Michael Schumacher erlitt nach seinem schweren Sturz in den französischen Alpen Verletzungen im Gehirn. Er liegt im künstlichen Koma und ist weiterhin in Lebensgefahr.
Grenoble. Leichtes Aufatmen, aber noch keine Entwarnung: Michael Schumachers Zustand hat sich nach seinem schweren Skiunfall leicht verbessert, das Formel-1-Idol schwebt aber weiter in Lebensgefahr. „Wir wollen diese Schlacht gewinnen - eine schwere Schlacht, die noch lange nicht gewonnen ist“, sagte Gerard Saillant, Mediziner und Vertrauter Schumachers, während einer Pressekonferenz in der Universitätsklinik in Grenoble am Dienstagmittag: „Aber wir sind ein wenig optimistischer als gestern.“
Ein als Priester verkleideter Journalist hat in der Klinik offenbar versucht, zu Schumacher vorzudringen. Das teilte Managerin Sabine Kehm mit, wie ein Journalist der AFP-Tochter SID berichtete. Sie fügte hinzu, dass spürbar sei, dass manche Leute sich in der Klinik weiter fortzubewegen versuchten als in den Presseraum. Kehm hob hervor: „Das ist in meinen Augen sehr verwerflich.“
Der Zustand Schumachers hatte sich im Verlaufe des Montagabends positiv entwickelt, so dass sich die Ärzte zu einer zweiten Operation entschieden. Der Eingriff, bei dem ein großes Hämatom abgeleitet wurde, sei gut verlaufen, die Situation nun vorerst besser unter Kontrolle.
„Es kann sich aber jederzeit ändern, zum Guten und zum Schlechten“, sagte Saillant. Der Chirurg ist ein langjähriger Bekannter Schumachers, bereits nach dessen Schien- und Wadenbeinbruch beim Unfall 1999 in Silverstone hatte er ihn operiert. Er ist zudem Chef eines Zentrums für Gehirn- und Wirbelsäulenverletzungen.
Lesen Sie hier das Michael-Schumacher-Porträt vom Abendblatt-Experten Christian-A. Thiel
In Grenoble mahnte er die anwesende Weltpresse nun zur Zurückhaltung. Schumacher, der weiter im künstlichen Koma liegt, brauche die volle Aufmerksamkeit der medizinischen Betreuung.
Die Möglichkeit zum zweiten Eingriff habe sich kurzfristig ergeben, als ein Scan am Montagnachmittag eine Verbesserung des Zustands zeigte. Diese Chance ergriffen die Mediziner. Gegen 22 Uhr wurde mit der zweistündige Operation begonnen.
Prognosen wollte Francois Payen, Chefarzt der Intensivstation, wie schon am Vortag jedoch nicht abgeben: „Er ist nicht außer Gefahr, aber wir haben mehr Zeit gewonnen für weitere Schritte. Auch die nächsten Stunden sind entscheidend“, sagte der Mediziner: „Ich kann nicht so weit gehen zu sagen, dass er außer Lebensgefahr ist.“ Schumacher werde weiter im künstlichen Koma gehalten: „Es ist viel zu früh, von einem Aufweckvorgang zu sprechen.“
Im Vergleich zum Vortag traten die Ärzte jedoch zumindest vorsichtig optimistisch und weniger angespannt vor die Presse. „Der Gesamtzustand ist besser unter Kontrolle als gestern. Der Schädelinnendruck ist zurückgegangen“, sagte Emmanuel Gay, Chef der Neurochirurgie: „Wir können von einer Stabilisierung des Gesamtzustandes sprechen. Darüber waren wir ein bisschen überrascht. Aber er hat noch einen langen Weg vor sich. Er hat immer noch Hämatome über das hinaus, was wir abgeleitet haben, innerhalb des gesamten Gehirns.“ Nach aktuellem Stand ist eine dritte Operation derzeit jedoch nicht vorgesehen.
Saillant ergriff während der Pressekonferenz wiederholt das Wort, vor allem voreilige Schlüsse wollte er verhindern. „Wir sprechen hier nur über objektive Anzeichen, das werden wir weiter transparent offenlegen. Aber es wäre töricht, eine Prognose für morgen, für sechs Monate oder zwei Jahre abzugeben“, sagte Saillant.
Mit täglichen Informationen durch das medizinische Pesonal sei nun zudem nicht mehr zu rechnen: „Es ist nicht vorgesehen, täglich Bericht zu erstatten. Wir werden uns an die Öffentlichkeit wenden, wenn es etwas Neues gibt, da werden wir nichts vorenthalten.“
Schumacher hatte beim Sturz gegen einen Felsen auf einer Skipiste in Meribel/Frankreich am Sonntag ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Nach Medienberichten sei durch die Wucht des Aufpralls der Schutzhelm des Kerpeners gebrochen, die Ärzte bestätigten dies nun nicht. Schumachers Managerin Sabine Kehm widersprach zudem der Darstellung, der Kerpener sei mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. „Er war nicht allzu schnell“, sagte Kehm: „Er hat wohl bei der Schwungauslösung einen Felsen getroffen. Es war eine Verkettung von unglücklichen Umständen.“
Michael Schumacher hat unmittelbar vor seinem schweren Skiunfall einem auf der Piste gestürzten Freund geholfen. Anschließend sei Schumacher in den Tiefschneebereich zwischen zwei Pisten gefahren, berichtete Kehm am Dienstag in Grenoble unter Hinweis auf Schilderungen von Begleitern. Dort sei der 44-Jährige beim Ansatz zu einer Wende gegen eine Felsen gefahren und in die Luft geschleudert worden. Kopfüber sei er dann auf einen Felsen gestürzt, sagte Kehm vor Journalisten.
Die Familie blieb in der Klinik, sie wurde auch in die Entscheidung zur zweiten Operation eingebunden. „Michaels deutscher Arzt und ich wurden ebenfalls mit einbezogen“, sagte Saillant.
Vor dem Krankenhaus hielten einige Fans Nachtwache und stellten Kerzen auf. Auch weltweit nahmen die Menschen weiter Anteil am Schicksal Schumachers. So twitterte der frühere US-Präsident Bill Clinton: „Ich denke heute an Michael Schumacher, ich bin dankbar für alles, was er für die Clinton Foundation und andere getan hat. Meine Gebete sind bei ihm und seiner Familie.“ Schumacher unterstützt die Clinton-Stiftung laut deren Jahresbericht mit mehreren Millionen Euro, er ist ein Großspender in Sachen Wohltätigkeit. In seiner Karriere hat er nach verschiedenen Schätzungen bis zu 600 Millionen Euro verdient.
Die Pressekonferenz im Liveticker
11:32 Uhr: Die PK ist beendet.
11:27 Uhr: Dass der Helm Schumachers beschädigt wurde, können die Ärzte nicht bestätigen.
11:18 Uhr: Das zweite entfernte Hämatom befand sich im Gehirn selbst. Die anderen Hämatome sind nicht zugänglich und können nicht operativ entfernt werden.
11:15 Uhr: Zunächst gehe es weiterhin darum, Anomalien zu entfernen. Weitere Eingriffe sind zunächst nicht geplant.
11:13 Uhr: Schumacher soll weiter in Grenoble bleiben und noch nicht nach Deutschland verlegt werden.
11:10 Uhr: Der Zustand habe sich gestern erstaunlich schnell verbessert, deshalb konnte eine erneute OP durchgeführt werden.
11:08 Uhr: In welchem neurologischen Zustand Schumacher sein wird, wenn er aus dem Koma aufwachen sollte, kann noch niemand beantworten.
11:07 Uhr: Die Familie ist bei ihm. Außer Lebensgefahr ist Schumacher noch nicht.
11:05 Uhr: Eine Prognose wollen die Ärzte nicht abgeben. Schumacher liegt weiter auf der Intensivstation.
11:03 Uhr: Vergangene Nacht (ab 22 Uhr) wurde Schumacher erneut operiert. Ein Hämatom konnte entfernt werden. Dadurch konnte der Hirndruck verringert werden.
11:02 Uhr: Der Druck im Schädel konnte reduziert werden. Der Arzt spricht von einer relativen Verbesserung der Anzeichen.
11 Uhr: Die PK beginnt. Ein neues CT wurde durchgeführt. Es zeigen sich leichte Anzeichen von Besserung.
10:58 Uhr: Die Ärzte schauen ernst drein.
10:55 Uhr: Um 11 Uhr beginnt die Pressekonferenz im Hopital Nord zum Gesundheitszustand von Michael Schumacher.
Große Anteilnahme von ehemaligen Wegbegleitern
Ehemalige Wegbegleiter am Kommandostand, Ex-Rivalen auf der Rennstrecke und auch Nicht-Motorsportler reagierten betroffen auf die schlimmen Nachrichten. „Meine Gedanken sind bei Schumi“, twitterte Deutschlands NBA-Basketballstar Dirk Nowitzki. „Werd bitte schnell wieder gesund“, meinte Fußball-Nationalspieler Lukas Podolski in dem sozialen Netzwerk: „Nur das Beste, mein Freund.“
Und Boris Becker schrieb: „Lasst uns alle beten für @realschumacher michael für eine vollständige und schnelle Genesung!!!“. „Fight Michael!! Meine Kraft und meine Gedanken sind bei euch..!!! FIGHT!!!!!!!“, twitterte Reck-Vizeweltmeister Fabian Hambüchen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat betroffen auf die Nachricht vom schweren Skiunfall des ehemaligen Formel-1-Rennfahrers Michael Schumacher reagiert. „Wie Millionen von Deutschen waren auch die Bundeskanzlerin und die Mitglieder der Bundesregierung außerordentlich bestürzt, als sie von Michael Schumachers schwerem Skiunfall erfahren haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Wir hoffen mit Michael Schumacher und mit seiner Familie, dass er die Verletzungen überwinden und genesen kann. Seiner Frau, seinen Kindern, seinen Angehörigen wünschen wir in diesen schweren Stunden Kraft und Zusammenhalt.“
Vor allem aber in der PS-Szene war die Erschütterung groß. „Ich bin mir sicher: Die Motorsportwelt wird heute Nacht schlecht schlafen“, schrieb Rallye-Rekordweltmeister Sebastien Loeb noch am Sonntagabend. „Michael hat mehr als jeder andere die Kraft das durchzustehen“, meinte Ex-Champion Jenson Button. „Meine besten Wünsche an ihn und seine Familie #gutebesserung“, twitterte Schumachers Landsmann Adrian Sutil.
Das Force-India-Team, für das Sutil in der vergangenen Formel-1-Saison gefahren war, twitterte: „Come on Champion!“ Auch die Organisatoren diverser Grand Prix von Australien bis Singapur schickten via Twitter und Facebook Genesungswünsche.
Denn Schumacher war über viele Jahre die Formel 1. Siebenmal wurde er Weltmeister. 1999 überstand er seinen schwersten Unfall, als er in Silverstone im Ferrari verunglückte. Der Arzt, der damals seinen Schien- und Wadenbeinbruch behandelte, war am Sonntag ebenfalls nach Grenoble gereist. Auch Gérard Saillant zählt zu den Vertrauten des Rheinländers.
So wie vor allem Brawn. Er hatte Schumacher zu dessen Comeback in der Formel 1 bei Mercedes motiviert. 2010 war Schumacher in die Königsklasse des Motorsports nach drei Jahren Pause zurückgekehrt, nachdem er ein geplantes Comeback 2009 für Ferrari wegen der gesundheitlichen Nachwirkungen seines schweren Motorradunfalls im Februar desselben Jahres hatte absagen müssen.
Im Silberpfeil hatte er von 2010 bis einschließlich 2012 an die Erfolge seiner ersten Karriere (1991 bis einschließlich 2006) nicht anschließen können und keinen weiteren Sieg seinen 91 Grand-Prix-Erfolgen hinzufügen können. Mit seiner deutlich lockereren Art sammelte Schumacher aber viele Sympathiepunkte. Einer seiner besten Freunde im Formel-1-Zirkus ist sein Nachfolger Sebastian Vettel. „Ich bin schockiert und ich hoffe, dass es ihm so schnell wie möglich wieder besser geht. Ich wünsche seiner Familie jetzt ganz viel Kraft“, erklärte der viermalige Weltmeister Vettel am Montag.