Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde wirbelt „Sandy“ vor New York. Die aktuelle Lage hier im Liveticker.

New York/Washington. Die Furcht vor Hurrikan „Sandy“ hat das öffentliche Leben an der US-Ostküste weitgehend lahmgelegt. Schon vor seinem Eintreffen wirbelte der Sturm das Leben von Millionen Menschen durcheinander. Tausende Flüge fielen aus, darunter auch Verbindungen nach Deutschland. In den Metropolen New York und Washington stand der Nahverkehr komplett still. Verfolgen Sie die aktuelle Lage hier im Liveticker.


23.50 Uhr: Rettungskräfte der US-Küstenwache haben am Montagabend (Ortszeit) eines der beiden noch vermissten Crew-Mitglieder des Filmschiffs „Bounty“ gerettet. Die 42 Jahre alte Frau sei ohnmächtig aus dem Wasser gezogen und in ein Krankenhaus gebracht worden, berichteten US-Medien. Der 63 Jahre alte Kapitän des Schiffes, das wegen des Hurrikans „Sandy“ in Seenot geraten war, werde weiter vermisst. Die 16 Mann starke Besatzung hatte den aus dem Hollywood-Klassiker bekannten Großsegler am frühen Montagmorgen etwa 150 Kilometer südöstlich von North Carolina aufgegeben, war in Rettungsboote gestiegen und hatte Hilfsrufe gefunkt.

23.15 Uhr: Menschenleere Millionenmetropole: Kurz bevor Monstersturm „Sandy“ an der US-Ostküste an Land gehen sollte, wirkten die Straßen von New York am Montagabend (Ortszeit) wie leergefegt. Bei strömendem Regen starken Windböen hatten die meisten Menschen die Anweisungen von Bürgermeister Michael Bloomberg befolgt und waren zu Hause geblieben oder hatten in Notunterkünften Schutz gesucht. Nur einige wenige hasteten in Regenjacken und mit Schirmen über die Straßen, um ihre Hunde auszuführen oder in letzter Minute noch etwas einzukaufen. Blätter, Papierschnipsel und kleinere Äste wurden vom Wind durch die Häuserschluchten gewirbelt.

Auf den Straßen fuhren nur wenige Autos und Taxis. Busse, U-Bahnen, Fähren und Regionalzüge waren bereits am Sonntagabend vorsorglich in die Depots gebracht worden – den Behörden zufolge einerseits, weil das in einer Metropole wie New York mehrere Stunden dauert und andererseits, weil die Menschen davon abgehalten werden sollten, aus dem Haus zu gehen. Auch einige Brücken und Tunnel wurden am Montagnachmittag gesperrt. Die Vereinten Nationen, die Börse, Parks, Bibliotheken, Opern, Theater, Universitäten, Schulen, Büros und viele Geschäfte blieben geschlossen.

22.20 Uhr: Mitten im stürmischen Regen von „Sandy“ hat ein einsamer Musiker in New York Trompete gespielt. Der Franzose Jacques LeTalon stand am Montag (Ortszeit) mit Schal und Mantel in der Upper East Side und blies gefühlvolle Jazzmelodien. „Ich komme gerade aus New Orleans“, sagte LeTalon der dpa. „Dort ist man ja Kummer mit Wirbelstürmen gewohnt. Und wenn einer kommt, machen die Menschen einfach Musik. Und ich dachte mir: So sollten wir doch auch reagieren.“ Statt New Orleans Blues spiele er aber New Yorker Jazz. „Dummerweise haben wir nicht die Temperaturen von New Orleans.“

21.45 Uhr: Der Supersturm „Sandy“ wird nach Berechnungen von Metereologen gegen Mitternacht (MEZ) das Festland der US-Ostküste erreichen. Der Sturm der Kategorie 1 sei nur noch 180 Kilometer von der Casino-Stadt Atlantic City entfernt, teilte das Nationale Hurrikan-Zentrum am Montag mit. In den Küstenstädten brachten sich bereits Hunderttausende Anwohner aus den ufernahen Regionen in Sicherheit, Tausende Geschäfte bleiben geschlossen. Busse und Bahnen blieben vielerorts seit Sonntagabend in den Depots, Flugverbindungen wurden gestrichen. Die Wetteragentur sagte ein lebensbedrohliches Anschwellen des Sturmes, Böen in Hurrikan-Stärke an der Künste und heftige Schneefälle in den Appalachen voraus. In New York sind bereits mehr als eine Million Menschen ohne Strom.

21.18 Uhr: Die Wechselfrist in der US-amerikanischen Football-Profiliga NFL wird wegen „Sandy” um zwei Tage nach hinten verschoben. Statt bis Dienstag dürfen die Klubs nun bis Donnerstag neue Spieler verpflichten. Der Wirbelsturm sollte noch am Montag auf die Ostküste treffen. Die NFL und viele Klubs hatten ihre Büros am Montag geschlossen. Dadurch sei es nicht möglich, die für Transfers notwendigen Papiere zu bearbeiten, hieß es in einer Mitteilung der Liga. Unmmittelbar vor dem Saisonbeginn Anfang September hatte die NFL schon einmal die Wechselfrist verschoben. Neuer Stichtag war der Dienstag nach dem achten Spieltag. Davor waren Trades nur bis zum Dienstag nach der sechsten Woche der Spielzeit möglich gewesen.

20.56 Uhr: Die nach dem Tropensturm „Sandy“ in der Karibik vermissten Franzosen sind wohlauf. Nach Angaben der Rettungskräfte waren die vier Männer und zwei Frauen während des Unwetters nicht wie vermutet in einem Boot unterwegs. Sie kehrten demnach erst am Montag von einem Ausflug auf eine Nachbarinsel nach Martinique zurück. Zu diesem Zeitpunkt war „Sandy“ schon vorbeigezogen. Nach Angaben des Transportministeriums in Paris war am Montag zu Wasser und zu Luft nach den Franzosen gesucht worden. Es war befürchtet worden, dass ihr Boot während des Unwetters zwischen den Inseln Martinique und Dominica gekentert sein könnte. In der Karibik starben wegen „Sandy“ nach jüngsten Angaben 67 Menschen, davon allein in Haiti 51.

20.45 Uhr: Die Schiffe der Navy, die im Hafen Norfolk im Bundesstaat Virginia liegen, werden verlegt. 61.000 Mitglieder der Nationalgarde sind in Katastrophen-Bereitschaft. Vielerorts sichern Menschen ihre Häuser mit Brettern und Sandsäcken. Für Inseln vor New York und für die Bewohner von Inseln vor New Jerseys Küste wie Long Beach Island gab es Evakuierungsbefehle.

19.21 Uhr: Stunden vor „Sandy“ haben die New Yorker noch auf den Straßen getanzt: Tausende Fußgänger haben am Montag die wegen des Sturms gesperrten Stadtautobahnen Manhattans erobert. Viele spazierten einfach über die sechsspurigen Schnellstraßen, die sonst von Hunderttausenden Autos verstopft werden. Manche tanzten sogar. „Ich will einfach diese einmalige Gelegenheit nutzen“, sagte eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter. „Wir lachen „Sandy“ einfach ins Gesicht und tanzen auf den Straßen.“ Allerdings sei sie Realistin: „Wenn der Sturm dann da ist, sind wir wieder drin. Und lachen da.“

19.02 Uhr: In Erwartung des Hurrikans hat US-Präsident Barack Obama Millionen Bürger eindringlich ermahnt, auf Sturmwarnungen zu hören und Evakuierungsaufforderungen zu befolgen. Zwar stünden Lebensmittel, Wasser und Notstromaggregate bereit, sagte Obama am Montag. Doch er warnte: „Das wird ein schwieriger Sturm werden.“ Längere Stromausfälle und Verkehrsbehinderungen seien möglich.

18.44 Uhr: „Sandy“ hält die Börsianer einen weiteren Tag von der Arbeit ab. Der Handel an der New York Stock Exchange werde auch am Dienstag ausfallen, teilte der Börsenbetreiber NYSE Euronext am Montag mit. Weil der Nahverkehr stillsteht, können die Händler nicht zur Arbeit kommen. Zudem liegt die Wall Street in einer Gegend, die überflutungsgefährdet ist. Ab Mittwoch soll die Börse dann wieder öffnen, sofern es die Wetterbedingungen zulassen.

Erstmals seit 27 Jahren blieb die New Yorker Börse am Montag wetterbedingt geschlossen. In den Küstenstädten brachten sich Hunderttausende Anwohner aus den ufernahen Regionen in Sicherheit, Tausende Geschäfte öffneten nicht. Busse und Bahnen blieben vielerorts seit Sonntagabend in den Depots, Flugverbindungen wurden gestrichen, die Fernbahn Amtrak stellte küstennahe Verbindungen ein. Präsident Barack Obama sagte Wahlkampf-Termine in Florida und Wisconsin ab, um sich ganz dem Krisenmanagement zu widmen. Rund 50 Millionen Amerikanern drohen Stromausfälle, Überschwemmungen und Schäden in Milliardenhöhe.

Auf seinem Weg zu den USA hat „Sandy“ wahrscheinlich zwei weitere Menschenleben gefordert, nachdem der Hurrikan in der Karibik mindestens 66 Menschen den Tod brachte. Die US-Küstenwache rettete mit Helikoptern 14 von 16 Besatzungsmitgliedern des Dreimasters „Bounty“. Zwei Mitglieder der Besatzung des Nachbaus der historischen „HMS Bounty“ werden in den aufgewühlten Gewässern vermisst. Auf dem Nachbau wurde der Film „Die Meuterei auf der Bounty“ gedreht, der auf historischen Begebenheiten beruht.

Der Sturm der Kategorie 1 soll nach den Berechnungen der Meteorologen Montagnacht nahe der Casino-Stadt Atlantic City auf die US-Küste treffen. Das Nationale Hurrikan-Zentrum sagte ein lebensbedrohliches Anschwellen des Sturmes, Hurrikan-starke Böen an der Künste und heftige Schneefälle in den Appalachen voraus. Das Unwetter nahm an Stärke zu: Waren um 2.00 Uhr früh Ortszeit noch Windgeschwindigkeiten von 120 Kilometern pro Stunde gemessen worden, hatten diese drei Stunden später 140 km/h erreicht.

Meteorologen erklärten, bei Sandy handele es sich um einen seltenen Super-Sturm, bei dem arktische Luftströme sich um den aus den Tropen kommenden Wirbelsturm wickeln würden. Die Folge können unter anderem sintflutartige Regenfälle mit bis zu 30 Zentimetern Niederschlag sein. In den Höhenzügen kann bis knapp einen Meter Schnee fallen. Vom Auge des Sturms bis zu seinen entferntesten Ausläufern liegen mehr als 800 Kilometer – ein enormes Ausmaß, für das Sandy als einmalig eingestuft wird.

Um Händler und Mitarbeiter zu schützen, wurde die New Yorker Börse am Montag nicht geöffnet. Die Zwangspause soll auch noch Dienstag andauern. In Deutschland machte sich der Supersturm im Aktienhandel bereits negativ bemerkbar: Die Versicherungswerte Münchener Rück, Allianz und Hannover Rück gaben wegen erwarteter Schadensfälle nach. Analysten der Investmentbank JPMorgan gingen aber davon aus, dass es nur eine geringe Wahrscheinlichkeit gebe, dass Sandy eine Spur der Verwüstung hinter sich lässt, wie Hurrikan „Ike„ 2008. Damals hatte einen Schaden in Höhe von 40 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) angerichtet.

Die auf Risikoabschätzung spezialisierte Firma Eqecat teilte am Montag mit, sie rechne mit versicherten Verlusten von fünf bis zehn Milliarden Dollar. Die wirtschaftlichen Schäden dürften sich demnach auf zehn bis 20 Milliarden Dollar belaufen. Einbußen verzeichneten auch die Lufthansa, die 13 Flüge strich. Bei Air Berlin waren es zehn Ausfälle, und bei Austrian waren vier Verbindungen betroffen.

Neun Bundesstaaten erklärten den Notstand. „Dies ist ein ernster und großer Sturm“, warnte Obama. Das Land müsse gewappnet sein. Obama stimmte die Amerikaner auf tagelange Stromausfälle ein. Die Aufräumarbeiten würden länger dauern, sagte er. Der Präsident forderte die Bürger auf, den Evakuierungsbefehlen der örtlichen Behörden Folge zu leisten. Über die Auswirkungen des Sturms auf die Präsidentenwahl am 6. November mache er sich keine Sorgen.

Das Weiße Haus teilte mit, Obama wolle in Washington bleiben, um schnell auf „Sandy“ reagieren zu können. Wie Obama sagte auch sein Herausforderer Mitt Romney Wahlkampftermine ab. Klar ist, dass solche Ereignisse entscheidend sein können. Der Amtsvorgänger von Obama, George W. Bush, hatte schwere Einbußen in seinen Umfragewerten, als er sich erst spät um das 2005 durch den Hurrikan „Katrina“ überflutete New Orleans kümmerte.

In New York ordnete Bürgermeister Michael Bloomberg an, 375.000 Menschen in Sicherheit bringen zu lassen. Die Anweisung gilt für Bewohner schicker Appartements im Süden Manhattans genauso wie für Mieter von Sozialwohnungen in Ufernähe außerhalb. In Manhattan blieben viele Geschäfte geschlossen, weil Angestellte wegen des eingestellten öffentlichen Personennahverkehrs nicht zur Arbeit fahren konnten. Das Oberste Bundesgericht wird deshalb am Dienstag nicht zusammenkommen.

Viele Geschäftsleute suchten aber trotzdem nach Wegen, ihre Läden geöffnet zu lassen. So sagte etwa Clarence Ricketts, Manager einer Filiale der Apotheken- und Drogeriekette Walgreens am weltberühmten Times Square: „Wir werden geöffnet haben, egal was kommt.“ Falls seine Mitarbeiter nach Hause müssten, werde er ihnen das Taxi bezahlen. Für die anderen habe er in den Büros im fünften Stock Luftmatratzen bereitstellen lassen.

Auch im bekannten Lokal Manhattan's Corner – berühmt für seine griesgrämigen Kellner und großen Burger – will man nicht schließen. Als beim großen Stromausfall 2003 ein Manager die Bar zumachen wollte, wurde er gefeuert. „Das Bistro macht nur an Thanksgiving und Weihnachten zu, und dabei bleibt's“, sagte Barkeeper Jeff Sheehan.