Die Ostküste der USA wurde von einem schweren Beben heimgesucht. Betroffen waren unter anderen Washington, New York und Städte in Virginia.

Washington. Das Ausmaß des Erdbebens an der Ostküste der USA vom Dienstag wird nach und nach ersichtlich. Nun wurde bekannt, dass auch das Washington Monument in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Am oberen Teil des knapp 170 Meter hohen Marmor-Obelisken sei ein Riss entdeckt worden, teilte der National Park Service am Dienstagabend mit. Das Bauwerk werde bis auf weiteres aus Sicherheitsgründen geschlossen, sagte Sprecher Bill Line. In Washington wurden außerdem Teile des Weißen Hauses, des Pentagons und des Kapitols evakuiert sowie Sehenswürdigkeiten und Museen geschlossen. Auch an der Kathedrale der Hauptstadt wurde der Hauptturm beschädigt, wie ein Sprecher der Episkopal-Kirche sagte. Laut CNN gab es in Washington im Pentagon einen Wasserrohrbruch sowie Schäden an der National Cathedral. Im Raum Washington fielen viele Telefone und Handys aus.

Stärkstes Erdbeben seit mehr als 100 Jahren

Das Erdbeben der Stärke 5,8 war eines der bislang stärksten in der Geschichte der US-Ostküste. Laut Regierungsangaben wurden mehrere Menschen verletzt, Gebäude wurden beschädigt. Genaue Zahlen sowie Berichte über mögliche Todesopfer lagen zunächst nicht vor. Nach Angaben der Erdbebenwarte USGS lag das Zentrum nahe der Ortschaft Mineral im US-Bundesstaat Virginia, rund 130 Kilometer südlich von Washington. Laut Medienberichten war es das stärkste Beben in der Region seit mehr als 100 Jahren und sogar noch im kanadischen in Toronto zu spüren.


Nach jüngsten Angaben des Geologischen Dienstes der USA befand sich das Epizentrum in 800 Meter Tiefe. Zunächst war von einem Beben in sechs Kilometern Tiefe die Rede gewesen. Berichte über größere Schäden gab es vorerst nicht. Jedoch war das Beben in großen Teilen des Landes zwischen den Staaten Georgia im Süden und Massachusetts etwa 45 Sekunden lang zu spüren. "Die Erde hat mehr als 40 Sekunden gebebt“, berichtete eine Augenzeugin in Washington der Nachrichtenagentur dpa. Tausende Menschen seien ins Freie gelaufen. "Die Erde hat ganz kräftig gewackelt. Die Ampeln und Telefone sind zum Teil ausgefallen.“

Strauss-Kahn muss wegen Bebens auf Papiere warten

Auch in New York City war das Erdbeben zu spüren. Dort schwankten Häuser, in Manhattan unter anderem das 26 Stockwerke hohe Bundesgerichtsgebäude. Gebäude wurden evakuiert oder Veranstaltungen abgebrochen, darunter die Pressekonferenz des Staatsanwalts Cyrus Vance zum Fall Dominique Strauss-Kahn. Menschen liefen auf die Straße. Viele fürchteten zunächst einen Anschlag. In wenigen Tagen jährt sich der Anschlag auf das World Trade Center zum zehnten Mal.

Auch der frühere IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn war von dem Erdbeben betroffen. Nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen ihn erhielt er wegen des Bebens seinen Reisepass zunächst noch nicht von den New Yorker Behörden zurück. Strauss-Kahn wird seine Papiere für eine mögliche Rückkehr nach Frankreich nun voraussichtlich am (heutigen) Mittwoch zurückbekommen. Das Verfahren gegen den ehemaligen Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung einer New Yorker Hotelangestellten war am Dienstag eingestellt worden.

Auch in North Carolina wurden Gebäude geräumt. Eine Tsunami-Warnung gaben die Behörden nicht heraus, da sich das Epizentrum unter dem Land befand und die Ostküste der USA ohnehin nicht als tsunamigefährdet gilt. Es gab mindestens ein Nachbeben.

Reaktoren von Atomkraftwerk automatisch abgeschaltet

Zwei Reaktoren des Atomkraftwerks North Anna in Virginia schalteten sich automatisch ab. Vier Dieselgeneratoren übernahmen nach Angaben der Atomaufsichtsbehörde die Notstromversorgung. Schäden an der Anlage wurden nicht festgestellt. Die Behörden unterzogen anschließend alle Atomkraftwerke in der Region verschärften Kontrollen.

Nach mehreren Stunden mit Notversorgung bekamen die beiden Reaktoren schließlich wieder Strom. Bei der automatischen Abschaltung habe es keine Probleme gegeben, bekräftigte der Betreiber Dominion Virginia Power am späten Dienstagabend (Ortszeit).

Dennoch gab es anscheinend eher geringere Schäden. So waren im US-Fernsehen lediglich vereinzelte Bilder von zerstörten Schornsteinen, herabgestürzten Dachpfannen und aus Häuserwänden herausgebrochenen Ziegelsteinen vor allem in Virginia zu sehen. Nach Medienberichten ging zudem in zahlreichen Wohnstuben Porzellan zu Bruch.

Auf der Insel Martha's Vineyard in Massachusetts, wo Präsident Barack Obama Urlaub macht , war das Beben ebenfalls zu spüren. Obama hatte gerade eine Runde Golf zu spielen begonnen. Er spürte das Beben nach Angaben des Weißen Hauses nicht.

Auch Sportveranstaltungen betroffen

Auch die Sportwelt wurde durch das Beben kurz aus dem Tritt gebracht. So wurde beim WTA-Turnier in New Haven/Connecticut das Tennisstadion während des Matches zwischen Jelena Jankovic und Jelena Wesnina evakuiert. Erst als das Gebäude von den Offiziellen wieder freigegeben war, wurde das Spiel fortgesetzt.

Der schottische Tennis-Profi Andy Murray, zur Vorbereitung auf die am Montag beginnenden US Open bereits in New York, bekam ebenfalls wacklige Beine. "Erdbeben in Flushing Meadows! Komisches, komisches Gefühl, ich dachte, mir sei bloß schwindelig“, twitterte der Weltranglistenvierte. Serena Williams (USA) ließ ebenfalls über den Internetdienst wissen: "Erdbeben. Wow. Ich bete und hoffe, dass alle okay sind.“

Auch beim Training für das am Donnerstag beginnende PGA-Turnier in New Jersey spürten die Golfprofis die Erdstöße. Selbst in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio war das Beben noch spürbar: Während des Baseball-Spiels zwischen den Cleveland Indians und den Seattle Mariners wurden die Zuschauer etwa 30 Sekunden lang durchgeschüttelt, blieben zum größten Teil aber trotzdem ruhig sitzen - auch das Spiel lief weiter, als sei nichts passiert.

Erdbeben im Osten seltener

Erdbeben im Osten der USA sind zwar seltener als im Westen des Landes, sie sind aber oft über eine größere Region zu spüren. "Es war eines der stärksten Erdbeben, die wir bislang dort gehabt haben“, sagte am Dienstag die Seismologin Lucy Jones von der US-Erdbebenwarte dem TV-Sender CNN. Alte Gebäude in der Nähe des Epizentrums könnten beschädigt worden sein. Es sei mit Nachbeben zu rechnen, fügte sie hinzu. Das letzte Beben dieser Stärke an der Ostküste der Vereinigten Staaten hatte sich 1944 in New York ereignet. Der heftigste Erdstoß in der Region hatte 1886 eine Stärke von 7,3 und erschütterte South Carolina.

Hier bebte die Erde:

(dpa/dapd/sid/abendblatt.de)