Belgien gedachte der 28 Opfer des Busunglücks in der Schweiz. Die Toten wurden in ihre Heimatorte überführt
Brüssel/Hamburg. "Die Kleinen sind jetzt Engel", "Keine Kinderträume mehr, einfach nur unerträglicher und endloser Schmerz": Die Anteilnahme nach dem schweren Busunglück in der Schweiz, bei dem 28 Menschen, unter ihnen 22 Kinder, starben, ist rund um den Globus zu spüren. Aus Großbritannien, Kanada, Luxemburg und der Türkei - überall auf der Welt wollen Menschen ihren Schmerz den Angehörigen mitteilen.
Die Belgier hielten am Freitag um Punkt 11 Uhr inne, um der Opfer mit einer Schweigeminute zu gedenken. Das öffentliche Leben kam fast vollständig zum Erliegen. Flaggen waren auf halbmast gehisst, die Kirchenglocken im ganzen Land läuteten, Busse und Bahnen stoppten, Taxifahrer stiegen aus ihren Autos mit Trauerflor, Rundfunk und Fernsehen blieben still, Menschen verharrten auf den Straßen. In allen Schulen versammelten sich die Schüler auf den Schulhöfen. Die Schulen in Lommel und Heverlee glichen einem Blumenmeer. Einwohner zündeten Kerzen an, legten Teddybären nieder.
Auch die EU-Institutionen, die ihren Sitz in Brüssel haben, beteiligten sich. Sekretärinnen, Sicherheitskräfte, Köche und Kellner traten vor die Türen und trauerten. Nur auf dem Königspalast im Zentrum der Stadt war die Flagge nicht auf halbmast. Das geschieht nur, wenn der König stirbt. Deshalb sind Staatstrauertage in Belgien auch relativ selten: 1956, als 262 Menschen im Bergwerk von Marcinelle verbrannten, 2004 nach einer Gasexplosion in Ghislenghien mit 24 Toten und 1993 nach dem Tod von König Baudouin.
Am frühen Morgen waren auf dem Militärflughafen Melsbroek in Brüssel zwei Militärmaschinen vom Typ Herkules C-130 mit den weißen Särgen der Kinder und den von sechs Erwachsenen gelandet, die bei der Katastrophe im Autobahntunnel in der Nähe von Siders (Kanton Wallis) ums Leben gekommen waren. Auf jedem lag ein Blumengebinde. Dann verließ ein Konvoi - eskortiert von der Polizei - mit 14 schwarzen Leichenwagen das Flugplatzgelände in Richtung Lommel, Heverlee und Aarschot, den Heimatgemeinden der Opfer. Die Polizisten salutierten.
Auch in den Niederlanden, woher sechs der getöteten Kinder stammen, wehten die Fahnen auf halbmast, ebenso in der Schweiz. Königin Beatrix will einen persönlichen Vertreter zu der offiziellen Trauerfeier am Mittwoch im belgisch-niederländischen Grenzort Lommel entsenden, an der auch der belgische König Albert II. teilnehmen wird.
Doch es gibt Meldungen, die Hoffnung aufkommen lassen. So hat sich im Universitätsspital im schweizerischen Lausanne der Zustand einer Zwölfjährigen soweit stabilisiert, dass sie aus dem künstlichen Koma geholt werden konnte. Bei dem Unfall hatte das Mädchen mehrere Knochenbrüche und eine Verletzung des Rückenmarks erlitten.
Für die Ermittlung der Unfallursache wurden Experten des Bundesamts für Straßen (Astra) beauftragt, die Baunormen für Tunnel unter die Lupe zu nehmen. Die Norm mit rechtwinkligen Mauern für Nothaltebuchten wird derzeit hinterfragt, sagte Astra-Informationschef Michael Müller. In eine solche war der Bus des belgischen Unternehmens Toptours am Dienstagabend gerast. Zu den Aussagen überlebender Kinder gegenüber Eltern und Krankenschwestern, dass der Busfahrer kurz vor dem Unglück eine CD oder DVD eingelegt habe, äußerte sich einer der Chefs von Toptours, Tom Cooremanns: Dies sei unrealistisch, denn der Bus sei so konzipiert, dass die Passagiere den Fahrer gar nicht sehen können, dieser sitze viel tiefer. "Es ist also unmöglich, dass ein Kind ihn mit einer DVD hantieren sah", sagte er in der der belgischen Zeitung "Le Soir". Er gab ebenfalls zu bedenken, dass bei zwei Fahrern im Bus wohl kaum derjenige am Steuer die DVD einlegen würde. Yves Mammaerts von Toptours ist sich sicher: "Wenn diese Tragödie gelöst ist, können wir die Lehren daraus ziehen."
Die belgische Regierung äußerte sich kritisch zur Veröffentlichung von Fotos der getöteten Kinder. "Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten sollte", sagte am Freitag die für Medien zuständige flämische Ministerin Ingrid Lieten. Sie schränkte ein, dass es einen Unterschied gebe, ob Bilder zum Beispiel auf Facebook oder anderen sozialen Netzwerken zu sehen seien oder im großen Stil veröffentlicht würden. Auch Regierungschef Elio di Rupo hatte ausländische Reporter nachdrücklich aufgefordert, die Privatsphäre der Oper zu respektieren.