Das Elend auf den Philippinen ist nach Taifun „Haiyan“ riesig. Tausende Menschen starben. Überlebende warten weiter vergebens auf Hilfe. Jetzt behindert Dauerregen die Helfer.
Manila. Heftiger Dauerregen und anhaltende Probleme bei der Versorgung mit Hilfsgütern haben das Leid von Hunderttausenden Taifun-Überlebenden auf den Philippinen weiter vergrößert. Die Ausläufer eines neuen Sturmtiefs setzten am Dienstag weite Teile des verwüsteten Katastrophengebietes unter Wasser. Trümmerberge behinderten den Abfluss des Wassers. Viele Menschen, die seit Tagen nur unter notdürftig zusammengebauten Dachresten oder Plastikplanen leben, standen in der verwüsteten Stadt Tacloban teils knietief in einer durch Fäkalien, Kadaver und Müll verseuchten stinkenden Brühe.
Immer noch erreicht viele Menschen die Hilfe nicht. Überall haben verzweifelte Überlebende Hilferufe an Container und Hauswände gemalt: „Wir brauchen Essen!“ „Rettet uns!“ „Hilfe!“ steht darauf. Kinder stehen weinend und bettelnd am Straßenrand, berichten Helfer, die im Notstandsgebiet unterwegs sind. „Die Probleme sind immens, das Gebiet ist riesig, aber wir tun alles Menschenmögliche“, versicherte Innenminister Mar Roxas. Die Regierung habe versichert, dass Helfer bis Mittwoch auch die abgelegendsten Regionen erreicht hätten, sagte die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos dem Sender BBC.
Vermutlich Tausende Todesopfer
Die Zahl der Opfer durch den gewaltigsten Taifun, der je an Land kam, ist weiter völlig unklar. Schätzungen gehen in die Tausende. Der Bürgermeister von Tacloban, Alfred Romualdez, sagte CNN, bis Dienstagmorgen seien 250 Leichen geborgen worden. Viele weitere würden unter den Schuttbergen vermutet. Auf der Insel Samar, wo Taifun „Haiyan“ am Freitag über die Küste hereinbrach, seien mehr als 500 Menschen in Massengräbern beigesetzt worden, sagte Gouverneurin Sharee Ann Tan im Rundfunk. 2000 Menschen würden vermisst.
In Tacloban sind alle Geschäfte, in denen Lebensmittel vermutet wurden, geplündert, berichten Lokalsender. In ihrer Verzweiflung sind Leute auf selbst gebauten Flößen vor der Küste unterwegs und versuchen, mit bloßer Hand Fisch zu fangen. Zwei Männer haben ein Schwein geschlachtet und tragen es im strömenden Regen an einer Stange durch Tacloban. „Wir wollen kein Geld, kein Handy, wir können im Freien schlafen, wir brauchen nur eins: Essen“, fleht eine junge Frau im Fernsehen. Im strömenden Regen belagern Verzweifelte mit behinderten Angehörigen und kranken Babys den Flughafen und hoffen, ausgeflogen zu werden. Die Plätze in den Maschinen reichen bei weitem nicht. Soldaten halten sie davon ab, das Rollfeld zu stürmen.
Tote werden auf Verkehrsinseln begraben
Aus aller Welt traf Hilfe auf den Philippinen ein. Energiekekse des Welternährungsprogramms, Fertigbauteile für Hütten aus Malaysia, Räumgerät aus Japan. Der Regierungssender zeigt die Lufthansa- Maschine, die mit Medizingerät und Decken aus Frankfurt in Manila gelandet ist. Tag und Nacht sortieren dort 2000 Freiwillige Essenspakete: In jede Plastiktüte kommen Reis, Sardinen, Kekse. Das Problem ist nach wie vor, die Tüten zu den Bedürftigen zu bekommen.
Ein Team des Senders ABS-CBN erreichte die fast völlig zerstörten Ortschaften Dulag, Tolosa und Palo gut 20 Kilometer südlich von Tacloban. Sie haben seit dem Durchzug des verheerenden Taifuns „Haiyan“ am Freitag noch keine Hilfe bekommen. Auf einer Verkehrsinsel zwischen den Fahrspuren der Hauptstraße seien dort zahlreiche Tote notdürftig begraben worden, berichteten die Reporter.
„Die gute Nachricht ist, dass der Mobilfunk wieder funktioniert“, sagte Innenminister Roxas. Auf Strom werden die Menschen noch mindestens zwei Monate warten müssen, sagte Energieminister Jericho Petilla im Fernsehen. Zu viele Strommasten seien umgestürzt. Weil auch Tankstellen zerstört wurden, wurde der Benzinverkauf auf der Insel Leyte rationiert, bis Nachschub kommt.
Spenden laufen an
Die Europäische Union stocke ihre Sofortspende von drei Millionen Euro um zehn Millionen Euro auf, sagte Entwicklungskommissar Andris Piebalgs in Manila. „Das Ausmaß der Schäden ist noch unklar, aber eines steht fest: Die Lage ist katastrophal.“ Deutschland hebt seine Hilfe um eine Million Euro an, wie der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Rande politischer Gespräche in Neu Delhi sagte. Das Geld geht an deutsche Hilfsorganisationen. Am Wochenende hatte Berlin bereits 500.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Die Vereinten Nationen riefen ihre 193 Mitgliedsländer zu Spenden in Höhe von 301 Millionen US-Dollar (225 Millionen Euro) auf. „Die Philippinen haben schon viele Katastrophen erlebt, aber keine, die so zerstörerisch war und so viele Menschenleben gefordert hat“, sagte UN-Nothilfekoordinatorin Amos in Manila. Die Spenden seien zusätzlich zu den bereits zugesagten 25 Millionen Dollar nötig.
In der Nacht zu Dienstag startete der US-Flugzeugträger „USS George Washington“ aus Hongkong „mit Volldampf“ in Richtung Philippinen, sagte ein Pentagon-Sprecher in Washington. Er hat 5000 Marinesoldaten und mehr als 80 Flugzeuge und Helikopter an Bord.
Die US-Regierung spendete 20 Millionen Dollar (15 Millionen Euro). Auch Großbritannien entsandte ein Schiff, ein Transportflugzeuge, Ärzte und Sanitäter. Insgesamt hat die Regierung bisher 10 Millionen Pfund (11,9 Millionen Euro) Unterstützung zugesagt.
Der Wetterdienst stufte das Sturmtief „Zoraida“, das sich vor der Ostküste zusammengebraut hatte, unterdessen am Dienstag herab. Das heißt, die Winde sollten nicht so heftig werden wie befürchtet. Regen bringt es trotzdem. Das Tief sollte Mittwoch und Donnerstag südlich am Katastrophengebiet vorbeiziehen.