Das Todesurteil gegen den Amerikaner Troy Davis ist eine moralische Katastrophe
Wieder ist in den USA ein Mensch hingerichtet worden. Der Afroamerikaner Troy Davis erhielt jetzt im Bundesstaat Georgia die Todesspritze. Es gab nichts, was die Richter von ihrer Entscheidung abbringen konnte. Weder weltweite Petitionen noch Proteste europäischer Politiker, noch die vielen Gnadengesuche, die Troy Davis immer wieder quälenden Aufschub gewährt hatten. Doch vor allem überzeugte die Richter - und das ist das Entsetzliche - nicht die mögliche Unschuld des Verurteilten.
Im Zweifel für den Angeklagten: Dieses Grundprinzip des Rechtsstaates wurde missachtet. Schon jetzt gehört die Hinrichtung Troy Davis' zu den umstrittensten Justizfällen der USA.
Das alles hinterlässt ein Gefühl von Hilflosigkeit und Wut.
Hilflosigkeit, weil dieses Urteil unumkehrbar ist, weil es für Troy Davis keine Chance mehr gibt. Vielleicht wird seine Unschuld noch bewiesen, doch das macht ihn nicht wieder lebendig. Und Troy Davis wäre nicht der erste Unschuldige, der hingerichtet wird. Bisher hat allerdings kein nachgewiesenes Fehlurteil die Masse der Amerikaner zum Umdenken gebracht. Noch immer sind mehr als die Hälfte für die Todesstrafe.
Wut kommt auf, weil die Hinrichtung einmal mehr die absolute Sinnlosigkeit der Todesstrafe beweist. Wofür ist Troy Davis gestorben? Als abschreckendes Beispiel für alle Verbrecher Amerikas? Bestimmt nicht. Denn diese Befürworter-Argumentation hinkt schon lange wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterher. Die Todesstrafe schreckt nicht ab. Diese Hinrichtung stellt eher ein Justizsystem infrage, das Prinzip vor Moral stellt.
Ist der Hingerichtete gestorben für eine gerechtere Welt? So ein Standardargument der Richter und politischen Befürworter. Bestimmt nicht. Denn diese Hinrichtung bedeutet Rückschritt: menschlich und politisch.
Menschlich, weil hier das alttestamentarische Prinzip der Vergeltung ausgeübt wurde. Der Staat nimmt stellvertretend für das Volk Rache. Statt einer lebenslangen Gefängnisstrafe entscheidet er sich bewusst für die Tötung eines Menschen.
Sicher fällt es schwer, auch einem Mörder das Recht auf Leben zuzugestehen. Wer hat nicht schon angesichts leidender Eltern einem Kindermörder innerlich den Tod gewünscht? Aber würde das den Eltern Frieden bringen?
Die Todesstrafe ist menschenunwürdig und grausam. In dem Moment, in dem wir den Tod als Vergeltung akzeptieren, stellen wir uns auf eine Stufe mit den Mördern. Müssen wir nicht aus einer blutigen Geschichte lernen?
Denn eines der wichtigsten Menschenrechte ist das Recht auf Leben und auf Würde. Diese zu wahren ist der Kern, auf den demokratische Staaten stolz sein können. Dies unterscheidet uns von Ländern wie China, Iran oder Saudi-Arabien, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wo Unrecht, Folter und Tod der Systemerhaltung dienen.
Gerade deswegen ist es so unverständlich, dass Amerika sich so ungerührt in eine Reihe mit diesen Staaten stellen lässt. Wie kann einer der größten selbst ernannten Hüter der Demokratie weiter an diesem archaischen Vergeltungsprinzip festhalten und sich politisch derart ins Abseits rücken? So wird jede Hinrichtung auch zu einer politischen Katastrophe und angesichts des weltweiten Entsetzens zu einem weiteren Riss, der die Fassade der Glaubwürdigkeit der Supermacht bröckeln lässt.