Die vier Schläger vom Berliner U-Bahnhof Lichtenberg sollen nach dem Willen der Anklage Jugendstrafen zwischen fünf und knapp acht Jahren erhalten.
Berlin. Sie prügelten einen 30-Jährigen auf dem Heimweg bis zur Bewusstlosigkeit: Die vier Schläger vom Berliner U-Bahnhof Lichtenberg sollen nach dem Willen der Staatsanwaltschaft Jugendstrafen zwischen fünf und knapp acht Jahren erhalten - wegen versuchten Mordes aus niederen Beweggründen. Als Motiv für die Prügelorgie vom 11. Februar 2011 nannte der Vertreter der Anklage Hass auf Deutsche - und Freude an der grundlosen Misshandlung Schwächerer.
Die Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 18 Jahren sollen im Februar 2011 einen Mann bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und getreten haben. Der 30-Jährige lag mit schwersten Kopfverletzungen vier Wochen im künstlichen Koma. Auch ein Kollege des Mannes wurde attackiert. Der Prozess am Berliner Landgericht gegen die Jugendlichen ist nicht öffentlich.
Die höchste Strafe wurde für einen 18-Jährigen beantragt, dem weitere Gewalttaten vorgeworfen werden. Sein Anwalt plädierte auf höchstens fünf Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft fordert sieben Jahre und neun Monate.
Die Schüler hatten Schläge und Tritte gestanden. Nach Angaben von Verteidiger Dirk Lammer bestreiten sie aber Tötungsabsichten und Deutschenhass. Die übrigen Verteidiger plädierten ebenfalls auf gefährliche Körperverletzung. Sie beantragten Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren.
Das Opfer, ein Maler, war mit einem Kollegen auf dem Heimweg. Er wurde mit Hieben und Tritten gequält, bis er reglos am Boden lag. Zum Urteil werde der Handwerker nicht erscheinen, sagte sein Anwalt Christian Joachim. Er wolle möglichst wenig Bezugspunkte zu dem Verfahren. Mit den psychischen Folgen habe der Mann noch lange zu kämpfen.
Wegen der schweren Hirnverletzungen kann sich der 30-Jährige kaum erinnern. Der Kollege des Malers hat den Überfall einigermaßen gut verkraftet. Der ebenfalls 30-Jährige konnte zunächst aus dem Bahnhof fliehen, wurde aber aufgespürt und ebenfalls geschlagen. Ein Rocker von den Bandidos trieb die Angeklagten in die Flucht.
In Berlin wurden in den vergangenen Monaten wiederholt Passanten oder Passagiere in Bus und Bahn angegriffen und angepöbelt. Bei dem bisher schlimmsten Fall starb ein 23-Jähriger, als er auf der Flucht vor Schlägern vor ein Auto rannte.
Vor drei Monaten wurde wegen eines anderen schockierenden Falls ein Gymnasiast zu zwei Jahren und zehn Monaten Jugendstrafe verurteilt. Er hatte einen Installateur im U-Bahnhof Friedrichstraße mit Tritten schwer am Kopf verletzt. Seinen Gewaltausbruch hatte der Sohn aus einem bürgerlichen Elternhaus nicht erklären können.
Jugendliche Gewalt in Bahnhöfen
November 2011: Zwei Unbekannte schlagen eine 23 Jahre alte Frau auf dem U-Bahnhof Hermannplatz in Berlin-Neukölln zusammen und verletzen sie schwer. Sie stehlen ihr Handy und flüchten.
April 2011 : Im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße tritt ein 18-Jähriger auf den Kopf eines 29-Jährigen ein. Er stellt sich kurz nach der Tat, ebenso sein gleichaltriger Begleiter. Im September wird der Haupttäter zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, die Verteidigung legt Revision ein.
Februar 2011: Im Berliner U-Bahnhof Hansaplatz schlagen fünf bis sechs Jugendliche und Männer einen Obdachlosen krankenhausreif. Sie rauben ihm Zigaretten, Weinflaschen und einen Schlafsack. Die Täter können flüchten.
Mai 2010: Eine Gruppe Jugendlicher gerät im Hamburger S-Bahnhof Jungfernstieg mit einem 19-Jährigen in Streit. Ein 16-Jähriger tötet den jungen Mann mit einem Stich ins Herz. Im Dezember wird er wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt. Zwei Mitangeklagte werden wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Woche Jugendarrest beziehungsweise einer Arbeitsauflage verurteilt. Das Gericht bewertet die Tat als „vollkommen grundlos“.
Februar 2010: Vier angetrunkene 16-Jährige prügeln auf dem Hauptbahnhof im westfälischen Hagen einen 33 Jahre alten Mann krankenhausreif. Sie treten und schlagen noch auf ihr Opfer ein, als der Mann schon am Boden liegt. Die Jugendlichen sagen später, sie hatten sich „angemacht“ gefühlt, weil der 33-Jährige sie auf die Gefahren ihrer Bahnsteig-Rangeleien aufmerksam gemacht hatte.