Der verheerende Taifun „Haiyan“ hat Vietnam und China erreicht, Hunderttausende sind auf der Flucht. Auf den Philippinen könnte die Zahl der Toten auf deutlich mehr als 10.000 steigen.
Hanoi/Manila. Taifun „Haiyan“ hat am späten Sonntagabend die Küste Vietnams erreicht. Der Wirbelsturm traf um vier Uhr morgens Ortszeit (22 Uhr MESZ) etwa 160 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Hanoi auf Land, wie das US-amerikanische Taifun-Warnzentrum JTWC mitteilte.
„Haiyan“ schwächte sich nach Angaben der Meteorologen inzwischen deutlich ab und erreichte Windgeschwindigkeiten von 120 Stundenkilometern. Landesweit mussten 800.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Weil der Taifun seine Richtung änderte, dürften sich das betroffene Gebiet nach Angaben des vietnamesischen Roten Kreuzes von neun auf mindestens 15 Provinzen vergrößern.
„Haiyan“ ist einer der heftigsten Tropenstürme aller Zeiten. Am Freitag war er mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 300 Stundenkilometern auf die ostphilippinischen Inseln Leyte und Samar getroffen. Dabei hinterließ er eine Schneise der Verwüstung in dem südostasiatischen Land.
Noch keine Todesopfer in Vietnam
Nach ersten Berichten kam in Vietnam bislang niemand ums Leben. „Der stellvertretende Regierungschef Hoang Trung Hai lobte die örtlichen Behörden für ihre guten Vorbereitungen“, berichtete das örtliche Fernsehen.
Betroffen von „Haiyan“ war auch die bei Touristen beliebte Ha-Long-Bucht gut 120 Kilometer östlich von Hanoi. „Touristen sind nicht zu Schaden gekommen und nicht in Gefahr“, betonte der Vizedirektor der Tourismusbehörde in der Provinz Quang Ninh, Tran Van Luan.
Die Bootsausflüge in die Bucht seien schon am Sonntag eingestellt worden. Am Dienstag gehe der Betrieb dann weiter. In der Region beginnt gerade die Hochsaison. Dort werden nach Angaben der Behörde täglich 2000 ausländische Touristen erwartet.
„Haiyan“ erreicht China – mindestens drei Tote
Auch in der südchinesischen Provinz Hainan verursachte „Haiyan“ Tod und Zerstörung. Mindestens drei Menschen starben, als heftiger Sturm und sintflutartige Regenfälle am Montag auf die östlich von Nordvietnam gelegene Inselprovinz trafen, wie das Büro für Zivile Angelegenheiten der Region mitteilte. 39.000 Bewohner mussten in Sicherheit gebracht werden.
Eine siebenköpfige Crew eines Frachtschiffs galt nach Angaben der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua am Montag vor der Küste Hainans als vermisst. Auch die nahe gelegenen südchinesischen Provinzen Guangxi und Guangdong wurden laut der Agentur von den Ausläufern „Haiyans“ getroffen.
UN schätzt Zahl der Betroffenen auf 9,5 Millionen
Auf den Philippinen wächst inzwischen die Verzweiflung unter den Überlebenden. Der Flughafen der zerstörten Stadt Tacloban wird nach Angaben von Augenzeugen von Hunderten Menschen belagert, die dringend auf Trinkwasser und Nahrungsmittel hofften. Die ersten Flüge brachten Mediziner, die am Flughafen notdürftig eine Krankenstation einrichteten. Tausende Tonnen Hilfsgüter sind unterwegs, aber die Verteilung ist schwierig, weil in den Straßen meterhoch Schutt liegt.
Auf den Philippinen ist die Zahl der offiziell bestätigten Todesopfer auf 942 gestiegen, wie ein Militärsprecher mitteilte. Weitere 275 Menschen würden vermisst. Es wird erwartet, dass die Zahl der Toten noch stark steigen wird. Am Sonntag hatten Behörden erklärt, sie rechneten mit mehr als 10.000 Toten.
Der Polizeichef der Provinz Leyte, Elmer Soria, sagte örtlichen Medien, viele Orte entlang der Küsten seien von Rettungskräften noch gar nicht erreicht worden. Daher sei zu befürchten, dass die bisherige Zahl von 10.000 Getöteten noch steigen werde. Der Katastrophenschutz erklärte, nach bisherigem Stand seien rund 480.000 Menschen obdachlos geworden. Die Zahl der vom Taifun betroffenen Menschen liege bei etwa 4,5 Millionen. Nach UN-Angaben handele es sich um 9,5 Millionen Betroffene.
Nach der Katastrophe drohen Seuchen
Auf den Philippinen droht nun die Ausbreitung von Seuchen wie Typhus und Cholera. Verschmutztes Trinkwasser, fehlende sanitäre Anlagen und die zerstörte medizinische Grundversorgung sind entscheidende Gründe dafür. Anwohner sprachen von unvorstellbarem Verwesungsgeruch in den Straßen. Die Lokalbehörden bereiteten Massengräber vor.
„Wir haben nichts, hier kommt nichts an“, sagte Gilda Mainao am Montag aus Tacloban im Rundfunk. „Bitte, bitte schickt uns Hilfe.“ Reporter des Senders ANC erreichten inzwischen mit Mopeds erstmals den Ort Guiuan weiter östlich, wo der Taifun am Freitagmorgen über die Küste hereinbrach. Dort lebten vorher 50.000 Menschen.
Die Reporter zeigen Bilder unglaublicher Verwüstung: Der Rest eines Kirchturms ragt in die Luft. Tonnenschwere Gesteinsbrocken sind meterweit verstreut. Viele Häuser und Hütten sind zerstört. Noch kein Helfer hat den Ort erreicht. Panik scheint es nicht zu geben – vielmehr laufen die Menschen wie betäubt durch die Straßen. Einige suchen in den Trümmern, die kilometerlang die Küste bedecken, nach Brauchbarem.
US-Soldaten in die Krisenregion verlegt
Angesichts des verheerenden Ausmaßes der Katastrophe wurde weltweit Hilfe mobilisiert. So sagten die USA den Philippinen umfangreiche Hilfsleistungen zu. In das Krisengebiet sollen Soldaten und militärische Ausrüstung entsandt werden, wie das Verteidigungsministerium am Sonntag (Ortszeit) in Washington mitteilte.
Der Fokus liegt nach Angaben der Armee zunächst auf Such- und Rettungsmaßnahmen sowie der logistischen Unterstützung. Ein Expertenteam sei vor Ort, um die benötigte Unterstützung abzuschätzen, sagte ein Militärsprecher. 90 Soldaten und Matrosen einer Eingreiftruppe sowie zwei Flugzeuge wurden den Angaben zufolge bereits am Samstag aus Japan in die Krisenregion verlegt. Auch zwei Flugzeuge, die für eine Militärübung in Japan im Einsatz waren, seien mobilisiert worden. Darüber hinaus sollen Hubschrauber zum Einsatz kommen.
US-Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle zeigten sich am Sonntag bestürzt über das Ausmaß der Zerstörung. Er sei „tief betrübt“ über die Opfer des Unwetters und den Schaden, den der Taifun angerichtet habe, erklärte Obama und betonte die Bereitschaft der USA, die philippinische Regierung bei den „Hilfs- und Bergungsmaßnahmen“ zu unterstützen.
Japan schickt medizinisches Hilfsteam
Japan will ein Hilfsteam mit medizinischem Know-how auf die Philippinen entsenden. Das kündigte Kabinettssekretär Yoshihide Suga am Montag in Tokio vor Journalisten an.
Das 25-köpfige Team besteht demnach aus Ärzten, Krankenschwestern und Pharmazeuten. „Wir werden so viel Unterstützung wie möglich bereitstellen, um der Not der Katastrophengebiete und der philippinischen Regierung zu begegnen“, fügte Suga hinzu. Tokio hat bereits zwei Beamte des Außenministeriums auf die Philippinen entsandt, die das Ausmaß der Schäden einschätzen sollen.
Deutschland zu weiteren Hilfen bereit
Deutschland ist zu weiteren Hilfen für die Philippinen nach der Taifun-Katastrophe bereit. Mit den philippinischen Partnern werde zunächst ermittelt, wie hoch der konkrete Bedarf sei und wie Deutschland helfen könne, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
Die Bundesregierung hatte 500.000 Euro Soforthilfe zugesagt, die EU-Kommission drei Millionen Euro. Auch andere Regierungen sowie zahlreiche Hilfsorganisationen leiteten Unterstützungsmaßnahmen ein. Auch der Hamburger Senat hat seine Unterstützung angeboten. Insgesamt waren mehr als vier Millionen Menschen von den Auswirkungen des Wirbelsturms betroffen.
Prominente trauern um Taifun-Opfer
Prominente wie Rihanna und George Clooney haben am Wochenende bestürzt auf die Taifun-Katastrophe auf den Philippinen reagiert. „Bitte schließt die Menschen auf den Philippinen in eure Gebete ein. Ich war kürzlich noch dort, und es bricht mir echt das Herz“, twitterte die R&B-Sängerin Rihanna, 25.
„Ich bin im Herzen bei allen, die von dem schrecklichen Taifun auf den Philippinen betroffen sind. Ich sende euch meine Gebete“, schrieb Ex-Boxer Mike Tyson, 47, über den Kurznachrichtendienst.
Schauspieler Clooney, 52, sprach am Wochenende am Rande einer Preisverleihung in Los Angeles von einer „schrecklichen“ Katastrophe. Er gehe davon aus, dass Prominente für die Opfer eine Wohltätigskeitsveranstaltung organisieren werden, ähnlich wie nach dem Erdbeben auf Haiti im Jahr 2010 und Hurrikan „Katrina“ in New Orleans vor acht Jahren.
Folgende Hilfsorganisationen haben Spendenkonten eingerichtet:
Aktion "Deutschland Hilft": Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, Stichwort: "Taifun Haiyan", oder unter www.aktion-deutschland-hilft.de
Unicef: Konto 300 000; Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, Stichwort "Taifun"
Kindernothilfe: Konto 45 45 40, Bank für Kirche und Diakonie eG – KD Bank, BLZ 350 601 90, Stichwort: "Z57482, Soforthilfe Philippinen"
Caritas international: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00, Stichwort: "Nothilfe Taifun" oder unter www.caritas-international.de
Diakonie Katastrophenhilfe: Konto 502 502, Ev. Darlehensgenossenschaft. BLZ 210 602 37, Stichwort: "Philippinen"
Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.: Konto 8888, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, Stichwort: "Taifun Haiyan", oder unterwww.johanniter-helfen.de
Deutsches Rotes Kreuz (DRK): Konto 414141, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00 , oder unterhttp://www.drk.de/index.php?id=5282&vwz=1000
Malteser Hilfsdienst e. V.: Konto 120 120 001 2, Pax-Bank, BLZ 370 601 20, Stichwort: "Taifun", oder unter www.malteser-spenden.de
I.S.A.R. Germany: Konto 118 25 00, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00, oder unter http://www.isar-germany.de/spenden/formular-1
Medico International: Konto 1800, Frankfurter Sparkasse, BLZ 500 502 01, Stichwort: "Philippinen"
"Help – Hilfe zur Selbsthilfe": Konto 2 4000 3000, Commerzbank Bonn, BLZ 370 800 40, Stichwort: "Taifun Haiyan", oder unter www.help-ev.de