Der als Polizistenmörder verurteilte und hingerichtete Afroamerikaner Troy Davis hatte seine Schuld stets bestritten. Weltweite Proteste.
Washington. Um kurz nach 19 Uhr Ortszeit (1 Uhr MESZ) brandete vor dem Staatsgefängnis Jackson im US-Südstaat Georgia lauter Jubel auf. Drinnen hätte Minuten zuvor der Todeskandidat Troy Davis, 42, durch die Giftspritze sterben sollen, doch er lebte immer noch. Ein Gerücht machte unter den rund 500 Demonstranten vor der Todeszelle die Runde: Der oberste US-Gerichtshof habe dem verurteilten Mörder einen Aufschub gewährt - eine weitere Chance, endlich seine Unschuld zu beweisen.
Rund eine Million Unterstützer des Afroamerikaners rund um den Globus hatten das gefordert, unter ihnen Papst Benedikt XVI., der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, die Europäische Union und zahlreiche Weltstars. Sie alle baten um Gerechtigkeit oder wenigstens um Gnade für den Mann, der 1989 dem Polizisten Mark McPhail auf einem Burger-King-Parkplatz in Savannah ins Herz und ins Gesicht geschossen haben soll. Der Beamte war einem Stadtstreicher zu Hilfe geeilt, der angeblich von Davis und einem weiteren Mann misshandelt worden war. Doch auch die letzte Hoffnung erlosch am Abend . Um 23.08 Uhr (5.08 MESZ) war Davis tot.
Der Schuldspruch gegen Davis gehört zu den umstrittensten
Seit Wiedereinführung der Hinrichtungen in den USA vor knapp 35 Jahren wurden 1267 Todesurteile vollstreckt. Der Schuldspruch gegen Davis zählt zu den umstrittensten, Beweise gegen ihn waren Mangelware, etwa DNA-Spuren oder Fingerabdrücke. Die meisten Zeugen trauten irgendwann ihren eigenen Aussagen nicht mehr. Sieben von neun behaupteten später, sie seien von der Polizei unter Druck gesetzt worden. "In seinem Tod wird Troy Davis als eine Mahnung über das defekte Justizsystem weiterleben, das einen Unschuldigen tötet, während ein Mörder frei herumläuft", meinte der Präsident der schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAACP, Benjamin Jealous.
+++ Eine unwürdige Strafe +++
Den US-Bürgern und der ganzen Welt führte der Fall wie ein Paradebeispiel vor Augen, was passiert, wenn der Staat zum Henker wird, ohne die Schuld des Verurteilten beweisen zu können - und ohne den Zweifel abschütteln zu können, dass auch die Hautfarbe eine Rolle spielt. Die Hinrichtung wurde "zum internationalen Symbol des Streits über die Todesstrafe und das rassistische Ungleichgewicht im Justizsystem", schreibt die "New York Times".
Die US-Fernsehsender berichteten am Abend der Exekution mit mehr als einem kritischen Unterton über die dramatischen letzten Stunden von Troy Davis. Doch ob die Empörung daheim und im Ausland über diesen Einzelfall ausreicht, in 34 US-Staaten ein Umdenken über die Todesstrafe auszulösen, ist fraglich. Nach Umfragen halten immer noch mehr als die Hälfte der Amerikaner die ultimative Bestrafung für richtig. "Ich glaube, Amerikaner verstehen Gerechtigkeit", sagt denn auch Rick Perry, der führende Bewerber für die republikanische Präsidentschaftskandidatur bei der Wahl im kommenden Jahr. Der Gouverneur aus Texas segnete in seiner knapp elfjährigen Amtszeit bereits 236 Hinrichtungen ab, er ist damit ein unrühmlicher Rekordhalter. Doch mit seiner Haltung zur Todesstrafe ist er nicht allein. Seine innerparteilichen Kontrahenten sind genauso dafür wie US-Präsident Barack Obama.
Laut der "Los Angeles Times" sehen sich die Befürworter der Todesstrafe zu Recht auf der "populären Seite". Einzig der Beweis von Fehlurteilen könnte eine Abschaffung herbeiführen. Zuletzt war vor einem halben Jahr der Staat Illinois zum Schluss gekommen, das staatlich verordnete Töten nicht mehr rechtfertigen zu können. "Ich bin tief besorgt über die Möglichkeit, dass eine unschuldige Person exekutiert wird", sagte Gouverneur Pat Quinn.
Das "Projekt Unschuld" bewahrte 17 Todeskandidaten vor Irrtümern
Das "Innocence Project" (Projekt Unschuld), eine Organisation, die mit ihren Recherchen bereits 17 US-Todeskandidaten vor möglichen Justizirrtümern zu bewahren half, zeigt sich in Bezug auf Davis sicher, dass die Zweifel an seiner Schuld berechtigt sind. Noch auf dem Hinrichtungsbett beteuerte Troy Davis, dass Unrecht geschehe: "Ich bin unschuldig. Ich kann nur darum ersuchen, meinen Fall noch genauer zu prüfen, bis die Wahrheit zum Vorschein kommt. Ich bitte meine Freunde und Familie, den Kampf weiterzukämpfen." Davis wäre nicht der Einzige, der schuldlos hingerichtet worden ist. Bei immerhin 23 Verurteilten, die in der Geschichte der USA von der Justiz ins Jenseits befördert wurden, erwies sich nach dem Tod deren Unschuld.