Tonnen von Schutt hatten den 17-jährigen Bäckerlehrling Kevin K. und den 24 Jahre alten Design-Student Khalil G. unter sich begraben und getötet. Heute trauerten in Köln insgesamt 3000 Menschen um die beiden Opfer des Stadtarchiv-Einsturzes vor zwei Wochen: bei einer Gedenkstunde, die vielen sehr nahe ging und einem Schweigemarsch am Abend. Bilder der Gedenkfeier. Bilder vom Unglück.
Köln. Mehr als 1000 Trauernden hatten sich im historischen Gürzenich-Saal versammelt, um den beiden Opfern der Tragödie von Köln zu gedenken. Die Stadt rief alle vom Unglück betroffenen Menschen dazu auf, sich in Solidarität und Trauer zu vereinen. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) initiierte die Gedenkfeier. Gemeinsam mit dem katholischen Stadtdechant Prälat Johannes Bastgen, dem muslimischen Imam Hag Hoca Selman Aydin und dem evangelischen Stadtsuperintendent Rolf Domning richtete er sich an die Betroffenen.
Schramma versprach die vollständige Aufklärung des Unglücks: "Wir müssen wissen: Wo sind vielleicht Fehler gemacht wurden? Wo sind Versäumnisse? Wir müssen die Verantwortlichkeiten klären und die nötigen Konsequenzen ziehen." Ein solches Unglück dürfe sich keinesfalls wiederholen. Dazu bedürfe es einer klaren Analyse der Ursachen. Den Anwohnern sprach er zudem das Recht auf eine erneute Prüfung der Baurisiken durch unabhängige Gutachter zu. Momentan ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft. Bis morgen will Schramma durch Umwelt-Dezernat und KVB wasserrechtliche Genehmigungen geklärt haben. Am Sonntag hatte die Kölner Umweltdezernentin Marlies Bredehorst berichtet, dass sich einige Bauunternehmen nicht an die Auflagen zum Umgang mit Grundwasser gehalten hätten.
Vom federführenden Bauunternehmen beim U-Bahn-Bau, dem Mannheimer Konzern Bilfinger Berger, gab es keine Aussagen zum Unglück. Vorstandschef Herbert Bodner teilte lediglich mit, dass "noch keine schlüssigen Erkenntnisse über die Ursachen des Unglücks oder über Verantwortlichkeiten" vorlägen. Bevor er sich weitergehend äußern wolle, müssten die Angelegenheit von Gutachtern geklärt sein.
Der 24 Jahre alte Student Khalil G. und der 17 Jahre alte Bäckerlehrling Kevin K. waren beim Einsturz des Stadtarchivs und zweier angrenzender Häuser getötet worden. Vermutlich steht das Unglück vor zwei Wochen im Zusammenhang mit dem Bau der U-Bahn. Schramma sprach während der Gedenkfeier von einem "Verlust des Vertrauens in handelnde Institutionen und Personen" und einem großen "Misstrauen gegen "die da oben"".
Den Angehörigen der zwei Opfer sprach er sein Mitgefühl aus: Er wisse sehr gut, dass das Leben nach solch einem Schicksalsschlag nie mehr wie davor werden. Schramma selbst hatte einen Sohn bei einem Verkehrsunfall verloren.
Musiker des Kölner Gürzenich-Orchesters umrahmten die Gedenkfeier musikalisch. Mit deren Beginn um 14 Uhr ließen die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) Bahnen und Busse im gesamten Netz für einen Moment stehen, um ebenfalls der Verluste und der Opfer des Einsturzes zu gedenken. Der Moment des Gedenkens solle auch die Baustellen der Nord-Süd-Stadtbahn umfassen, die KVB kündigten einen Baustopp zwischen 13 und 20 Uhr an. Nur sicherheitsrelevante Aufsichten und Arbeiten sollten durchgeführt werden. Zudem setzten sie Sonderbusse ein, die die Menschen aus der gesamten Südstadt zur Trauerfeier in den Gürzenich-Saal transportieren sollten.
Am frühen Abend nahmen 2000 Menschen an einem Schweigemarsch teil. Sie teilten sich auf und bildeten für etwa fünf Minuten eine Lichterkette rund um die abgesperrte Zone des Unglücksorts bilden. Auch die Kölner Kirchengemeinden schlossen sich dem Schweigemarsch an. Sie rufen für kommenden Freitag zu einem weiteren Schweigemarsch auf.
Nach dem Schweigemarsch informierten Oberbürgermeister Schramma, Wirtschaftsdezernent Norbert Walter-Borjans und die Interessensgemeinschaft Severinsviertel die Geschäftsleute des Severinviertels im Alten Pfandhaus. Sie sprachen unter anderem über Hilfsangebote für Betriebe und Geschäfte, die durch das tragische Unglück in Mitleidenschaft gezogen wurden.
"Eine Katastrophe für unsere kulturelle Identität" nannte Schramma das Unglück, der Verlust sei für Deutschland und Europa unermesslich. Die meisten Menschen wüsten gar nicht um die Schätze des Historischen Stadtarchivs, die großteils verschüttet wurden. Den Schaden nannte Schramma unermesslich groß - so groß, dass es "noch Generationen nach uns schmerzlich erfahren" müssten. Hoffnung schöpfte der Oberbürgermeister aus dem Fund von fast unbeschädigten Teilen aus dem Nachlass von Konrad Adenauer.