Ein 15-Jähriger ist in Rathenow beim Graffiti-Sprayen von einem ICE erfasst und getötet worden. Ein Gleichaltriger wurde schwer verletzt.
Rathenow/Berlin. War es der Nervenkitzel oder pure Unvernunft? Ein 15 Jahre alter Graffiti-Sprayer ist am Freitag in Rathenow (Havelland) von einem ICE-Zug erfasst und getötet worden. Sein Hobby hat ihm bereits Ärger mit Bahn und Ermittlern eingebrockt, teilte die Bundespolizei mit. Nun kostete es ihn sein Leben, kaum dass die Schulferien in Brandenburg und Berlin begonnen haben. Sein gleichaltriger Freund wurde schwer verletzt. Ob er in Lebensgefahr schwebt, war zunächst unklar. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke wurde bis zum Mittag komplett gesperrt und der Fernverkehr über Magdeburg sowie über Stendal und Wittenberge umgeleitet.
Die Sprayer hatten sich morgens mit ihren Farbdosen an einem Güterzug in Höhe der Havelbrücke zu schaffen gemacht, als der ICE heranraste. Der Lokführer eines anderen Zuges gab noch ein Notsignal ab - zu spät. Die beiden Jugendlichen aus Rathenow konnten nicht mehr ausweichen. Ein Zwölfjähriger, der in unmittelbarer Nähe stand, erlitt einen Schock. Die Menschen in der Havelstadt etwa 70 Kilometer von Berlin reagierten ebenfalls geschockt. Viele der 25 000 Einwohner kannten die Jugendlichen. Kleingärtner in der Nähe des Unglücksortes hatten die beiden Jungs am Abend zuvor beim Campen in der Nähe der Gleise beobachtet.
„Wir weisen immer wieder auf die Gefahr hin“, sagte Bahnsprecher Burkhard Ahlert. Vandalismus und Graffiti-Schmierereien seien seit Jahren ein großes Thema, insbesondere im Großraum Berlin. „Zur Ferienzeit erleben wir regelmäßig einen Anstieg“, erläutert Ahlert. Damit wächst auch das Risiko: „Die Eigengefährdung wird ständig unterschätzt“, meinte Meik Gauer von der Bundespolizei. Seit Jahren versuchen Polizei und Bahn mit Präventionsarbeit dagegen anzukämpfen. Im vergangenen Sommer starteten sie die Sicherheitskampagne „Fair und sicher unterwegs“.
Doch der Irrsinn wird nicht gestoppt. Neben dem tragischen Unglück in Rathenow gab es auch in Berlin-Moabit in der Nacht zum Freitag auf einer Bahnanlage ein Opfer: Ein betrunkener 18-Jähriger kletterte am Bahnhof Beusselstraße auf einen stehenden Güterzug - und wurde dabei von einem Stromschlag aus einer Oberleitung getroffen. Er kam mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus.
Das Unglück in Rathenow wird nun von der Bundespolizei untersucht. Der ICE 375 war aus Berlin nach Interlaken in der Schweiz unterwegs; in Rathenow hatte er kurz betriebsbedingt gestoppt. Zum Zeitpunkt des Unglücks hatte er nach Schätzungen der Bahn wieder eine Geschwindigkeit von etwa 120 Stundenkilometer erreicht. Die Fahrgäste des ICE mussten in Busse umsteigen, die sie nach Hannover bringen sollten. Für die Reisenden anderer Züge kam es zu Verspätungen von mindestens einer Stunde. Im Nahverkehr zwischen Stendal und Rathenow setzte die Bahn ebenfalls Busse ein.