Zehn Tage nach dem Blutbad im Dresdner Landgericht haben 1500 Menschen der erstochenen Ägypterin gedacht. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering mahnte politische Konsequenzen an.
Dresden. Rund 1500 Menschen haben am Samstag in Dresden mit einer Trauerfeier der in einem Gerichtssaal erstochenen Ägypterin gedacht. Dabei protestierten sie zugleich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die brutale Tat eines 28-jährigen Russlanddeutschen löste auch am Samstag wieder Proteste in der islamischen Welt aus. Ägyptens Botschafter Ramsi Ess Eldin Ramsi sagte in Dresden, Marwa El-Sherbini sei ein Opfer von blindem Hass und Fanatismus geworden, die ihre Quelle in der Ignoranz hätten, Nabil Yacoub vom Dresdner Ausländerrat forderte: „Lasst die Saat des Extremismus nicht aufgehen.“
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering mahnte politische Konsequenzen an: „Wir müssen dafür sorgen, dass Rechtsextreme und Rassisten verboten werden und keine Chance mehr haben, sich in Parteien zu organisieren.“ Deutschland trauere um Marwa El-Sherbini. Ihr Tod verpflichte, noch stärker darauf zu achten, dass ein respektvolles Zusammenleben von Menschen aller Nationen, Hautfarbe und Glaubens möglich sei, sagte Müntefering am Rande der vom Ausländerrat, Kirchen und der Stadt organisierten Veranstaltung.
Die 31-Jährige war am 1. Juli während einer Berufungsverhandlung wegen Beleidigung von dem Angeklagten erstochen worden. Der aus Russland stammende Deutsche hatte die schwangere Zeugin mit 18 Messerstichen getötet und ihren Ehemann verletzt. Sie hatte den Mann 2008 angezeigt, nachdem er sie auf einem Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft hatte.
Gegen den 28-Jährigen wurde Haftbefehl wegen Mordes erlassen.Er war schon im ersten Prozess ausländerfeindlich aufgetreten, sagte am Samstag der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Christian Avenarius, und bestätigte damit einen Bericht des Magazins „Focus“. Vor der Anklageerhebung will die Staatsanwaltschaft keine Details bekanntgeben. Damit sei in wenigen Monaten zu rechnen. Der Prozess werde voraussichtlich Ende 2009 oder Anfang 2010 stattfinden. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) sagte der dpa: „Es wird alles getan, um den Täter so schnell wie möglich vor einen Richter zu stellen.“
„Sie hat im Glauben an den Rechtsstaat mit Zivilcourage die Würde der muslimischen Frauen verteidigt“, sagte der Vertreter des Dresdner Ausländerrats. In einer Schweigeminute und vor Plakaten mit Aufschriften wie „Wir sind gegen Terror, stoppt die Hetze gegen den Islam“ gedachten deutsche und ausländische Bürger gemeinsam der Frau. Danach legten sie, ebenso wie Müntefering und der Botschafter, weiße Rosen als Mahnung vor einem Foto der Frau nieder. Botschafter Ramsi sprach von einer „verbrecherischen Einzeltat“, die nicht die Wirklichkeit der deutschen Gesellschaft zum Ausdruck bringe. „Die deutsche Gesellschaft ist weltoffen, offen für andere Kulturen, Nationalitäten und Glaubensrichtungen.“ Er erwarte, dass der Täter schnellstens verurteilt und die Familie des Opfers entschädigt werde.
Regierungstreue iranische Studenten protestierten am Samstag in Teheran gegen den Umgang mit Muslimen in der Bundesrepublik. Vor der deutschen Botschaft versammelten sich am Vormittag etwa 70 Menschen, um ihren Unmut über die Tat kundzutun. In einem Leitartikel forderte die erzkonservative Tageszeitung „Kejhan“ (Samstag) die Ausweisung aller deutschen Botschafter in der islamischen Welt.
Der Zentralrat der Muslime forderte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein deutliches Signal gegen Islamfeindlichkeit in Deutschland. Sie möge sich „auch bitte direkt an die mehr als vier Millionen Muslime hierzulande wenden und den brutalen rassistischen Mord aus islamfeindlichen Motiven verurteilen“, sagte Generalsekretär Aiman Mazyek dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“. Versteckte und offene Islamphobie existiere in Deutschland bereits seit längerem, sagte Mazyek in Dresden. „Die Tat des Kopftuchmörders offenbart nur eine neue Dimension.“