kritik vor allem in den Ländern, die Landsleute an Bord der Maschine hatten, fragt der frühere Verkehrsminister On Tee Keat laut, warum die Regierung keinen Krisenstab über die Ministeriengrenzen hinweg einsetze. „Krisenmanagement muss klar strukturiert und koordiniert werden“, sagt er. „Die Menschen in aller Welt müssen sich sicher sein, dass wir kompetent und fähig sind, eine solche Krise zu meistern – andernfalls hat das Ganze in Zukunft schwere Konsequenzen für unsere Zusammenarbeit mit anderen Ländern.“
Die Regierungspartei, die seit der Unabhängigkeit 1957 ununterbrochen regiert, sei Transparenz im eigenen Land nicht gerade gewohnt, sagt eine ausländische Journalistin, die seit Jahren aus Kuala Lumpur berichtet. „Die Regierung hat totale Kontrolle, von der Wirtschaft bis zu den Medien“, sagt sie. Forsche Fragen von der heimischen Presse sind eine Seltenheit. „Die Beamten sind es nicht gewohnt, im Rampenlicht zu stehen und jede ihrer Äußerungen zerpflückt zu sehen.“
Netto meint, hinter den Pannen stecke System: „Sie schaffen bewusst ein Durcheinander, um etwas zu verbergen“, meint er. „Zum Beispiel lenken sie damit die Aufmerksamkeit davon ab, dass es am Flughafen offenbar allzu laxe Kontrollen gibt.“
Die Suche nach der Wahrheit im Dschungel sich widersprechender Angaben halte die Presse auch davon ab, zu fragen, warum die beiden malaysischen Scorpène-U-Boote nicht an der Suche beteiligt sind. Um ihren Kauf in der Zeit, als Ministerpräsident Najib Razak Verteidigungsminister war, ranken sich viele hartnäckige Gerüchte um Unsummen an Bestechungsgeldern.
Regierungschef ruft zur Geduld auf
Niemand weiß, was im Cockpit von Flug MH370 vor sich ging. Die Piloten haben nie einen Notruf abgesetzt. Die Blackbox, die die Unterhaltungen im Cockpit aufzeichnet, bleibt mit der Maschine verschwunden. Die Ermittler hoffen, nun bald eine entscheidende Spur zu entdecken.
Malaysias Regierungschef Najib Razak rief unterdessen zur Geduld auf. „Wir müssen bei der Herausforderung, die Gott uns auferlegt hat, ruhigbleiben“, sagte er in einem Fernsehinterview. Die Regierung tue alles, um noch mehr Ressourcen für die Suche zur Verfügung zu stellen.