Bill Clinton, derzeitiger Koordinator für internationale Hilfe, ist frustriert über die nur langsamen Fortschritte beim Wiederaufbau in Haiti.
Port-au-Prince/Bonn. Zum ersten Jahrestag des verheerenden Erdbebens in Haiti hat US-Präsident Barack Obama am Dienstag die internationale Gemeinschaft gedrängt, ihre Hilfszusagen einzuhalten. Er betonte jedoch, dass Haiti selbst die Führung beim Wiederaufbau übernehmen müsse. Der frühere US-Präsident und derzeitige Koordinator für internationale Hilfe, Bill Clinton, äußerte sich in Port-au-Prince „frustriert“ über das Tempo des Wiederaufbaus.
Seit dem Erdbeben am 12. Januar vergangenen Jahres hätten zahlreiche Leben gerettet werden können und die Haitianer hätten heute besseren Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgung, erklärte Obama. Es blieben jedoch viele Probleme. „Zu viel Schutt blockiert die Straßen, zu viele Menschen leben weiter in Zelten und für so viele Haitianer ist Fortschritt nicht schnell genug gekommen“, sagte Obama und verwies darauf, dass der Karibikstaat noch Jahrzehnte auf Hilfe angewiesen sein könnte.
Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte davor, Haiti allein zu lassen. Die Anstrengungen müssten vielmehr verdoppelt und erneuert werden, sagte Ban. Der Leiter der Uno-Mission in Haiti, Edmond Mulet, warnte, dass ohne Fortschritte bei der Herrschaft des Rechts alle gegenwärtigen und zukünftigen Bemühungen für Wiederaufbau und Entwicklung folgenlos zu bleiben riskierten. Insbesondere die politische Krise nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende November bereitet der Uno Sorgen.
Der amtierende haitianische Präsident René Préval bat am Dienstag darum, dass ein Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu den Wahlen nicht während der Gedenkfeiern überreicht werde. Die OAS habe diesen „völlig berechtigten Wunsch“ akzeptiert, teilte die OAS mit. In dem Bericht empfiehlt die OAS, wie vorab bekannt wurde, den Rückzug des von Prévals favorisierten Kandidaten Jude Célestin. Dieser soll demnach seinen Platz in der Stichwahl an den bisher Drittplatzierten Michel Martelly abgegeben .
Clinton sagte am Dienstag während eines Besuchs in Port-au-Prince anlässlich der zweitägigen Gedenkfeiern für die mehr als 225.000 Opfer, niemand sei mehr frustriert als er über die nur langsamen Fortschritte. Zugleich nannte der Koordinator für internationale Hilfe es ermutigend, dass in den vergangenen vier Monaten endlich eine Beschleunigung des Wiederaufbaus zu bemerken gewesen sei. Clinton gestand ein, dass es eine riesige Lücke zwischen den internationalen Hilfsversprechen und den tatsächlich ausgezahlten Mitteln gebe.
Kritiker machen dafür die Ineffizienz und die schlechte Koordination der haitianischen Regierung verantwortlich. Nach Angaben Clintons wurden bisher nur 60 Prozent der für 2010 zugesagten Mittel ausgezahlt, diesen Rückstand gelte es 2011 aufzuholen. Die Sprecherin des Uno-Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA), Elisabeth Byrs, sagte, die Beschleunigung des Wiederaufbaus habe absolute Priorität in diesem Jahr.
+++ Kampf um jeden Dollar - Haiti ein Jahr danach +++
Am Mittwoch soll um 16.53 Uhr Ortszeit, dem genauen Moment des Erdbebens vergangenes Jahr, mit einer Schweigeminute gedacht werden. Noch immer kämpft Haiti mit den Folgen des Erdbebens. Weiterhin leben mehr als 800.000 Menschen in improvisierten Notunterkünften, eine Cholera-Epidemie fordert täglich neue Opfer und der weiterhin ungelöste Streit um die Wahlen sorgt immer wieder für Unruhen auf den Straßen und blockiert zusätzlich den ohnehin nur schleppenden Wiederaufbau.
THW über Haiti: Unheimlich schwierige Aufgabe
Auch ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti steht das Technische Hilfswerk (THW) dort nach eigenen Angaben noch immer vor unheimlich schwierigen Aufgaben. Zusätzlich zu den Zerstörungen des Bebens habe der Ausbruch der Cholera „die ohnehin schon dramatische Situation verschlechtert“, zog THW-Präsident Albrecht Broemme am Mittwoch die Bilanz des vergangenen Jahres. Während der zurückliegenden zwölf Monate konzentrierte das THW in Haiti seine Arbeit auf Baumaßnahmen, Trinkwasseraufbereitung und Hygiene-Hilfe.
Mehr als 76 Millionen Liter Trinkwasser bereitete das THW in den ersten Monaten nach der Katastrophe auf. Nun befinde sich das Hilfswerk in der Übergangsphase zwischen Nothilfe und langfristigem Wiederaufbau, sagte Sprecher Oliver Hochedez. Ein Ende des Engagements in dem Inselstaat sei vorerst nicht abzusehen. Es werde so lange Hilfe geleistet, “wie wir vor Ort auch gebraucht werden“, sagte er.
Finanziell werde das THW vom Amt für Humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission (ECHO) mit den benötigten Mitteln ausgestattet, erklärte Hochedez: „Wir bekommen das Geld so, wie wir es brauchen.“ Andere Entwicklungsorganisationen hatten beklagt, dass nicht einmal zwei Drittel der für das vergangene Jahr zugesagten Wiederaufbau-Hilfe der Weltgemeinschaft geflossen seien.