Als Suchflugzeuge im Atlantik Wrackteile fanden, stand fest: Der Air-France-Airbus auf dem Weg von Rio nach Paris ist abgestürzt. Unklar ist, wie das Unglück geschah. Auch die Identität aller Opfer ist noch nicht bestätigt. Jetzt suchen Helfer nach dem Flugschreiber.
Hamburg. Es war kurz vor vier Uhr morgens, als der Kapitän an den Tower in Rio de Janeiro funkte, dass die Maschine nun den senegalesischen Luftraum erreiche. Viele der Passagiere haben wohl geschlafen, eingehüllt in Wolldecken, um sich vor der kühlen Luft der Klimaanlage zu schützen. "Dann wurden sie durchgeschüttelt wie in einer Waschmaschine, es muss die Hölle gewesen sein", sagt Frank Böttcher, Chef des Hamburger Instituts für Klimakommunikation, dem Abendblatt.
Mindestens zwölf Minuten sei das Flugzeug durch schwere Turbulenzen einer viele Hundert Kilometer breiten Gewitterfront geflogen, bevor die Instrumente um 4.14 Uhr automatisch mehrere Defekte an der Bordelektronik meldeten. Vielleicht bekam die Außenhülle des Flugzeugs dabei Risse, schließlich fiel der Druck in der Kabine rapide ab, vermutet Böttcher. "Aufkommende Gewitterfronten sind auf dem Radar nicht sofort erkennbar, außerdem hätte der Pilot einen Umweg von vielen Hundert Meilen fliegen müssen, um der Wetterfront zu entgehen."
Doch wie alle Experten kann der Hamburger Klima-Experte über den möglichen Ablauf der Katastrophe nur mutmaßen - anhand eines Satellitenbildes, das die Wetterlage in der Nacht des möglichen Absturzes zeigt (siehe rechts). Noch fehlt von den Passagieren der Unglücksmaschine Nummer 447 von Rio de Janeiro nach Paris jede Spur. Wie auch vom Flugschreiber, der allein brauchbare Daten liefern könnte (siehe unten).
Traurige Gewissheit über den Absturz haben Wrackteile gebracht, die von der brasilianischen Luftwaffe gestern Mittag entdeckt wurden. Ein R-99-Radarflugzeug, die brasilianische Variante des Aufklärungsfliegers Awacs, sichtete Flugzeugsitze, Rettungswesten und metallische Gegenstände im Wasser, außerdem Schlieren, die auf Öl oder das Flugbenzin Kerosin schließen lassen. Das Ministerium teilte erst Stunden später mit, dass die in einem fünf Kilometer langen Streifen gefundenen Teile den Absturz des Flugzeugs bestätigen. Es gebe keinen Zweifel daran, dass die von Suchflugzeugen gesichteten Trümmer zu dem Airbus mit 228 Menschen an Bord gehörten, sagte Brasiliens Verteidigungsminister Nelson Jobim gestern Abend.
Die Ortungsstelle liegt etwa tausend Kilometer vor der südamerikanischen Küste, 650 Kilometer nordöstlich der Insel Fernando de Noronha. Der Fundort könnte darauf hinweisen, dass der Unglücksflieger wegen eines Problems versuchte, nach rechts abzudrehen. "Vielleicht hat der Pilot versucht, nach Fernando de Noronha zurückzufliegen", sagte ein Sprecher. Zahlreiche Schiffe haben nach der Sichtung von treibenden Flugzeug-Wrackteilen Kurs auf die Fundstelle vor der Festlandküste genommen. Die brasilianische Marine schickte fünf Schiffe, die vermutlich erst heute im Laufe des Tages das Gebiet erreichen.
Auch die französische Regierung schickte ein Spezialschiff in die Zone. Es ist mit Tauchgeräten ausgestattet, die bis zu einer Tiefe von 6000 Metern arbeiten können. Mit ihnen ließen sich 97 Prozent des Meeresbodens untersuchen, teilte Verkehrsminister Jean-Louis Borloo gestern Abend mit.
Bei den Geräten an Bord des knapp 110 Meter langen Spezialschiffs "Pourquoi Pas" handelt es sich um einen Tauchroboter vom Typ "Nautile" und ein bemanntes U-Boot vom Typ "Victor 6000". Zudem halten sich zwei Handelsschiffe in dem Gebiet auf, die bei der Bergung der Wrackteile helfen sollen.
Auch die US-Luftwaffe beteiligt sich an der Suche nach der verschollenen Air-France-Maschine. Gestern Abend startete nach offiziellen Angaben ein Überwachungsflugzeug vom Typ P-3C Orion in Brasilien. Die Maschine war von El Salvador aus auf den Weg geschickt worden, wo sie zum Aufspüren von Drogenschmugglern eingesetzt wurde.
Viele Angehörige hätten "noch Hoffnung, Überlebende zu finden", so klein diese Chance auch sei, sagte Guillaume Denoix de Saint-Marc, Sprecher eines Opferverbandes, gestern Nachmittag nach einem Treffen mit rund 50 Angehörigen am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle. Noch viele Stunden wurde Flug Nummer 447 als "verspätet" angezeigt.
Die Hoffnung schrumpfte von Stunde zu Stunde.