Mittlerweile ist von 30.000 Todesopfer die Rede. Die Schäden werden auf 523 Millionen Euro geschätzt. Auf Strom werden die Menschen noch mindestens zwei Monate warten müssen. Deutschland sagt den Philippinen eine Million Euro mehr zu als zunächst geplant.
Manila. Die Hilfe für Hunderttausende Taifun-Opfer auf den Philippinen läuft auf Hochtouren. Am Flughafen von Tacloban kamen am Dienstag mehr Frachtmaschinen mit Hilfsgütern an. Mobilfunksignale waren teilweise wieder hergestellt. Ein US-Flugzeugträger ist unterwegs ins Notstandsgebiet, die Besatzung soll die Verteilung der Hilfsgüter für Hunderttausende Überlebende des Taifuns „Haiyan“ unterstützen. Deutschland stockt die Soforthilfe um eine Million Euro auf.
Die dringend erwartete Hilfe kommt in Gang – doch am Dienstag bedrohte ein neues Unwetter die Rettungsarbeiten. Die ersten Ausläufer von Tropensturm „Zoraida“ erreichten die Basis der Hilfe im Notstandsgebiet, die Stadt Tacloban auf der Insel Leyte, mit heftigen Regenschauern. Soldaten mussten Hunderte Menschen zurückhalten, die in strömendem Regen auf das Rollfeld drängten. Diese hofften, mit einer der Militärmaschinen aus dem Katastrophengebiet zu entkommen.
Mindestens 10.000 Todesopfer erwartet
Nach Angaben des Bürgermeisters von Tacloban, Alfred Romualdez, wurden in der Stadt bislang 250 Leichen geborgen. Die Schuttberge erschwerten die Suche nach weiteren Opfern, sagte er dem Sender CNN am Dienstag. Viele Tote würden auch noch in umliegenden, kleineren Dörfern vermutet. Der Zugang zu diesen sei noch immer sehr schwer. Die Bevölkerung benötige am dringendsten Nahrungsmittel, Wasser und Unterkünfte.
Am Dienstag wurden 1774 Personen amtlich als tot gemeldet. Nach Angaben der Regierung in Manila wurden bislang 2.487 als Verletzte registriert, 82 werden offiziell vermisst. Die tatsächliche Zahl der Toten und Verletzten dürfte nach Schätzungen von Hilfsorganisationen um ein Vielfaches höher liegen. Es wird befürchtet, dass durch den Wirbelsturm Haiyan am Wochenende mehr als 30.000 Menschen ums Leben kamen.
Die Zahl der vom Taifun Betroffenen wurde unterdessen von der philippinischen Regierung auf 6,94 Millionen nach unten korrigiert. Zuvor war von 9,5 Millionen Betroffenen die Rede gewesen. 66.900 Familien mit insgesamt 320.000 Personen sind laut Regierung in 1135 Notaufnahmelagern einquartiert worden. Die Zahl der als beschädigt gemeldeten Häuser stieg auf 41.200. Von diesen seien 21.230 komplett zerstört, so der staatliche Katastrophenschutz.
Auf Strom werden die Menschen noch mindestens zwei Monaten warten müssen, sagte Energieminister Jericho Petilla im Fernsehen. Zu viele Strommasten seien umgestürzt. Weil auch Tankstellen von den verheerenden Winden zerstört wurden, musste der Benzinverkauf auf der Insel Leyte rationiert werden.
Auf der Insel Samar weiter östlich, wo Taifun „Haiyan“ am Freitag als erstes über die Küste hereinbrach, seien mehr als 500 Menschen in Massengräbern beigesetzt worden, sagte die zuständige Gouverneurin Sharee Ann Tan im Rundfunk. 2000 Menschen würden vermisst.
Deutschland hebt Hilfe um eine Million Euro an
In der Nacht zu Dienstag startete der US-Flugzeugträger „USS George Washington“ aus Hongkong „mit Volldampf“ in Richtung Philippinen, wie ein Pentagon-Sprecher in Washington sagte. Er hat 5000 Marinesoldaten und mehr als 80 Flugzeuge und Helikopter an Bord.
Begleitet werde er von zwei Kreuzern und einem Zerstörer der US-Marine. Zwei weitere Schiffe seien bereits unterwegs. Die Schiffe und Hubschrauber mit ihren Besatzungen sollten helfen, Hilfsgüter zu verteilen. Die Soldaten sollten auch bei der medizinischen Versorgung eingesetzt werden.
Die Vereinten Nationen bitten für die Versorgung der Überlebenden von Taifun „Haiyan“ um finanzielle Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe. Sie veröffentlichten am Dienstag in Manila einen Spendenaufruf an ihre 193 Mitgliedsländer in Höhe von 297 US-Dollar (222 Millionen Euro).
„Es ist noch zu früh, das Ausmaß der Schäden zu beziffern, aber es ist klar, dass der Bedarf groß ist“, sagte Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in Manila. „Die Philippinen haben schon viele Katastrophen erlebt, aber keine, die so zerstörerisch war und so viele Menschenleben gefordert hat.“ Der Spendenaufruf gelte zusätzlich zu den 25 Millionen Dollar, die die UN bereits zur Verfügung stellten, sagte Amos.
Die US-Regierung kündigte zudem humanitäre Hilfe in Höhe von 20 Millionen Dollar (15 Millionen Euro) an, darunter 55 Tonnen Nahrungsmittel und wichtige Hygieneartikel. Eine erste Ladung zur Versorgung von etwa 10.000 Familien sei auf dem Weg.
Deutschland hebt seine Hilfe um eine Million Euro an, wie der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nach Gesprächen mit dem philippinischen Außen-Staatssekretär Evan Garcia in Neu Delhi mitteilte. Das Geld geht an die deutschen Hilfsorganisationen, die Verletzten und Obdachlosen vor Ort helfen. Am Wochenende hatte die Bundesregierung bereits 500.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Die Europäische Union hat die Hilfe von drei auf zehn Millionen Euro aufgestockt, sagte der Entwicklungskommissar Andris Piebalgs in Manila: „Das Ausmaß der Schäden ist noch unklar, aber eines steht fest: Die Lage ist katastrophal.“ Überall haben verzweifelte Überlebende Hilferufe an Container und Hauswände gemalt: „Wir brauchen Essen!“ „Rettet uns!“ „Hilfe!“ steht da.
Acht Tote durch „Haiyan“ in China
Nach seinem Zerstörungszug über die Philippinen hat Taifun „Haiyan“ als Tropensturm im Süden Chinas mindestens acht Menschen in den Tod gerissen. Betroffen war vor allem die Insel Hainan, wie der Sender National Radio am Dienstag berichtete. Dort habe der Sturm ein Frachtschiff von seinem Ankerplatz losgerissen, woraufhin es aufs offene Meer hinausgetrieben sei. Laut dem Bericht wurden drei Leichen geborgen, vier Crewmitglieder werden noch vermisst.
Bis Dienstag wurden vier weitere Todesfälle in Hainan bestätigt. Darunter waren zwei Menschen, die von herabfallen Gegenständen getroffen wurden. Eine weitere Person ertrank in Guangxi, wie der chinesische Nachrichtendienst berichtete.
Zudem richtete „Haiyan“ Schäden im Umfang von bis zu 700 Millionen Dollar (rund 523 Millionen Euro) an. Betroffen war vor allem die Landwirtschaft, die Forstindustrie, Geflügelfarmen und die Fischerei.
„Haiyan“ ist Augenöffner für den Klimawandel
Nach Einschätzung von Klaus Töpfer ist „Haiyan“ ein weiterer Augenöffner für den Klimawandel. „Es ist eine zusätzlich auch emotionale Unterstützung ganz ohne jeden Zweifel – wer kann kühl bleiben bei diesen Bildern?“, sagte der Direktor vom Institut für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Es sei Fakt und keine Spekulation, dass solche Stürme häufiger kämen und dass sie stärker würden, so der ehemalige Bundesumweltminister.