Münchner starb nicht direkt an den Folgen der Schläge, sondern an Herzstillstand, wie jetzt bekannt wurde. Verteidiger sehen Wende im Prozess
München. Dominik Brunner, 50, starb "an den Folgen des Angriffs der Angeschuldigten", heißt es in der Mordanklage gegen Markus Sch., 19, und Sebastian L., 18. Die Jugendlichen haben ihm laut Obduktionsbericht mit Schlägen und Tritten "22 schwere Verletzungen" zugefügt, am Oberkörper und am Kopf. Was die Staatsanwaltschaft der Öffentlichkeit bisher verschwieg: Brunner starb offenbar nicht unmittelbar an den Schlägen und Tritten, sondern an Herzstillstand.
Brunner hatte sich am 12. September auf dem Münchner S-Bahnhof Solln schützend vor eine Gruppe Jugendlicher gestellt, nachdem diese von Sch. und L. bedroht worden war. Er kam dabei zu Tode, was bundesweit Entsetzen auslöste. Wie jetzt der "Spiegel" berichtet, erlitt Brunner aber weder Schädel- noch Knochenbrüche, die 22 Verletzungen seien "nicht todesursächlich". Barbara Stockinger, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigt den Herztod und auch, dass Brunner einen vergrößerten Herzmuskel hatte. "Von einem Herzfehler sprechen wir dabei nicht."
Die Verteidiger sehen darin die Wende im Prozess. Nicht durch Faustschläge oder Fußtritte sei Brunner gestorben: "Zu Tode kam Dominik Brunner aufgrund seiner Vorerkrankungen", erklärten Roland Autenrieth und Jochen Ringler und kritisieren die Staatsanwaltschaft: "Dies war der Staatsanwaltschaft bereits unmittelbar nach der Aufnahme der Ermittlungen bekannt. Gleichwohl ließ sie die Öffentlichkeit in dem Glauben, Dominik Brunner sei zu Tode getreten worden." Das könne nicht länger aufrechterhalten werden.
Ein Polizist der Mordkommission hatte Brunner im Prozess als "körperlich fit" beschrieben. Von einer Herzkrankheit war nicht die Rede. Brunner ging ins Fitnessstudio und war regelmäßig beim Schwimmen. Die Einsicht in die Krankenakte habe nicht den Schluss zugelassen, dass Brunner gesundheitlich eingeschränkt war.
Die Staatsanwaltschaft bleibt bei der Mordanklage. "Herr Brunner ist infolge der Schläge und Tritte daran gestorben, dass das Herz stehen geblieben ist", sagt Stockinger. Ohne die Schläge wäre er nicht gestorben, damit sei die Kausalität gewahrt.
Ein stark vergrößerter Herzmuskel macht das Herz anfälliger. Medizinisch gesehen ist es aber durchaus so, dass heftige Tritte, die eine Fülle von Blutergüssen verursachen, und das Adrenalin, das in einer solchen Extremsituation ausgeschüttet wird, ein tödliches Kammerflimmern auslösen können - bei Menschen mit Vorerkrankungen schneller als bei anderen.
Die Verteidiger werden nun wohl auf Körperverletzung mit Todesfolge setzen. Gerät die Mordanklage ins Wanken? Der Münchner Rechtsanwalt Adam Ahmed sagt: "Brunner war fit und hat die tätliche Auseinandersetzung begonnen. Die Verteidiger werden die Strategie fahren, dass die Angeklagten nicht damit rechnen konnten, dass dieser Mann einen Herztod erleidet. Somit wäre die Mordanklage nicht mehr zu halten." Der Anwalt Thomas Pfister weist aber darauf hin: "Es ist ja nicht so, dass man nur kerngesunde Menschen ermorden kann. Ein alter Mensch, der massiv misshandelt wird, stirbt eher als ein junger." Strafrechtler Jochen Uhler sagt: "Auch wenn bei einem Opfer eine Körperschädigung vorliegt, bleibt das Risiko beim Täter."
Erster entscheidender Punkt ist die Kausalität zwischen Misshandlung und Tod. Ahmed erläutert: "Hierbei wird das Gutachten entscheidend sein, das die Frage beantworten muss: Hätte Brunner auch ohne die Schläge einen Herztod erlitten?" Die Staatsanwaltschaft weist hier darauf hin, dass erst die Verletzungen und der extreme Stress des Opfers den Herzstillstand auslösten.
Der zweite entscheidende Punkt: Mussten die Täter mit dem Tod Brunners rechnen? "Generell gilt: Misshandeln Täter ein Opfer so stark, dass es daran sterben kann, nehmen sie den Tod billigend in Kauf. Dann spricht man von bedingtem Tötungsvorsatz", sagt Pfister. Auch das hieße Mord.