Die auf Grund gelaufene “Costa Concordia“ geriet in Bewegung und rutschte tiefer ins Wasser. Bergungsarbeiten zunächst unterbrochen.
Rom/Giglio/Hamburg/Offenbach. Sie sinkt immer tiefer: Am verunglückten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia“ sind die Bergungsarbeiten am Montag auf unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Das auf Grund gelaufene Kreuzfahrtschiff sei an den Felsen in Bewegung geraten und neun Zentimeter tiefer ins Wasser gerutscht, berichtete ein Feuerwehrsprecher. Um die Rettungskräfte nicht zu gefährden, sei das Schiff daher umgehend evakuiert worden. Es müsse nun zunächst beobachtet werden, ob das Schiff weiter absacke. "Wir wissen daher nicht, wann wir die Bergungsarbeiten wiederaufnehmen können“, sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari.
Drei Tage nach der Havarie der "Costa Concordia" hatte die Feuerwehr ein weiteres Todesopfer an Bord gefunden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa am Montagmorgen handelt es sich um einen männlichen Passagier. Er sei in einem Korridor in dem Teil des Schiffes entdeckt worden, der noch über der Wasserlinie liege. Das Opfer habe eine Schwimmweste getragen. Die Zahl der Toten steigt damit auf sechs an. Mindestens 14 Menschen werden noch vermisst. Unter den Vermissten sind mindestens sieben Deutsche – drei Frauen und zwei Männer aus Hessen sowie zwei Frauen aus Baden-Württemberg.
+++ Nach Havarie: Sechs Tote, sieben Deutsche vermisst +++
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+++ Szenen wie auf der "Titanic" +++
Das 114.500 Tonnen große Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" war am Freitagabend mit 4200 Gästen und Besatzungsmitgliedern an Bord vor der Insel Giglio auf Grund gelaufen und gekentert. Daraufhin war das Schiff zur Seite gekippt. Gegen den festgenommenen Kapitän der "Costa Concordia“ werden schwere Vorwürfe erhoben. Die Reederei Costa Crociere schloss menschliches Versagen als Unglücksursache nicht aus. "Die Route des Schiffes führte offenbar zu nahe an der Küste vorbei, wobei sich die Einschätzung des Kapitäns für einen Notfall nicht mit den von Costa vorgegebenen Standards deckte“, erklärte die Reederei in der Nacht zum Montag.
Francesco Schettino soll das Schiff zu dicht an die Küste der Insel gelenkt haben. Seit Sonnabend sitzt er in Untersuchungshaft. Der Kapitän sei 2002 als Sicherheitsoffizier zu Costa gekommen und 2006 zum Kapitän ernannt worden. "Wie alle Costa Schiffsführer absolvierte er regelmäßige Trainings.“
+++ Kreuzfahrtsexperte: "Der Kapitän geht immer als Letzter von Bord" +++
Die Reederei hob in ihrer Erklärung die Leistung der Besatzung bei der Rettung der Menschen von Bord der "Costa Concordia“ hervor. Die Mannschaft habe "tapfer und zügig dabei geholfen, mehr als 4000 Personen in einer sehr schwierigen Situation in Sicherheit zu bringen“, hieß es. Dagegen hatten Passagiere von chaotischen Szenen berichtet und über unzureichende Sicherheitsausrüstung geklagt.
Medienberichten zufolge soll der Kapitän mehrfach von der Küstenwache aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung seines Schiffes zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen "SOS“-Ruf soll es nicht gegeben haben.
Einzelheiten zum Hergang des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffes, die ähnlich wie in Flugzeugen Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet.
Auch deutsche Passagiere unter den Vermissten
Eine Frau aus dem hessischen Dreieich hat ihre Eltern als vermisst gemeldet. Das vermisste Paar aus Mühlheim am Main, 71 und 72 Jahre alt, war den Angaben zufolge mit einer Reisegruppe aus dem Raum Aschaffenburg unterwegs. Am Montag sagte ein Polizeisprecher, darüber hinaus seien zwei Schwestern aus Offenbach und ein Mann aus Maintal als vermisst gemeldet worden.
+++ Info: Kreuzfahrt-Unglücke +++
Neben den fünf Menschen aus Hessen fehlt auch von zwei Frauen aus Baden-Württemberg noch jede Spur. Wie die Polizeidirektionen Biberach und Esslingen am Montag bestätigten, werden eine 66-Jährige aus Laupheim und eine 71-Jährige aus dem Raum Nürtingen vermisst. Sie gehörten einer größeren Reisegruppe an, die auf der "Costa Concordia“ war. Die Angehörigen der beiden Frauen haben nach Angaben der Polizei am Sonntagnachmittag eine Vermisstenanzeige geschaltet. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von "einigen Vermissten“, ohne genauere Angaben zu machen.
Nach einem Abschluss der Such- und Bergungsaktion wird vor allem die Frage nach möglichen Umweltbelastungen für die knapp 2400 Tonnen Dieselöl in den Tanks der "Costa Concordia“ in den Vordergrund treten. Spezialisten sind bereits auf der Insel, und der italienische Umweltminister Corrado Clini hat für diesen Montag eine Gruppe von Fachleuten nach Livorno eingeladen, um das Problem zu erörtern. Das zuständige Hafenamt in Livorno hat die Kreuzfahrtgesellschaft in einem Mahnschreiben aufgefordert, unter Berücksichtigung der noch laufenden Suchaktionen "das Schiff zu sichern und abzuschleppen“. Offen ist, ob es etwa bei stürmischer See weiter abrutschen könnte.
Notfallnummern für Angehörige:
Krisen-Hotline des AA: 030/18170
Bereitschaftsdienst Generalkonsulat Mailand: 0039-335- 6255622
Bereitschaftsdienst Deutsche Botschaft Rom: 0039-335-7904170
Hintergrund: Das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia
Die "Costa Concordia“ gehört nach Angaben des Eigners zu den neuesten und größten Kreuzfahrtschiffen, die derzeit auf den Meeren unterwegs sind. Sie wurde 2006 gebaut und bietet in 1500 Kabinen Platz für 3780 Passagiere. Betreiber ist das italienische Kreuzfahrtunternehmen Costa Crociere mit Sitz in Genua. Das Schiff misst 290 Meter und ist gut 35 Meter breit. Es schafft bei 114.500 Bruttoregistertonnen eine maximale Geschwindigkeit von 23 Knoten (rund 43 Stundenkilometer). 1100 Besatzungsmitglieder kümmern sich um die Gäste. An Bord befinden sich auf 17 Decks neben fünf Restaurants auch ein Theater, ein Kino sowie Clubs und Diskotheken.
Mit Material von dpa, rtr und dapd