Hamburg. Der frühere Fußballprofi hat in der Oberliga Hamburg einen Torrekord aufgestellt. Dabei ist er auch heute noch nervös.
Beim letzten Punktspiel der TuS Dassendorf war Martin Harnik nur Zuschauer. Der Stürmer fehlte seinem Team beim Saisonausklang in Tornesch, weil er wenige Tage zuvor trotz einer Oberschenkelverletzung auf dem Feld gestanden hatte. Doch Harnik bereut das nicht: „Ich will mich nicht schonen. Dafür macht es mir zu viel Spaß, in der Oberliga zu spielen.“
Martin Harnik: 46 Tore in einer Oberligasaison
Es ist bezeichnend für den Ehrgeiz, den der 35-Jährige in der Fünften Liga an den Tag legt. Und seine Bilanz liest sich entsprechend: 46 Tore – erzielt in 32 Spielen – hat noch nie ein Spieler in einer Saison in der Oberliga Hamburg geschossen.
„Ich denke, dass ich einen gewissen Instinkt und eine Handlungsschnelligkeit habe. Da merke ich den größten Unterschied“, sagt der frühere Fußballprofi, der seit drei Jahren im Amateurbereich kickt. Martin Harnik war ein guter Bundesligaspieler, trug in der Ersten Liga das Trikot von Werder Bremen, Hannover 96 und des VfB Stuttgart und lief außerdem 68-mal für die österreichische Nationalmannschaft auf. Im Vergleich zu seiner Profizeit fühlt er sich körperlich bei „60 bis 70 Prozent“. Um in Hamburgs höchster Spielklasse Rekorde aufzustellen, reicht das offenbar aus.
Gegen den TSV Sasel traf Harnik noch nie
„Wenn man gegen ihn spielt, merkt man, dass er besondere Bewegungsabläufe und Qualitäten im Abschluss hat“, sagt Kjell Ellerbrock, Verteidiger vom TSV Sasel. Gegen das Team vom Parkweg hat Harnik in vier Partien noch nie getroffen. Die Saseler wurden Hamburger Meister, mit fünf Punkten Vorsprung auf Dassendorf. Speziell auf Harnik vorbereitet hätten sich Ellerbrock und Co. zwar nicht, aber: „Wenn wir gegen Dassendorf spielen, geben wir noch mal ein paar Prozent mehr. Sie sind das Nonplusultra der Liga.“
Auch wegen spielstarker Teams wie Sasel entschied sich Harnik, der seine letzten Profiminuten 2020 beim HSV hatte, bewusst, in der Oberliga weiterzumachen. „Man merkt, dass viele Oberligaspieler eine sehr gute Ausbildung haben. Einige waren in Nachwuchsleistungszentren und haben Drittliga- oder Regionalligaerfahrung. Das technische Niveau ist sehr hoch.“
„Er ist dir im Kopf immer einen Schritt voraus“
Der Qualitätsunterschied zwischen Profis und Amateuren macht sich aber vor allem auf mentaler Ebene bemerkbar. „Ein Verteidiger in der Bundesliga hat die Bälle genauso antizipiert wie ich. Das ist in der Oberliga schon etwas anders“, erzählt Harnik.
„Ein Martin Harnik ist dir im Kopf immer einen Schritt voraus. Er überfordert den Gegner“, sagt Paul Kujawski, Trainer des schleswig-holsteinischen Oberligisten SV Eichede. Der 36-Jährige trainierte sechs Jahre lang den 2001er-Jahrgang der Hamburger Auswahl – darunter die heutigen Profis Leon Flach und Faride Alidou. „In der Auswahl ist das Niveau schon sehr hoch. Viele Jungs spielen in Nachwuchsleistungszentren.“
Durchbruch gelang Harnik in Düsseldorf
Harnik hingegen lief bis zur A-Jugend lediglich für seinen Heimatverein, den SC Vier- und Marschlande, auf. „In der Hamburger Auswahl habe ich nie eine Rolle gespielt. Wenn du in deinem Jahrgang nur die Nummer 15 bist, verleitet dich das nicht zum Träumen.“
Seine Karriere nahm Fahrt auf, als er im Alter von 18 Jahren für die österreichische U-19-Nationalmannschaft debütierte und zur U 23 von Werder Bremen wechselte. Der Durchbruch gelang ihm als Leihspieler bei Zweitligist Fortuna Düsseldorf. „Da habe ich gemerkt, dass ich es schaffen kann.“
„Talent spielt eine untergeordnete Rolle“
Die Fähigkeit, Widerstände anzugehen, ist im Profibereich eine der wichtigsten Eigenschaften, sagt Fußballlehrer Oliver Zapel: „Talent spielt heutzutage eine vollkommen untergeordnete Rolle. Entscheidend sind die Willenskraft und die Disziplin.“ Mit 399 Treffern ist der 55-Jährige Rekordtorschütze der Oberliga Hamburg-Schleswig-Holstein. Nach Stationen in der Dritten Liga trainiert er heute Regionalligist Phönix Lübeck.
Zwischen der Fünften und der Vierten Liga sieht er einen Zweiklassen-Unterschied: „Das Tempo und die Intensität sind höher. In der Regionalliga muss man ans Äußerste gehen, in der Oberliga gewinnt man ein Spiel vielleicht auch mal mit 80 Prozent.“ Der Sprung zur Dritten Liga sei im Vergleich zwar nicht so gewaltig, „doch dafür verändern sich die Rahmenbedingungen enorm. Für viele Spieler ist die hohe Aufmerksamkeit eine große Belastung.“
„Ich bin auch heute noch nervös“
Die mentale Herausforderung setzte auch Harnik während seiner Profizeit zu. Auch deshalb genießt er es, in Dassendorf ohne Druck aufspielen zu können. Etwas Anspannung gehört aber noch dazu: „Ich bin auch heute noch nervös. Dann bin ich aber im Tunnel.“ In Tornesch konnte Harnik entspannt verfolgen, wie seine Teamkollegen die Saison mit einem 3:1-Sieg beendeten. Was macht für ihn einen guten Fußballer aus? „Wenn er es schafft, seine Mitspieler besser zu machen.“
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Seine 46 Saisontore dürften jedenfalls ein Rekord für die Ewigkeit sein – oder nicht? Harniks Vertrag in Dassendorf läuft auch für die kommende Saison.