Menschenrechtler berichten ein Jahr nach dem Erdbeben in Haiti von mehr sexuellen Übergriffen. Gleichzeitig besuchen weniger Kinder die Schule.
Brüssel/Port-au-Prince. Nach dem schweren Erdbeben in Haiti vor gut einem Jahr ist die Zahl von Vergewaltigungen und Entführungen in dem Land einem Bericht zufolge stark gestiegen. Wegen der "prekären Sicherheitslage“ in den Notunterkünften mit ihren etwa 1,3 Millionen Bewohnern seien Frauen und Mädchen häufiger sexuellen Übergriffen ausgesetzt als vor dem Erdbeben, erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Montag in ihrem Jahresbericht. Alleine von Februar bis April 2010 seien mehr als 530 Menschen nach Vergewaltigungsvorwürfen festgenommen worden. Die Zahl der Entführungen sei im gesamten Jahr 2010 um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Zudem besuchten seit dem Beben immer weniger Kinder eine Schule, hieß es in dem HRW-Bericht. Durch die Erschütterung seien rund 4000 Schulgebäude zerstört worden, als Folge seien etwa 2,5 Millionen Schüler vom Unterricht ausgeschlossen gewesen. Obwohl jedoch viele Schulen ihren Betrieb einige Monate später wieder aufgenommen hätten, gebe es einen „starken Rückgang“ der Schülerzahlen, erklärte HRW.
Die Organisation verwies zudem darauf, dass durch das Erdbeben zahlreiche Gerichtsakten zerstört worden seien. Dies führe dazu, dass Verdächtige über lange Zeiträume ohne Anklage in Untersuchungshaft festgehalten würden. Andererseits seien aus der teilweise zerstörten größten Haftanstalt der Hauptstadt Port-au-Prince rund 5400 Gefangene geflohen und nur etwa 630 wieder gefasst worden.
Bei der Katastrophe vom 12. Januar 2010 waren nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 220.000 Menschen getötet worden. Der Karibikstaat kämpft zudem mit einer Cholera-Epidemie und befindet sich seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl Ende November in einer politischen Krise.