Unter den 29 Vermissten sollen sich auch zwölf Deutsche befinden. Retter nutzen das gute Wetter aus und setzen die Suche nach Vermissten fort.
Giglio. Die Suche nach Vermissten auf dem gekenterten Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ ist am vierten Tag nach der Havarie nahe der toskanischen Insel Giglio fortgesetzt worden. Nach einer Pause über Nacht setzten die Rettungsmannschaften am Dienstagmorgen auch Sprengstoff ein, um sich einen Weg durch Trümmer und andere Hindernisse zu bahnen, sagte ein Sprecher der Küstenwache in Giglio. „Wir wollen das gute Wetter ausnutzen und versuchen, soweit wie möglich voranzukommen“, erklärte Filippo Marini.
Italienische Küstenwache meldet 29 Vermisste
Unterdessen hat sich drei Tage nach dem schweren Schiffsunglück vor der toskanischen Küste die Zahl der Vermissten von 16 auf 29 erhöht. Vermisst werden nach Angaben der italienischen Küstenwache 25 Passagiere und vier Besatzungsmitglieder. Nach Angaben der hiesigen Polizei wurden bis zum Montag zwölf Deutsche vermisst. Zuvor hatten sich die italienische Reederei Costa Crociere sowie deren Geschäftsführer in Hamburg vom Verhalten des Kapitäns deutlich distanziert.
Mit einem eigenmächtigen und nicht genehmigten Manöver sei der Schiffsführer Francesco Schettino vom Kurs abgewichen. Das Kentern des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ mit etwa 4.200 Menschen an Bord sei somit auf menschliches Versagen zurückzuführen, sagte der Vorstandsvorsitzende Pier Luigi Foschi am Montag. Harsche Kritik am Verhalten des Kapitäns äußerte auch die Staatsanwaltschaft.
Bei der letzten Überprüfung der Technik und der Sicherheit des Schiffs im vergangenen Jahr habe es keine Beanstandungen gegeben, sagte Foschi. Die Routen der Schiffe des Unternehmens seien genau festgelegt, bei Abweichungen würden sofort Alarmsignale ertönen. Im Fall der „Costa Concordia“ sei diese Route korrekt programmiert gewesen. „Die Tatsache, dass sie von diesem Kurs abwich, ist einzig auf ein Manöver des Kapitäns zurückzuführen“, hieß es weiter. Die Kreuzfahrtgesellschaft habe von diesem nicht autorisierten Manöver keine Kenntnis gehabt.
Die Hauptsorge des Unternehmens sei nun die Sicherheit und das Wohlergehen der Passagiere und der Besatzung sowie sicherzustellen, dass kein Treibstoff aus dem Schiff in die Gewässer vor der toskanischen Insel Giglio auslaufe, sagte Foschi. Costa Crociere werde dem Kapitän mit juristischer Hilfe beistehen. Von dessen Verhalten distanziere sich das Unternehmen aber ausdrücklich.
Die italienische Staatsanwaltschaft kritisierte Kapitän Schettino indessen mit scharfen Worten. „Wir sind betroffen von der Skrupellosigkeit des waghalsigen Manövers“, das zur Katastrophe geführt habe, sagte Staatsanwalt Francesco Verusio am Montag gegenüber Journalisten. Sein Verhalten sei „unentschuldbar“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung, vorzeitigem Verlassen des Schiffs sowie Herbeiführung von Schiffbruch gegen Schettino.
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Augenzeugen berichteten, dass der Kapitän bereits vor dem Abschluss der Evakuierung des Schiffes an Land gesehen worden sei. Schettino sitzt seit Samstagabend in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird unter anderem wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.
Die „Costa Concordia“ war Freitagnacht vor der toskanischen Küste auf einen Felsen gelaufen und gekentert. An Bord waren etwa 4.200 Menschen, darunter 566 Deutsche. Die Zahl der bei der Havarie Getöteten stieg am Montag auf sechs.
Auch der Geschäftsführer von Costa-Kreuzfahrten Deutschland, Heiko Jensen, machte den Kapitän des Schiffes für das Unglück verantwortlich. „Aktuell stellt es sich für uns so dar, dass der Kapitän eigenmächtig die von Costa vorgegebene Route geändert hat“ Der Felsen, auf den das Schiff aufgelaufen war, sei in Seekarten verzeichnet.
Am Montagnachmittag wurden die Rettungsarbeiten vorübergehend teilweise eingestellt. Bei unruhiger See hatte sich das Schiff einige Zentimeter bewegt. Experten rechnen mit einer Ölkatastrophe, sollte das Schiff sinken, bevor die 2.400 Tonnen Treibstoff an Bord abgepumpt werden können. So ist die toskanische Küste Schutzgebiet unter anderem Schutzgebiet für Delfine und Schweinswale.
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„Im Moment gibt es keine Öllecks, aber wir müssen schnell reagieren, um eine Umweltkatastrophe zu verhindern“, sagte Umweltminister Corrado Clini dem staatlichen Fernsehsender RAI
Costa zufolge werde dass in Rotterdam ansässige Unternehmen Smit versuchen, das 290 Meter lange Kreuzfahrtschiff zu bergen. Am Dienstag solle Smit einen Vorschlag unterbreiten, wie der Treibstoff abgepumpt werden könne, hieß es weiter.
Unterdessen bezifferte der US-Mutterkonzern Carnival den Gesamtschaden für das Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Dollar (79 Millionen Euro), den größten Teil davon machten Umsatzeinbußen aus, wie das Unternehmen am Montag in Miami mitteilte. Dagegen scheint die Havarie der „Costa Concordia“ bei den deutschen Kreuzfahrttouristen keine Ängste zu schüren. Auf Nachfrage bei der Costa-Konkurrenz TUI Cruises heiß es, es habe nur wenige Stornierungen und einige Anfragen zur Sicherheit an Bord der Schiffe gegeben. Costa und die Schwesterfirma AIDA wollten sich am Montag nicht dazu äußern.
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Hintergrund: Das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia
Die "Costa Concordia“ gehört nach Angaben des Eigners zu den neuesten und größten Kreuzfahrtschiffen, die derzeit auf den Meeren unterwegs sind. Sie wurde 2006 gebaut und bietet in 1500 Kabinen Platz für 3780 Passagiere. Betreiber ist das italienische Kreuzfahrtunternehmen Costa Crociere mit Sitz in Genua. Das Schiff misst 290 Meter und ist gut 35 Meter breit. Es schafft bei 114.500 Bruttoregistertonnen eine maximale Geschwindigkeit von 23 Knoten (rund 43 Stundenkilometer). 1100 Besatzungsmitglieder kümmern sich um die Gäste. An Bord befinden sich auf 17 Decks neben fünf Restaurants auch ein Theater, ein Kino sowie Clubs und Diskotheken.
Mit Material von dpa, rtr und dapd