Eine belgische Zeitung berichtete unter Berufung auf überlebende Schüler, der Busfahrer habe zum Unfallzeitpunkt eine DVD wechseln wollen.
Brüssel. Der Fahrer des in der Schweiz verunglückten belgischen Busses wollte angeblich unmittelbar vor der Kollision mit der Tunnelwand eine DVD einlegen. Das berichtete die belgische Boulevardzeitung „Het Laatste Nieuws“ am Donnerstag in ihrer Internetausgabe unter Berufung auf die Aussagen überlebender Kinder gegenüber deren Eltern. Demnach habe einer der Lehrer eine DVD mit einem Film zum Fahrer gebracht. Dieser habe sie dann einlegen wollen. Ein Sprecher der Schweizer Polizei sagte dazu, er höre dies zum ersten Mal. Für ihn handle es sich um eine „reine Spekulation“.
Der belgischen Zeitung zufolge hätte ein Moment der Unaufmerksamkeit zur Kollision mit der Bordsteinkante und dem anschließenden Aufprall auf die Tunnelwand führen können. Bei dem Unfall kamen 22 Kinder und sechs Erwachsene ums Leben.
Und Belgien trauert. Der Schmerz über den Tod von 22 Kindern und sechs Erwachsenen in einem Autobus in der Schweiz eint das zerrissene Land. An diesem Freitag rücken die Belgier wieder in einem großen gemeinsamen Gefühl zusammen. Um 11.00 Uhr steht das Land still und gedenkt der Opfer. Die Sirenen der Feuerwehr werden sich in vielen Orten mit dem Klang von Kirchenglocken mischen - im Niederländisch sprechenden Flandern, wo die Kinder daheim waren, ebenso wie in der Französisch sprechenden Wallonie. Diese Trauer kennt keine Sprach- und Kulturgrenzen mehr.
„Ihre Verzweiflung ist sofort unsere geworden“, schreibt die frankophone Zeitung „Le Soir“ über den Schmerz der Eltern. „Wir sind alle zu Eltern jener kleinen Opfer geworden, deren Leben in einem schweizerischen Tunnel endete“, formulierte die Zeitung „L'Avenir“. Und die flämische Zeitung „Het Gazet van Antwerp“ meinte: „Das sind Augenblicke unglaublichen Leids, aber auch der Solidarität und des Nachdenkens, in denen man zu relativieren lernt.“
Eine Welle der Bestürzung und der immer noch ungläubigen Trauer durchflutet das Königreich. Mancher fühlte sich an den Oktober 1996 erinnert, als die Belgier - im flachen Flandern ebenso wie in der hügeligen Wallonie - im Schmerz und in der Schande um die Opfer des Kinderschänders Marc Dutroux massenhaft zueinander fanden.
Allein im Internet-Kondolenzbuch der Schule „t'Stekske“ in Lommel trugen sich bis Donnerstag 10.000 Menschen ein - vor allem, aber keinesfalls ausschließlich aus Flandern. Und in vielen wallonischen Städten kommen die Menschen scharenweise in die Rathäuser, um ebenfalls in Kondolenzbüchern Trauer und Mitgefühl auszudrücken.
Die Wege der Angehörigen der Opfer jedoch begannen sich am Donnerstag zu trennen. Da waren jene, deren Kinder im Tunnel bei Siders (französisch: Sierre) gestorben waren. Sie wurden, streng abgeschirmt von den Journalisten, noch einmal zum Unfallort gebracht, für einen traurigen Gang an den Sarg ihres Kindes. Am Freitag sollten die ersten sterblichen Überreste mit einem Militärtransporter nach Brüssel geflogen werden. Und immer noch befanden sich drei Kinder mit schwersten Verletzungen in akuter Lebensgefahr, sagten die Ärzte.
Aber da waren auch jene, die noch am Donnerstag Richtung Belgien aufbrachen. Drei Kindern ging es gut genug, um mit ihren Eltern die Rückreise im Auto anzutreten, für drei andere wurde ein Linienflug gebucht.
Die Anteilnahme der Öffentlichkeit ist groß. Auch am Donnerstag gab es Sondersendungen im belgischen Fernsehen und Online-Sonderausgaben von Zeitungen. Aber manchen direkt Betroffenen wurde es zuviel. Sie beschwerten sich vor allem über ausländische Journalisten, die die Schulen in Heverlee bei Löwen und in Lommel an der niederländischen Grenze geradezu belagerten.
Sogar Regierungschef Elio Di Rupo sah sich veranlasst, die Medien „mit Nachdruck“ aufzufordern, die Privatsphäre der Familien und ihrer Freunde zu respektieren. Und die Polizei in Löwen drohte den Reportern mit Anzeigen.