Sarah ist eines der Kinder, die Dominik Brunner beschützen wollte. Jetzt sagte sie als Zeugin aus: Kein Passant habe auf Hilferufe reagiert.
München. Eine Woche nach dem Mord an dem Geschäftsmann Dominik Brunner auf einem Münchner S-Bahnhof wirft die Aussage einer Zeugin erneut die Frage nach unterlassener Hilfeleistung auf. „Wir haben „Helft uns!“ geschrien, aber die Leute sind vorbeigegangen“, zitiert die Münchner „Abendzeitung“ (Samstag) die 13-jährige Sarah. Sie ist eines der vier Kinder, die von Jugendlichen bedroht wurden und vor die sich der 50-Jährige schützend gestellt hatte. Nach Auskunft der Münchner Staatsanwaltschaft gibt es dagegen derzeit noch keine Hinweise auf unterlassene Hilfeleistung.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I bestätigte am Samstag auf Anfrage entsprechende Berichte der Nachrichtenmagazine „Focus“ und „Spiegel“. Es laufe kein Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft müsse erst genau erarbeiten, welcher Zeuge zum Tatzeitpunkt in der Lage gewesen wäre, dem Gewaltopfer zu helfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte in der „Bild am Sonntag“ vor einer Kapitulation des Staates vor der Jugendkriminalität. „Straßen, Plätze und Bahnhöfe müssen sicher sein“, sagte sei. Der Bürger dürfe nicht den Eindruck gewinnen, dass der öffentliche Raum nicht sicher ist. Sonst würden sie leichter wegsehen und weniger Zivilcourage zeigen.
Nach Angaben der 13-jährigen Sarah haben lediglich Passanten auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig „Aufhören“ gerufen, als auf Brunner eingeschlagen wurde. Auch ihre Freunde hätten versucht, den Haupttäter zu stoppen, dieser sei jedoch „total ausgetickt“, nachdem ihm Brunner auf dem Bahnsteig zur Selbstverteidigung einen Schlag verpasst habe. Der Jugendliche habe daraufhin wie von Sinnen auf den Mann eingetreten.
Die Opferhilfeorganisation Weißer Ring kritisierte scharf, dass bisher nicht wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt werde. „Es ist ein ganz schlechtes Beispiel für Helfer, wenn man sagt, wir ermitteln erst gar nicht“, sagte der Thüringer Landesvorsitzende Heinz-Günter Maaßen der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft schon vor der tödlichen Attacke am Münchner S-Bahnhof gegen einen der mutmaßlichen Täter ermittelte. Laut „Focus“ soll er Ende Juli damit gedroht haben, als Vergeltung für die Verhaftung seines Bruders eine Polizeiwache zu sprengen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass gegen den 18-Jährigen ein Ermittlungsverfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat laufe. Der ältere Bruder des 18-Jährigen sitzt wegen Drogenhandels in Haft.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rief in einem Brief an Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) dazu auf, die Videoüberwachung in S-Bahnen sowie an S-Bahnhöfen auszubauen. Nach einem Bericht der Zeitung „Welt am Sonntag“ forderte er Tiefensee in dem Schreiben auf, eine „flächendeckende Videoüberwachung in S-Bahnen und an S-Bahnhöfen“ zu veranlassen. Lücken bei der Videoüberwachung in München und Nürnberg kritisierte Herrmann als nicht hinnehmbar. „Tiefensee muss hier schnellstmöglich für Abhilfe sorgen“, sagte er der Zeitung. Von den insgesamt 238 in München eingesetzten S-Bahn- Zügen seien lediglich 105 mit Videokameras ausgerüstet. Auch der S- Bahnhof in München-Solln, an dem der 50- jährige Dominik Brunner am vergangenen Samstag zu Tode geprügelt worden war, war nicht videoüberwacht.
Die Gewerkschaft Transnet forderte am Samstag deutlich mehr Personal auf Bahnhöfen und in den Zügen des Schienenpersonen- Nahverkehrs (SPNV). „Die Bundesländer beziehungsweise die Bestellerorganisationen für den SPNV müssen hier handeln“, sagte Transnet-Vorstand Reiner Bieck laut Mitteilung. Sie müssten in den Verträgen mit den jeweiligen Verkehrsunternehmen nachhaltige Sicherheitskonzepte einfordern. Eine hektische Diskussion über Videokameras und Notrufsäulen zu führen, genüge nicht. ÄStaatsanwaltschaftÜ: Linprunstraße 25,