2001 schlossen Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow den Bund fürs Leben - als erste eingetragene Lebenspartnerschaft.
Hannover. Es sollte eine Feier im kleinen Kreis werden, doch ihr Kuss ging um die Welt. Als Heinz-Friedrich Harre (58) und Reinhard Lüschow (50) vor zehn Jahren aus dem Trauzimmer im Alten Rathaus von Hannover traten, standen sie im Blitzlichtgewitter. Fotografen und Kameraleute drängten sich, um die besten Bilder des ersten homosexuellen „Ehepaares“ in Deutschland zu ergattern. „Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, erinnert sich Harre. Den unbeabsichtigten Ruhm verdankt das Paar dem damaligen Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD), der um eine Vorverlegung der Zeremonie auf 8.20 Uhr gebeten hatte, da er dabei sein wollte.
Knapp zehn Jahre später sitzen die beiden Männer in ihrer damals gemeinsam gekauften Eigentumswohnung und blättern im Hochzeitsalbum. Schon seit 1988 sind sie ein Paar, jahrelang setzten sie sich für die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben ein, bestellten bereits 1992 bei einer bundesweiten Aktion ihr Aufgebot beim Standesamt. „Weil wir so lange gekämpft hatten, war es uns wichtig, gleich am 1. August zu heiraten“, berichtet Lüschow. Noch ein paar Tage vorher war unklar, ob die Hochzeit stattfinden kann, weil Sachsen und Bayern beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen das neue Lebenspartnerschafts-Gesetz gestellt hatten.
Reinhard Lüschow rührte an jenem Tag besonders die Haltung seines Vaters. „Er hatte Schwierigkeiten damit, dass ich einen Mann heirate und wollte nicht zum Standesamt kommen. Dann war er auf einmal doch da. Und als ich ihm angeboten habe, wegen der Presse durch den Hintereingang zu verschwinden, sagte er: „Ich bin vorne reingegangen, da gehe ich auch vorne wieder raus.““ In ihrem Hochzeitsalbum finden sich Zeitungsausschnitte aus den USA und Kanada, die dem Paar mit Glückwünschen zugeschickt wurden. Auch afrikanische Web-Seiten berichteten damals über „Germany’s fist male couple“.
Eine Zeitung druckte das Foto von Lüschows und Harres Kuss nach dem Standesamt gar auf einer Doppelseite unter dem Titel „Die besten Küsse der Welt“ neben dem Hochzeitskuss von Mette-Marit und Prinz Haakon und einer Kussszene aus dem Filmklassiker „Vom Winde verweht“. Es sieht so aus, als sei die eingetragene Lebenspartnerschaft ein Meilenstein auf dem Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung von Schwulen und Lesben. „Wir haben nur positive Reaktionen erfahren“, erzählt Harre. „Arbeitskollegen, die sich vorher vielleicht gescheut hatten, mich auf meinen Mann anzusprechen, kamen und gratulierten.“
Das Steuerrecht und das Recht auf eine gemeinsame Adoption sind für den Finanzbeamten und den Verwaltungsangestellten noch große Baustellen auf dem Weg zur völligen Gleichstellung. Dafür kämpfen sie weiter. „1979 sind wir beim Christopher Street Day noch unter Polizeischutz gelaufen, heute feiert die Polizei mit“, sagt Lüschow. Allerdings sei offenes schwules Leben in Deutschland in manchen Bereichen noch undenkbar. Er könne verstehen, dass sich bisher kein Profi-Fußballer als schwul geoutet habe, sagt Harre. „Solange sich aggressive Gruppen im Fan-Umfeld zusammenfinden, scheint mir das nicht möglich.“
Etwa 21 000 homosexuelle Paare haben sich nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland seit 2001 das Ja-Wort gegeben. „Die Trennungsquote liegt unter zehn Prozent und ist deutlich geringer als bei heterosexuellen Ehepaaren“, sagt Verbandssprecherin Renate Rampf. Dies liege daran, dass die „Verpartnerten“ in jeder amtlichen und beruflichen Situation geoutet seien, deshalb wäge man den Schritt sehr ernsthaft ab.
Lüschow erinnert sich auch an spöttische Kommentare wie „Sollen die Schwulen doch heiraten, sie werden sehen was sie davon haben!“ Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow haben ihr Glück gefunden. Das Geheimnis ihrer Beziehung? „Ehrlichkeit“, sagt Harre. „Ein bisschen Liebe ist auch dabei“, meint Lüschow augenzwinkernd. „Es gibt immer noch Abende, an denen wir stundenlang auf dem Balkon sitzen und quatschen.“(dpa/ abendblatt.de)